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Heft 09/1990
Penk malt Heiner Müller
Broschur mit 88 Seiten, Format: 200 x 290 mm
ISSN 0040-5418
Dieses Heft ist leider vergriffen und nur noch als PDF erhältlich.
Kollektivkörper Theater? Das Problem ist aus zwei Gründen heikel: Erstens berührt es das Gebiet der Werbung. Das ist ein Feld, wo sich gerade jetzt nach der Währungsumstellung vielen Noch-DDR-Deutschen die Haare sträuben, fluten doch auch die schönsten Sprüche noch billiger als Bananen und Autos ins Land. Zweitens werden theatersoziologische Erhebungen zitiert. Ihre Beweiskraft ist, da die Soziologie als Tatsachenwissenschaft bisher wenig galt, umstritten - besonders dann, wenn es dem subjektiven Augenschein anders vorkommt.
Das Problem ist: DDR-Theaterzuschauer interessieren sich vorrangig nicht wegen einzelner Künstler für eine Inszenierung. Natürlich widerspricht dieser Satz der Selbsterfahrung der meisten TdZ-Leser. Aber wir sind ja gerade TdZ-Leser, weil unsere Aufmerksamkeit für individuelle Kunstleistungen stärker ausgeprägt ist als bei der großen Mehrheit des Publikums. Insofern wäre Widerspruch aus unseren eigenen Reihen kein triftiges Argument gegen die Zahlenverhältnisse, die der Computer in der Auswertung von Fragebögen immer wieder bloßlegt. Dafür ein Beispiel, das für ein Dutzend ähnlicher Erhebungen stehen kann.
Vor einigen Monaten wurden zweieinhalbtausend Erfurter nach ihren Anlässen für einen Theaterbesuch befragt (schriftlich und anonym, Rücklauf war 43 %!). Wie nicht anders zu erwarten, waren die Begründungen vielfliltig. Jedoch nur verschwindend wenige Zuschauer gaben ein besonderes Interesse an Darstellern/Regisseuren an. Dabei hatten die Fragebögen vornehmlich Besucher ausgefüllt, die dem Theater zugetan waren und es kräftiger lobten als kritisierten. Ihre enge Beziehung zur Theaterkunst kann ja nur, wie denn sonst, dank künstlerischer Leistungen gewachsen sein. Warum aber sind die Künstler als Person den Zuschauern so wenig gewärtig, wenn sie nach einem Anreiz für einen Theaterbesuch gefragt werden?
Die Antwort ist: Theater und Theaterkunst wurden hierzulande viel zu selten, allzu zag personalisiert. Die Theaterleute traten ganz hinter die Sache zurück. Das Rufbild des Theaters, nicht zuletzt auch in Eigenwerbung geprägt, zielte eher auf ein Ensemble als auf Individualitäten in ihm. Die Theater versuchten nachdrücklich mit Spielplänen oder Sachthemen auf sich aufmerksam zu machen, nicht mit Künstlernamen. Gelegentliche Interviews mit hauseigenen Darstellern in hauseigenen Blättern können kein PR-Programm ersetzen.
Jahrzehntelang stieß sich das DDR-Theater vom kommerziellen Startheater ab. So hatten ausländische Beobachter allen Grund, die hochentwickelte Ensemblekunst zu würdigen. Aber dieser unbestreitbare ästhetische Vorzug diente oft auch in der Öffentlichkeitsarbeit als Zielgröße. Das Ergebnis zeigen nun soziologische Recherchen - nur in sehr wenigen Theaterstädten sind nur sehr wenige Theaterleute wirklich bekannt. Dabei hat die Kommunikationsforschung längst ermittelt, wie sehr die Akzeptanz einer Botschaft von dem persönlichen Vertrauensvorschuß des »Botschafters« abhängt. Aufs Theater übertragen bedeutet das: die Mitwirkung eines bestimmten Darstellers/Regisseurs könnte (potentielle) Zuschauer zu einem Aufführungsbesuch einladen, wenn denn ihre Theatererfahrung auch personengebunden verankert wäre.
