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Heft 04/2020
double 41
Puppe * Figurentheater und Geschlecht
Rückstichheftung mit 56 Seiten, Format: 210 x 280 mm
ISSN 0040-5418
„Ich wage deshalb die These, dass Männer die besseren Puppenspieler sind als Frauen.“ Jürgen Klünder begründet diese provokative Aussage, die 1989 in der Zeitschrift „Das Figurentheater“ erschien, aus dem Unvermögen der Männer, Kinder zu gebären. Deshalb seien sie in der künstlerischen Schöpfung kreativer. Prompt folgte eine Entgegnung der Künstlerin Renate Schweizer: „Dadurch, dass Frauen nun ins Figurentheater drängen, fordern sie von Männern nicht automatisch, sich in den Hintergrund zu begeben.“ Sie verlangte, die „einseitige Schwarz-Weiß-Sicht“ endlich aufzugeben und „die vielen Farben zwischen den Extremen wahrzunehmen“. Vor diesem Hintergrund sollte man die ungeheure Entwicklung schätzen, die das Figurentheater durchlaufen hatte, als Katja Spiess 2002 eine Ausgabe von „Das Andere Theater“ der Frage widmete, ob es eine besondere weibliche Ästhetik gebe. Schon damals verwiesen die befragten Frauen auf ihre künstlerische Autonomie, unabhängig von ihrem Geschlecht.
Und heute? In den Museen werden die lange unbeachteten Werke von Frauen* wiederentdeckt, das Theater hinterfragt Machtmissbrauch infolge von #MeToo. Seit 2018 wird in Deutschland offiziell ein drittes Geschlecht anerkannt und eine gerechtere Verteilung der Familien- und Hausarbeit in Partnerschaften scheint sich, trotz allen konservativen Gegenwinds, zu entwickeln. Viel ist erreicht, viel im Werden – aber ein weiter Weg liegt noch vor uns, wenn es um eine Welt frei von Geschlechter-Diskriminierung geht.
Grund genug für double, einmal bei Künstler*innen nachzufragen, wie sie in ihren Arbeiten mit dem Thema Geschlecht umgehen. Yoko Yamaguchi berichtet von japanischen Künstlerinnen, die bestehende Gender Gaps überwinden. Annette Scheibler und Sigrun Kilger preisen die subversive Kraft des Figurentheaters. Li Kemme und Britta Tränkler sehen das grundlegende Infragestellen ihrer Arbeit als Motor ihrer künstlerischen Schöpfungen. Auch zwei weitere Kollektive hinterfragen neben gängigen Kategorisierungen die eigenen Arbeitsstrukturen, ein weiteres arbeitet sich mit Barbies Hilfe an überkommenen Körpernormen ab. Laura Purcell-Gates und Ute Kahmann untersuchen vor ganz unterschiedlichen Hintergründen die Rezeption des Geschlechts bei Puppen und Meike Wagner kommentiert ein Panel zu „Politik, Identität, Feminismus“.
Im zweiten Teil des Heftes führt die Stippvisite nach Slowenien und in der Rubrik Nachwuchs blicken wir nach Braunschweig und Bochum, während Tagungen zu Identitätsentwürfen im Figurentheater und dem Puppentheatermuseum der Zukunft nach Bern und Dresden führen. Auch das Heftthema schlägt sich weiterhin nieder: in einer Münchner Ausstellung, Sööt/Zeyringers Performance „Angy hour“, der ASSITEJ-Werkstatt und der Publikation „Women and Puppetry“.
Figurentheater zeigt sich in diesem Heft also wieder in vielfältigsten Formen, deren Potenziale im Verhandeln binärer Kategorien und gesellschaftlicher Strukturen noch lange nicht erschöpfend erkundet sind.
„Yes, we Ken!“, finden deshalb auch
Mascha Erbelding und Christina Röfer
– und wünschen eine anregende Lektüre!
Puppet *
Puppet theatre and gender
Jürgen Klünder justified his provocative statement: "I therefore venture the thesis that men are better puppeteers than women", which appeared in the magazine "Das Figurentheater" in 1989, by the inability of men to bear children. That is why they are more creative in their artistic work. This was promptly followed by a response from the artist Renate Schweizer, who called for this "onesided black-and-white view" to be finally abandoned. When Katja Spiess dedicated an issue of "Das Andere Theater" in 2002 to the question of whether there was a particular female aesthetic, the women questioned were already referring to their artistic autonomy, regardless of their gender.
Much has been achieved, much is in the making – but there is still a long way to go when it comes to a world free of gender discrimination.
Reason enough for double to ask artists how they deal with the topic of gender in their work today. Japanese artists overcome gender gaps; collectives question bodily norms, social power structures and their own working methods; and the question of the reception of gender in puppets is examined.
