Kolumne

Soziale Plastik

Flüchtlinge: In Hamburg ermittelt der Staatsanwalt gegen Kampnagel

von

Im Garten auf Kampnagel haben sie ein Holzhaus gebaut; ein bisschen sieht es aus wie die Rote Flora. Letzten Sommer schon, während des Festivals, nahmen sie dort Flüchtlinge auf, aber ohne es an die Glocke zu hängen. Kaum jemand bekam etwas davon mit. Zum Glück witterte das Hamburger Künstlerkollektiv Baltic Raw die Chance, mit einer (eigentlich völlig unspektakulären) Kunstaktion den politischen Diskurs zum Tanzen zu bringen. Im vergangenen Dezember bezogen sechs Afrikaner aus der Lampedusa-Gruppe die gefakte Rote Flora, genannt „ecoFavela“, um dort zu leben und zu arbeiten. In guter alter Tradition brachten sie tagtäglich eine soziale Plastik hervor.

Damit es jetzt aber auch wirklich jeder mitbekam, erging eine Anzeige an die Hamburger Staatsanwaltschaft, und zwar von der Allianz für Deutschland (AfD), der ressentimentgeladenen Partei im rechten Spektrum, die sich mit ihrem Anzeigen-Geistesblitz als „Partei der Rechtsstaatlichkeit“ aufzuspielen suchte. Der Vorwurf: Amelie Deuflhard, Chefin auf Kampnagel, habe öffentliche Gelder veruntreut, noch dazu „Beihilfe zum Verstoß gegen das Aufenthaltsrecht für Ausländer“ geleistet. Tja, wäre es nicht so traurig, wäre es lustig. Noch lustiger ist, dass der Staatsanwalt, wie im Mai bekannt wurde, tatsächlich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat.

Weder vom Inhalt der Anzeige noch vom Inhalt des Ermittlungsverfahrens hat Amelie Deuflhard irgendetwas erfahren. Ihr wurde nichts zugestellt. Das ist das vorläufig Allerlustigste. Öffentliche Gelder? Also bitte, das Projekt wurde durch Crowdfunding finanziert, durch Bürgerinnen und Bürger also, die in Sonntagsreden so gerne umworben werden, auch von der AfD übrigens. Und wenn schon. Auch öffentliche Gelder wären okay. Denn Deuflhard bekam ihren Job, damit sie Kunstprojekte ermöglicht. Aber dass sie Flüchtlingen Unterkunft gewährt – meine Herren, das ist ja ganz schön dreist. Ebenso dreist wie der Senat in Hamburg, der nichts anderes tut. Oder so dreist wie die Kirchen. Oder so dreist wie viele Privatleute, die lieben Bürgerinnen und Bürger. Oder so dreist wie das Europäische Zentrum der Künste in Dresden-Hellerau. Was wäre, wenn nicht? Dann säßen die Flüchtlinge auf der Straße.

Meistgelesene Beiträge

Alle

auf theaterderzeit.de

Keine Tabus?

Christoph Schroth inszeniert Faust I und II am Schweriner Staatstheater 1979

Theater-News

Alle

auf theaterderzeit.de

Autorinnen und Autoren des Verlags

A - Z

Bild von Ralph Hammerthaler

Ralph Hammerthaler

Bild von Lutz Hübner

Lutz Hübner

Bild von Falk Richter

Falk Richter

Bild von Nis-Momme Stockmann

Nis-Momme Stockmann

Bild von Wolfgang Engler

Wolfgang Engler

Bild von Etel Adnan

Etel Adnan

Bild von Michael Schindhelm

Michael Schindhelm

Bild von Dorte Lena Eilers

Dorte Lena Eilers

Bild von Gunnar Decker

Gunnar Decker

Bild von Bernd Stegemann

Bernd Stegemann

Bild von Milo Rau

Milo Rau

Bild von Heiner Goebbels

Heiner Goebbels

Bild von Christine Wahl

Christine Wahl

Bild von Hans-Thies Lehmann

Hans-Thies Lehmann

Bild von Sasha Marianna Salzmann

Sasha Marianna Salzmann

Bild von Josef Bierbichler

Josef Bierbichler

Bild von Dirk Baecker

Dirk Baecker

Bild von Friedrich Dieckmann

Friedrich Dieckmann

Bild von Joachim Fiebach

Joachim Fiebach

Bild von Kathrin Röggla

Kathrin Röggla