Die Ent-Subjektivierung des Theatererlebnisses hat auch die »Randzonen« des Theaterbetriebes erfaßt. Das wird dem gelernten DDR-Zuschauer vielleicht erst auffällig, wenn er bei einem Umschmiß im Hamburger Thalia Theater zuflillig erlebt, wie sich der Intendant in der Eingangshalle entschuldigt und enttäuschte Besucher persönlich zu einem Glas Sekt einlädt. Dieses Beispiel meint, daß auch computergeregelter Kartenverkauf nicht den ganz individuellen Kontakt mit dem Publikum ausschließt. Statt »Publikum« sollte es hier besser heißen »mit jedem einzelnen Zuschauer«. Doch das wäre dann schon eine andere Seite. Die Kehrseite derselben Medaille nämlich.
Roland Dreßler
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Impressum | Seite 1 |
Zuschriften | Seite 2 |
Kollektivkörper Theater?von Roland Dreßler | |
Getanzt wird nach wie vorvon Genia Bleier | |
Umfrage | |
Kein Spielzeitrückblickvon Dieter Kranz | Seite 3 |
Seismographen des Künftigenvon Ingrid Seyfarth | Seite 3 |
Wenig Kraft für große Entwürfevon Georg-Friedrich Kühn | Seite 3 |
Theaterkritiker zur Saison 1989/90 | Seite 3 |
Künstlerische Neubelebung tut notvon Wolfgang Lange | Seite 5 |
Das war'sTheaterkritiker benennen herausragende Leistungen der Spielzeit 1989/90 | Seite 6 |
Puppentheater: Produzenten entscheiden über ihre Professionvon Ernst-Frieder Kratochwil | Seite 8 |
War's das?von Martin Linzer | Seite 8 |
Nachrichten | |
Insel der SeligenKleintheatertage in Heidelbergvon Erhard Becker | Seite 11 |
Prag: Das große Wartenvon Lothar Sträter | Seite 11 |
Umschau | |
Deutsch-deutscher FlopBühnen der Stadt Gera: »Die Deutschen kommen« von Theodor Schübel; Regie Thomas Engel, Ausstattung Martina Fungervon Volker Trauth | Seite 12 |
Noch ein Stück NeulandStaatsschauspiel Dresden / Werkstatt (Probebühne ASTORIA): »Die Trauung« von Witold Gombrowicz; Regie Arne Retzlaff, Bühnenbild und Kostüme Heike Arndtvon Gerhard Piens | Seite 12 |
Ach!Staatsschaupiel Dresden: »Onkel Wanja« von Anton Tschechow; Regie Horst Schönemann; Ausstattung Jens Büttnervon Ingeborg Pietzsch | Seite 13 |
Psychogramm eines UngeliebtenTheater Dortmund: »Der Junge im Zug« von Suzanne Lohuizen, Regie Rolf Johannsmeier, Ausstattung Tina Singervon Hans-Rainer John | Seite 14 |
All They Need Is LoveDeutsches Schauspielhaus Hamburg: »Stella« nach Goethes »Schauspiel für Liebende«; Regie Frank Castorf, Bühne und Kostüme Hartmut Meyervon Peter Ullrich | Seite 14 |
Frauenschicksale - jüdischGastspiel des Habimah-Theaters Tel Aviv / lsrael im Hebbeltheater und Deutschen Theater mit Motti Lerners »Elsa« und Gila Almagors »Aviyas Sommer«von Jochanaan Christoph Trilse-Finckelstein | Seite 14 |
Drecksarbeit?Dresden / Dialogtheater: »Dirty work« von Maishe Maponya, DDR-Erstaufführung, Regie Petra Förster, Musik Gerd Beyervon Martin Morgner | Seite 15 |
VerschiebbarPuppentheater Chemnitz: »Hans im Märchen« von Gerd Knappe; Regie Manfred Blank, Ausstattung Sabine Tischmeiervon Silvia Brendenal | Seite 16 |
