Vorsicht Volksbühne!

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© J. Michael Birn
© J. Michael Birn

„Kein schwierigerer Vormarsch als der zurück zur Vernunft!“, schreibt Brecht im „Messingkauf“-Fragment. Nicht leicht, zurückzufinden zur Vernunft in der festgefahrenen Debatte um die Zukunft der Berliner Volksbühne. Was ist passiert? Die Intendanz Frank Castorfs, in der es gelungen ist, mit einem Team unverwechselbarer Künstler ein geschichtsbewusstes, aber gegenwartsbezogenes politisches Theater zu machen, hat am Rosa-Luxemburg-Platz nach 25 Jahren ein Ende gefunden, das viele als unnötige Zäsur verstanden haben. Chris Dercon, ein Fachmann im Bereich der Bildenden Kunst, wurde als Nachfolger berufen. Die Kulturpolitik hat es versäumt, der Belegschaft der Volksbühne, ihrem Publikum, der Stadtbevölkerung die ambitionierten Pläne zu vermitteln. Ein Theaterstreit ist entbrannt – ausgefochten nicht nur in den Feuilletons, sondern etwa auch mittels einer Theaterbesetzung. Nach sieben Monaten bricht Dercons Arbeit vorzeitig, aber nicht unerwartet ab. Wie weiter?

Um Wege aus der Krise zu zeigen, hat die Akademie der Künste, Berlin, mit Unterstützung des Deutschen Bühnenvereins und der Senatsverwaltung für Kultur und Europa einen „Kongress aus gegebenem Anlass“ organisiert – mit dem bedeutungsschweren Titel „Vorsicht Volksbühne!“. In drei Panels wurde fachkundig über den „Mythos Volksbühne“, die strukturellen Bedingungen der Kunstproduktion und die Bedeutung des Theaters für die Stadt diskutiert. Gerahmt wurde die Veranstaltung von kenntnisreichen und meinungsstarken Kurzstatements und pointierten Schlussbemerkungen. Die vorliegende Sonderausgabe der Zeitschrift „Theater der Zeit“ dokumentiert die vielseitigen Debattenbeiträge.

Darüber hinaus findet sich in dem Heft die Arbeit „No Future – A Masterplan“ des Künstlers J. Michael Birn, die anhand des Areals um den Rosa-Luxemburg-Platz „die Brüche bei der Suche nach umfassender gesellschaftlicher Erneuerung“ zeigt.

Unter dem Titel „Denkzeichen“, angelehnt an das Online-Medium der Volksbühne, das in den letzten Jahren Denkräume über das Theater hinaus geöffnet hat, sind in Fortführung und Erweiterung der Diskussionsveranstaltung die Stimmen verschiedener Generationen versammelt: Der Dramatiker Thomas Köck, der Kultursoziologe Wolfgang Engler, die Autorin Luise Meier, der Publizist Jakob Hayner, der Philosoph Guillaume Paoli, der Theaterwissenschaftler Joachim Fiebach, der Schriftsteller Friedrich Dieckmann und der Theaterkritiker Peter Laudenbach beziehen klare Position, was die Tradition und mögliche Zukunft des Schlachtschiffs Volksbühne anbelangt. Ein kurzer Abriss des Berliner Kulturkampfs soll helfen, den Überblick zu bewahren angesichts intransparenter und sich überstürzender Ereignisse. Das Heft schließt mit einem lautstarken Zwischenruf des Volksbühnen-Matadors Henry Hübchen.

Jeder Vorstoß in dieser Debatte – sei es, Castorf zurückzugewinnen, eine kollektive Intendanz einzuführen, oder, das Theater vorerst geschlossen zu lassen – muss nicht darauf geprüft werden, ob er nachvollziehbar oder gut gemeint, sondern ob er vernünftig ist, das heißt: umsetzbar und förderlich, um ein relevantes Theater auf der Berliner Bühne wieder stattfinden zu lassen. Ein solcher, wenngleich schwieriger, Vormarsch wäre lohnenswert.

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