Protagonisten
Drei Mal Tod
Žižeks „Die drei Leben der Antigone“ in der Regie von Felix Ensslin
von Sascha Westphal
Die Einstellung des Chorführers ist offensichtlich. Nicht ihre Haltungen, nicht ihre religiösen Überzeugungen verdammen Antigone. Selbst ihre Tat ließe sich noch tolerieren. Die letzte, entscheidende Grenze hat sie aber überschritten, als sie sich offen zu ihrem Handeln bekannte. Damit hat Ödipus’ Tochter König Kreon die Stirn geboten und die männliche Macht infrage gestellt. „Die Worte mögen weiblich klingen, die Tat jedoch war männlich.“ Der vernichtende Vorwurf ist noch nicht ganz ausgesprochen, schon beginnt Galia De Backer, eine der drei Antigone-Darstellerinnen dieser Inszenierung, Leonard Cohens „I’m Your Man“ zu singen. So macht sie sich auf ironische Weise die Anklage zu eigen und kehrt sie gegen ihre Ankläger. Der Mann in Cohens Love Song ist eben kein Vertreter sturer, selbstvergessener Macht. Er ist ein Liebender, der sich aufopfert und die Liebe über alles stellt. Er ist der Mann, dem Antigone auf Augenhöhe begegnen könnte.
Brechungen wie diese prägen Felix Ensslins Inszenierung von Slavoj Žižeks erstem Theaterstück „Die drei Leben der Antigone“ am Forum Freies Theater Düsseldorf. Ensslin und sein Ensemble vom belgischen Agora Theater erweitern das sperrige Drama, das Brechts Lehrstücken deutlich näher ist als Sophokles’ antiker Tragödie, durch Songs und eigene Texte. Die Labdakiden haben ihre Macht über Jahrtausende bewahrt. Als Ödipus Inc. ist die Familie ein wirtschaftlicher Faktor, auch wenn es ihr nicht gelingt, aus dem Kreislauf der Schuld zu entkommen. Alle hundert Jahre kommen sie einmal zusammen, um die tragischen Ereignisse von Neuem durchzuspielen. Wer stirbt, steht wieder auf, und alles geht weiter wie zuvor.