Wenn Tod und Kasper Tango tanzenErfurt / Schauspielhaus: »Docktor Sassafras«, Posse mit Gesang nach Motiven von Franz Pocci, aufgeschrieben von Klaus Stephan, Regie Klaus Stephan, Ausstattung Hans EIlerfeld a. G.von Manfred Nöbel | Seite 16 |
Kinder- und Jugendtheater | Seite 17 |
Erweiterte Bekanntschaft ...... mit »Grips«, »Grütze« und anderenvon Ingeborg Pietzsch | |
Puppentheater | Seite 20 |
Das war das LetzteEindrücke vom V. Puppentheaterfestival der DDRvon Silvia Brendenal, Hartmut Mechtel, Martin Morgner und Ernst-Frieder Kratochwil | |
Nachrichten | Seite 26 |
Rückkehr nach Pragvon Jitka Slupová | |
Junge Künstler | Seite 28 |
Piecen im Prenzlauer BergAnmerkungen zu Studioinszenierungen im batvon Jochen Gleiß | |
Gespräch | Seite 31 |
Wege suchen im WaldGespräch mit Regiestudenten der Hochschule für Schauspielkunst »Emst Busch«von Sven Schlötcke, Jochen Gleiß, Horst-Joachim Lonius, Carl-Christian Demke, André Hiller und Matthias Oldag | |
Schauspiel | Seite 35 |
Vom Ende einer RevolutionPeter Braschs »Santerre« in Rudolstadtvon Volker Trauth | |
Gespräch | Seite 36 |
Die Zeit der Grabenkämpfe ist vorbeiRundtischgespräch mit jungen Schauspielern und Regisseuren am Thüringer Landestheater Rudolstadtvon Uta Koschel, Martina Eitner-Acheampong, Wolfgang Schuch, Volker Trauth, Uwe Schmieder, Konstanze Lauterbach, Andrej Kaminsky, Axel Vornahm und Iris Albrecht | |
Uraufführungen | Seite 39 |
Ein Kater im Thüringer WaldUraufführung der Kinderoper »Der gestiefelte Kater« von Wolfgang Hocke (Musik) / Heinz Kahlau (Libretto) auf der Freilichtbühne Steinbach-Langenbach (Das Meininger Theater)von Verena Graubner | |
Schauspiel | Seite 40 |
Mögen Sie über transsylvanische Groupies lachen?»Die Rocky Horror Show« von O'Brien am Landestheater Hallevon Thomas Feist | |
Uraufführungen | Seite 41 |
Wenig sensibel, eher terribleUraufführung von »Wonderful Olly« von Pockriss / Olsen in der Musikalischen Komödie Leipzigvon Thomas Feist | |
Nachrichten | |
Warum kündigt Gena Dimitrowa?von Dimiter Sotirow | Seite 43 |
Musiktheater | Seite 44 |
Sexuelle Potenz, Herrschaft und IndustrieHindemiths »Gardillac« in der Komischen Oper BerlinHindemiths »Cardillac« in der Komischen Oper Berlinvon Frank Kämpfer | |
Oper | Seite 45 |
Sprachlos über sprachlose OpernGlass-Zyklus in Stuttgartvon Horst Seeger | |
Umschau | |
Ping-Pong-MatchKomische Oper Berlin: »Fünf Mädchen und kein Mann« von Franz von Suppé; Regie Stephan Blüher; musikalische Leitung Dietrich Sprenger; Ausstattung Anja Duklau / Eleonore Kleibervon Manfred Nöbel | Seite 48 |
Uneingelöste AnsprücheSchwetzinger Festspiele: »Schwergewicht oder Die Ehre der Nation« / »Das geheime Königreich« / »Der Diktator« von Ernst Krenek; Regie Brian Michaelsvon Thomas Luthardt | Seite 48 |
Akribische PersonenführungBayerische Staatsoper München: »Der Freischütz« von C. M. von Weber; Regie Niels-Peter Rudolphvon Nora Eckert | Seite 49 |