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Thema | |
Puppe* – Figurentheater und Geschlechtvon Mascha Erbelding und Christina Röfer | Seite 5 |
Das „andere Geschlecht“ im „anderen Theater“Geschlecht und Figurentheater – Versuch einer Einführungvon Mascha Erbelding | Seite 6 |
Gender GapsEin Blick in Geschichte und Gegenwart des japanischen Puppentheatersvon Yoko Yamaguchi | Seite 9 |
In Frage gestelltEin zweistimmiges Selbstgesprächvon Li Kemme und Britta Tränkler | Seite 12 |
Die subversive Kraft des U-BootsDouble-Gespräch mit Annette Scheibler und Sigrun Kilger vom Ensemble Materialtheater über feministisches Theater und Geschlechterstereotypenvon Annette Scheibler und Sigrun Kilger | Seite 12 |
Barbie als genderkritisches MaterialEine Stellungnahmevon Iris Keller und Anna Renner | Seite 16 |
Kritisches PuppenspielÜber die Freiheit im Uneindeutigenvon manufaktor | Seite 17 |
Auf der Suche nach all den StimmenEin Gespräch über Stimme, Geschlecht und Figurentheater in der Ausbildung an der Berliner HfS Ernst Buschvon Christina Röfer, Ulrike Völger, Jemima MIlano und Frank Becker | Seite 18 |
Das Monster und die LeicheUnheimliche Geschlechterdarstellungen im Puppentheatervon Laura Purcell-Gates | Seite 20 |
Wer bist du?Spurensuche einer Tochter in „queer papa queer“von Ute Kahmann | Seite 24 |
Der männliche CodeFeministische Kritik an digitalen Repräsentationssystemenvon Meike Wagner | Seite 25 |
Ja, es war lange so. Nein, es muss nicht so bleibenDas Kollektiv von „Frauen in gehobenen Positionen“ spricht über seine Arbeivon Frauen in gehobenen Positionen | Seite 26 |
Zwischen androgynen Metamorphosen und Tier-WerdungDie Compagnie La Mu/ette spielt mit Geschlechtsidentitätenvon Carole Guidicelli | Seite 27 |
Stippvisite | |
Showdown beim Showcase10. Biennale des slowenischen Puppentheatersvon Anke Meyer | Seite 28 |
Unvollständigkeit zulassenPotenziale moderner Technologien am Beispiel der Inszenierung „Somewhere Else“von Tin Grabnar | Seite 30 |
Nachwuchs | Seite 32 |
Mitgenommen werden in eine andere ZeitStaffelübergabe in Braunschweigvon René Reith | |
Ausstellung | Seite 38 |
Was Ken kannEine Ausstellung in der Pasinger Fabrik in München dekonstruiert die Ikonevon Thomas Betz | |
Symposium | |
Immersion außerhalb der VitrineEin Kolloquium in Dresden denkt nach über ein Puppentheatermuseum der Zukunftvon Norbert Seidel | Seite 40 |
At Odds = Uneins = DésuniDifferenz als Chance und Impuls – Tagungseindrücke aus Bernvon André Studt | Seite 42 |
Neue Bilder im geschützten RaumDie ASSITEJ-Werkstatt „Kindheit, Familie und Gender“ auf dem Panoptikum-Festival in Nürnbergvon Thomas Stumpp | Seite 44 |
Inszenierung | Seite 45 |
„Anger“ heißt Zorn. Wut heißt „fury“ oder „rage“„Angry Hour“ von Sööt/Zeyringer im Rahmen des Festivals „The Future Is F*e*m*a*l*e*“von Almut Wedekind | |
Rezension | |
Kritisch, international, persönlichWomen and Puppetry. Critical and Historical Investigationsvon Christina Röfer | Seite 46 |
Breiter Überblick mit komplexen EinblickenHandbuch zum Künstlerischen Puppenspiel 1900–1945von Gerd Taube | Seite 47 |
Eine ungewöhnliche BegegnungDer Briefwechsel von Franz Fühmann mit Joachim Dammvon Silvia Brendenal | Seite 48 |
Nachruf | Seite 49 |
Ein Streiter für das PuppentheaterZum Tod von Dr. Olaf Bernstengel (1952–2020)von Lars Rebehn | |
English Summaries | Seite 49 |
Notizen / Festivalkalender | Seite 52 |
Impressum | Seite 56 |
Frank Becker
Thomas Betz
Silvia Brendenal
Mascha Erbelding
Frauen in gehobenen Positionen
Tin Grabnar
Carole Guidicelli
Ute Kahmann
Iris Keller
Li Kemme
Sigrun Kilger
manufaktor
Anke Meyer
Jemima MIlano
Laura Purcell-Gates
Lars Rebehn
René Reith
Anna Renner
Christina Röfer
Annette Scheibler
Norbert Seidel
André Studt
Thomas Stumpp
Gerd Taube
Britta Tränkler
Ulrike Völger
Meike Wagner
Almut Wedekind
Yoko Yamaguchi
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