Protagonisten

Mehr, mehr … Zukunft!

Was in der Realität noch warten muss, kann in der Kunst des kongolesischen Tänzers und Choreografen Faustin Linyekula schon mal erträumt werden

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Gern zitiert Faustin Linyekula den senegalesischen Bildhauer Ousmane Sow, der erklärte: „Ich bin Afrikaner, ich bin Künstler, aber ich bin kein afrikanischer Künstler.“ Will sagen: Nehmt uns als Künstler ernst, statt uns in der Ethno-Ecke zu hätscheln. Den wohlmeinend abschätzigen Kommentar „Pas mal – pour l’Afrique“, mit dem Festivalbesucher einst das ihnen Fremde lobten, traut sich heute keiner mehr laut auszusprechen, aber in vielen Köpfen ist er weiterhin präsent. Der Rassismus ist ja nicht verschwunden, nur weil er schweigt.

Foto Andreas Etter
Foto Andreas Etter

Linyekula wurde 1974 in Ubundu geboren, einem Dorf im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo, die damals auf Geheiß des Diktators Mobutu Zaire hieß. 1982 zog die Familie in die Großstadt Kisangani, wo Linyekula später Literatur und Theater studierte und in der er auch heute wieder lebt. Als Mobutu die Universitäten schließen ließ, emigrierte er nach Nairobi; dort begann er, sich für Tanz zu interessieren und gründete 1997 gemeinsam mit dem kenianischen Choreografen Opiyo Okach die erste zeitgenössische Tanzkompanie des Landes, die Compagnie Gàara. Linyekula probierte vieles aus, zog nach London, um sich mit Theater zu beschäftigen, wurde nach Kenia abgeschoben, blieb dort eine Zeit lang und ging dann nach Frankreich, wo er seine Tanzstudien fortsetzte, bei Mathilde Monnier arbeitete, bei Régine Chopinot sowie mit dem Südafrikaner Gregory Maqoma.

Obwohl er viel Anerkennung fand, kehrte er in den Kongo zurück. Das ist typisch für ihn – weil er es wichtiger findet, Kunst zu machen für sein Land und dessen Bewohner/-innen als für westliche Festivals. Das sagen viele, aber ihm glaubt man es. Er will Verantwortung übernehmen, sich stellen und „etwas ausrichten, selbst wenn es nur etwas Kleines ist, aber etwas, das hilft, das Land zu verändern“. Sein Beitrag ist seine Kunst und, genauso wichtig, die Studios Kabako, die er 2001 in Kinshasa gründete und 2006 nach Kisangani verlegte. Die Studios, benannt nach seinem besten Freund, der im Kongokrieg umkam, sind eine Produktions- und Ausbildungsstätte – „ein Ort des Fragens, des Suchens und manchmal des Findens“, wie Linyekula sagt. Ein Ort auch der Hoffnung und des Überlebens in diesem isolierten, kriegsversehrten Kisangani, das von der Hauptstadt aus nur per Flug (sehr teuer) oder Schiff (zwei Wochen) zu erreichen ist. Die Abgeschiedenheit macht die Arbeit umso notwendiger und die Konzentration darauf umfassend. In der internationalen Tanzszene jedoch ist der Name Kisangani mittlerweile bekannt – so wie das anonyme Wuppertal durch Pina Bausch weltberühmt wurde.

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