Ausdrucksstark in Soli und GruppeCanada's Royal Winnipeg Ballet zu Gast in der Komischen Opervon Karin Schmidt-Feister | Seite 50 |
Carl Marias TeamHochschule für Musik Dresden: »Die Geschichte vom Soldaten« von Igor Strawinsky, »ReBBe« von Karsten Gundermann (UA); Gastspiel im theater im palast / Berlin; Musikalische Leitung Roland Kluttigvon Uwe Hübner | Seite 50 |
Porträt | Seite 51 |
Zwischen Einsamkeit und LachenJutta Deutschland im Porträtvon Volkmar Draeger | |
Tanztheater | Seite 54 |
Vor allem Béjarts wegen ein ErfolgZur Ballettfestwoche der Bayerischen Staatsoper Münchenvon Ann-Elisabeth Wolff | |
Gespräch | Seite 56 |
Experimenta '90Gespräch mit Rainer Mennicken und Tom Strombergvon Martin Linzer, Tom Stromberg und Rainer Mennicken | |
Müller und kein Ende?Nachbemerkungen zur EXPERIMENTA 6von Martin Linzer | |
Essay | Seite 59 |
Postmoderne und DDR-Theatervon Petra Stuber | |
Inszenierung | Seite 61 |
Geschichte ignoriert die TexteHAMLETMASCHINE. Inszeniert von Jo Fabian am Landestheater Dessauvon Jan Kerber | |
Ausland | Seite 62 |
Der Schatten der GeschichteZu Schauspielinszenierungen des Holland-Festivals in Amsterdamvon Ingeborg Pietzsch | |
Aussagen | Seite 64 |
Arthur Sonnen / Georg TaboriAufgezeichnet von Ingeborg Pietzschvon Ingeborg Pietzsch, George Tabori und Arthur Sonnen | |
Stück | Seite 65 |
Die Panne oder Der Oleandervon Klaus Rohleder | |
Kommentar | Seite 65 |
Bestimmte Dinge wiederholen sichvon Werner Buhss | |
Gespräch | Seite 66 |
Am Anfang sind sie namenlosIm Gespräch mit Klaus Rohledervon Volker Trauth und Klaus Rohleder | |
Nachrichten | Seite 71 |
Information | Seite 75 |
Gespräch | Seite 76 |
Was ist mit der »Möwe«-Bibliothek?Gespräch mit Wolfgang Winkler, Leiter der theaterwissenschaftlichen Fachbibliothek »Die Möwe«von Ingeborg Pietzsch und Wolfgang Winkler | |
Personelles | Seite 78 |
Unterwegs | Seite 79 |
Premieren | Seite 80 |
Vom 16. September bis 15. Oktober 1990 | |
Spielpläne | Seite 81 |
Vom 16. September bis 15. Oktober 1990 | |
Besetzungen | Seite 82 |
Ur- und Erstaufführungen / Schauspiel / Musiktheater |
Iris Albrecht
Erhard Becker
Genia Bleier
Silvia Brendenal
Werner Buhss
Carl-Christian Demke
Volkmar Draeger
Roland Dreßler
Nora Eckert
Martina Eitner-Acheampong
Thomas Feist
Jochen Gleiß
Verena Graubner
André Hiller
Uwe Hübner
Hans-Rainer John
Andrej Kaminsky
Frank Kämpfer
Jan Kerber
Uta Koschel
Dieter Kranz
Ernst-Frieder Kratochwil
Georg-Friedrich Kühn
Wolfgang Lange
Konstanze Lauterbach
Martin Linzer
Horst-Joachim Lonius
Thomas Luthardt
Hartmut Mechtel
Rainer Mennicken
Martin Morgner
Manfred Nöbel
Matthias Oldag
Gerhard Piens
Ingeborg Pietzsch
Klaus Rohleder
Sven Schlötcke
Karin Schmidt-Feister
Uwe Schmieder
Wolfgang Schuch
Horst Seeger
Ingrid Seyfarth
Jitka Slupová
Arthur Sonnen
Dimiter Sotirow
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