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Heft 03/2011
double 22
Der ständige Begleiter: Tod und Figurentheater
Rückstichheftung mit 40 Seiten, Format: 210 x 280 mm
Dieses Heft ist leider vergriffen und nur noch als PDF erhältlich.
»Eine Figur lebt in dem Moment, in dem der Zuschauer sie als lebendig akzeptiert, sie lebt im Zuschauer und nicht auf der Bühne. Sie stirbt nur, wenn der Zuschauer sie vergisst.« (Frank Soehnle).– Durch die Existenz des Todes ist der Sinn des Lebens noch nicht erklärt, wohl aber der Sinn des Begriffs »Leben«, und das ist doch schon einmal ein Anfang. Ist etwas belebt oder unbelebt? Eine Kernfrage der Puppenspielkunst, der Animation, und deshalb auch ein häufiges Thema in vielen Inszenierungen des zeitgenössischen Figurentheaters. Drei von acht Inszenierungen beim Berliner Uraufführungsfestival »Kreationen«, über das wir in diesem Heft berichten, beschäftigen sich explizit mit dem Tod. Zufall? Der Tod ist als »ständiger Begleiter« aus dem Puppen- und Figurentheater nicht wegzudenken: Er gehört zum archetypischen Figurenrepertoire der Theaterform und verkörpert zugleich ein dem Genre eingeschriebenes wirkungsästhetisches Prinzip. Der Moment der Animation, der »Beseelung« einer Figur, bedarf zwingend auch des Gegenteils: des zunächst als tot und dinghaft wahrgenommenen Objekts. Eine kurze Einführung in die Geschichte der engen Verbindung von Todesdarstellungen und Figurentheater bis ins 20. Jahrhundert gibt Mascha Erbelding.
Die höhere Lebenserwartung, der medizinische Fortschritt und eine häufig auf »Funktionalität« reduzierte Definition von sinnhaftem Leben, lassen uns das Altern und Sterben zunehmend als lästig und unerwünscht verdrängen. Crischa Ohler vom Theater mini-art, das die Themen Sterben und Tod seit Jahren auch in Kinderinszenierungen aufgreift, berichtet von ihren Erfahrungen auf diesem Gebiet. Rituale sind Bewältigungsstrategien der Menschen, und in traditionellen Gesellschaften waren sie über lange Zeiträume stabil und selbstverständlich, boten klar geregelte Umgangs- und Handlungsabläufe. Für den Verlust dieser Konventionen gibt es bislang keine einheitlichen Alternativen, eher eine diffuse Suche, die aktuell den Tod auch als Pop-Vision stilisiert – meint Jelena Susac. Im Spannungsfeld von erotischem Verlangen und Tod entstehen die Inszenierungen der französischen Puppenspielerin und Choreographin Gisèle Vienne, über deren Arbeit Chantal Hurault einen faszinierenden Artikel schrieb. Der »unmögliche Körper« der Puppe, der auf provozierende Weise Totes und Lebendiges in sich zu vereinigen vermag, steht dabei in Zentrum. Auch in llka Schönbeins Theater ist die Bedrohung durch den Tod stets präsent. Die Theaterpuppe ist für sie jedoch vor allem eine tröstende Instanz, entstanden aus dem in kultischen Ritualen verankerten Versuch, mit Hilfe einer Maske oder Puppe dem Tod noch einmal ein Stück Leben zu entreißen. Jenseitsvorstellungen und insbesondere Höllenvisionen sind in vielen Religionen überaus genüsslich ausgemalt. Robin Erik Ruizendaal gibt Einblick in ein höllisch farbenfrohes chinesisches Schattentheater. Vergnügliche Reise durch ein ernstes Thema wünscht die double-Redaktion!
Annette Dabs, Katja Spiess
Summary
Is something animated or is it lifeless? Animation is a core question in the art of puppetry. It is difficult to imagine puppet theatre without Death as a “constant companion”. It belongs to the repertoire of its archetypical characters. That said “death” also embodies an inherent principle in the genre which is aesthetic in its effect. In addition, the moment of animation, the “ensoulment“ of the puppet undeniably necessitates its opposite – the object which is initially perceived as dead material. Mascha Erbelding gives a brief introduction into the history of the close links between the presentation of death and puppet theatre to the 20th century, whilst Robin Erik Ruizendaal introduces readers to the Chinese tradition of the “Theatre of Hell”. The theatre maker Crischa Ohler is of the opinion that contemporary theatre should be about breaking the social taboos of death and dying and developing a new sense of responsibility, whereas the young puppeteer Jelena Susac regards death as already being on the way towards a new pop vision. The shows presented by the French puppeteer and choreographer Gisèle Vienne are caught between erotic desire and death, and Chantal Hurault has provided a fascinating article on the subject. The threat of death is also constantly present in llka Schönbein’s theatre. For her the puppet is primarily a consoling instance created from the cultic wish to create a “regent” for the dead.
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Editorial | Seite 3 |
Der ständige Begleitervon Katja Spiess und Annette Dabs | |
Thema | |
Tod und FigurentheaterEine Einführungvon Mascha Erbelding | Seite 4 |
Das Theater der HölleDarstellungen von Hölle und Wiedergeburt im chinesischen Puppentheatervon Robin Erik Ruizendaal | Seite 8 |
Erotik und TodessehnsuchtÜber die Arbeit der französischen Theatermacherin Gisèle Viennevon Chantal Hurault | Seite 11 |
Ein Stück WärmeAnnette Dabs im Gespräch mit Crischa Ohlervon Annette Dabs und Crischa Ohler | Seite 15 |
Am Anfang also stand der Trostvon Ilka Schönbein | Seite 18 |
Remind me of dyingEin Memento mori-Antragvon Jelena Sušac | Seite 19 |
Festival | |
Tut es!Eindrücke vom Berliner Festival »Kreationen 2010«von Katja Spiess, Mascha Erbelding, Christian Bollow, Loren Kahn und Isabelle Kessler | Seite 22 |
In forma veritasÜber das Figurentheaterfestival »Materia Prima« in Krakowvon Silke Haueiß | Seite 26 |
Sirup, Sand, Reis und ZeitZutaten und Momentaufnahmen vom 64. Festival d‘Avignonvon Julia Dina Heße | Seite 28 |
Zeitgeist | Seite 31 |
Schaumstoff-ShootingstarsDas Helmi auf Erfolgskursvon Tim Sandweg | |
Inszenierungen | |
Die Puppen spielen mit Burgess»A Clockwork Orange« am Theater Konstanzvon Christian Bollow | Seite 33 |
Weißclown und August»Les éléphants n’oublient jamais … / Elefanten vergessen nie …« von den Pyromantikern, Berlinvon Laurence Barbasetti | Seite 34 |
Nachruf | Seite 35 |
Ein großer VerlustZum Tod von João Paulo Seara Cardosovon Annette Dabs | |
Buchbesprechung | Seite 36 |
Thinking through puppetsÜber die Arbeit der Handspring Puppet Company. Jane Taylor (Hg.) Handspring Puppet Company, New York 2009, zahlreiche Farb- und s/w-Abbildungen, 279 Seitenvon Manfred Wegner | |
Notizen | Seite 37 |
Autoren | Seite 40 |
Impressum | Seite 40 |
Laurence Barbasetti
Christian Bollow
Annette Dabs
Mascha Erbelding
Silke Haueiß
Julia Dina Heße
Chantal Hurault
Loren Kahn
Isabelle Kessler
Crischa Ohler
Robin Erik Ruizendaal
Tim Sandweg
Ilka Schönbein
Katja Spiess
Jelena Sušac
Manfred Wegner
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