Heft 03/2002
Die Endzeit-Achse
Volker Brauns "Limes. Mark Aurel"
Broschur mit 80 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Solidarität mit Zürich: Die neue Jury hat ihre Nominierungen für das diesjährige Theatertreffen bekannt gegeben, Joachim Sartorius muss sie als Leiter der Berliner Festspiele noch bestätigen. Bemerkenswert ist an der Auswahl vor allem eines: Mit drei Inszenierungen ist das Schauspielhaus Zürich dabei, dem dieser Zuspruch momentan wohl mehr als nur eine tolle Anerkennung seiner Leistungen bedeuten dürfte. Christoph Marthalers "Die schöne Müllerin", Meg Stuarts "Alibi" (TdZ 1/02) und Stefan Puchers Tschechow-Inszenierung "Drei Schwestern" (TdZ 2/02), diese so sehr verschiedenen Arbeiten stehen für den auch von uns immer wieder behandelten Theaterumbruch in der Schweiz (zuletzt TdZ 2/02). Die kulturpolitische Krise des Zürcher Schauspielhauses wird durch diese Nobilitierung sicher nicht vom Tisch sein, aber sie hat nun noch einmal ein anderes Gegengewicht erhalten im Abwägen von Theaterkunst mit Geld, Publikum und Politik.
Wie immer, wenn sich solche Auswahlgremien auf ein Theater fokussieren , wird die kritische (De-)Konstruktion der "eigentlichen" Hintergründe nicht ausbleiben. Im letzten Jahr war das Wiener Burgtheater die gleich vierfach geladene Wunschbühne, noch unter der alten Jury. Deren Sprecher Peter Iden meldete sich auf den im Januar-Heft abgedruckten Artikel von Cornelia Niedermeier, die den oftmals langweiligen und niveaulosen Alltag hinter dem vermeintlichen Wiener Theaterwunder beschrieb. Iden wollte die Gelegenheit für eine Entgegnung nutzen und den eigentlichen Theaterbegriffin der damals gerade mit der Formel Alt gegen Jung aufgeheizten Feuilleton-Debatte noch einmal klarstellen. Aber die Begründungsverve scheint ihn verlassen zu haben - während diesmal beim Theatertreffen statt "Drei Mal Leben" drei Mal Pollesch dabei ist.
In Polleschs Prater-Trilogie ("Stadt als Beute", "Insourcing des Zuhause" und "Sex") sind Sätze zu hören, die in den Gesichtern der ohnehin nicht gerade sorgenfreien Neuberliner Regierungsbeamten schwere Bedenkenfalten aufwerfen dürften. Nicht nur ist kein Geld mehr da, jetzt werden auch noch die verschleppten Defizite in der Sozialpolitik der großen Republik-Modernisierer offenbar - und über ihren letzten Anerkennungsbonus, die Außen- und Bündnispolitik, wirft sich ein Schatten aus Washington. Kein anderer Regisseur hat seine Arbeiten immer wieder so direkt und geradezu respektlos auch als Kommentar auf die Entwicklungen nach dem 11. September bezogen wie Pollesch mit seinen Inszenierungen über die so genannte "new economy", den letzten Schrei der Ausbeutung und die darin gefangene Sexualität. Dass man es freilich auch ganz anders machen kann, zeigt die auf S. 4 vorgestellte Produktion "Speeches". Auf jeden Fall wird der jetzt zu erwartende mächtige Bombenschlag gegen die "Achse des Bösen" die europäischen Diskussionen über die uneingeschränkte oder kritische Solidarität mit den USA auch die Theater nicht kalt lassen. In diesem Heft gehen die Beiträge von Anja Dürrschmidt (S . 14), Frank M. Raddatz (S. 54) und das Gespräch mit Volker Braun (S. 56) bereits darauf ein. Selbst diejenigen, die eben noch das heftige Stichwort des Anti-Amerikanismus im Streit gegeneinander führten, finden sich plötzlich vor dem heraufziehenden hegemonialen Ordnungskrieg in einem ganz anderen Licht wieder zusammen. Dabei, man erinnere sich, quetschten Bush senior und sein Verteidigungsminister Dick Cheney (dieser jetzt Vize des Junior) vor reichlich zehn Jahren immer wieder eine Lieblingsformel in die Mikrofone: "the new world order". Diese könnte nun schnell zur "New World border" werden.
Die Redaktion
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Editorial | Seite 1 |
Solidarität mit Zürich | |
Aktuelle Inszenierung | |
Reden als Festung der GegenwartMit "Speeches. Reden nach dem 11. September" gelingt eine neuer Form des Dokumentartheatersvon Thomas Irmer | Seite 4 |
Bunte Welt - einsamer MacbethChristina Paulhofers erste Berliner Inszenierung an der Schaubühnevon Anja Dürrschmidt | Seite 7 |
Sommer-Theater ohne Alb-TraumLeander Haußmann illustriert Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" am Berliner Ensemblevon Martin Linzer | Seite 10 |
Zwei Paare, vier EinsameAm Deutschen Theater tönt Valdemar Holms "Was ihr wollt" in satter Melancholievon Thomas Irmer | Seite 12 |
Essay | Seite 14 |
Schlag nach bei Schröder und Co.Was sich außerdem mit Shakespeare zeigen ließevon Anja Dürrschmidt | |
Rollenbild | Seite 16 |
Den Fortschritt aus dem Hut zaubernTom Quaas spielt in Dresden Dorsts "Merlin"von Nikolaus Merck | |
Bühnenbild | Seite 18 |
"Es ist, was es ist, die Bühne"Katrin Brack im Gespräch mit Petra Rathmannervon Petra Rathmanner und Katrin Brack | |
Eine Woche in... | Seite 24 |
Wort-Spiele und andere LeidenschaftenEine Woche in Parisvon Barbara Engelhardt | |
Dramatiker wiedergelesen | Seite 30 |
Wo werden die Toten lebendig?Eine Suche in den Stücken von Nelly Sachsvon Lothar Trolle | |
Theaterporträts | |
MetamorphosenPositive "Provinz"-Dramatik von Jewgeni Grischkowez und anderen am Theaterhaus Jenavon Michael Helbing | Seite 32 |
Erfolgsrezepte aus der LückeDie Hamburger Kammerspiele unter Ulrich Waller und Ulrich Tukurvon Stefan Grund | Seite 34 |
Theater in der Provinz | |
Erst einmal genau hinschauenDas Oldenburgische Staatstheatervon Morten Kansteiner | Seite 36 |
"Wir brauchen Sie - Sie brauchen uns."Das Theater Nordhausenvon Michael Helbing | Seite 38 |
Auftritt | |
Christoph Heins "Zur Geschichte des menschlichen Herzens..." uraufgeführtBernvon Dagmar Walser | Seite 41 |
Uraufführung "Trutz" vom Katharina SchlenderKrefeld/Mönchengladbachvon Rolf C. Hemke | Seite 42 |
"Kiss me" von Ch. Chibnall, F. Zellers "Vom Heinrich Hödel und seiner nassen Hand"Essenvon Christian Peiseler | Seite 43 |
Uraufführung "Auf Schädelhöhen" von Andreas LaudertPotsdamvon Martin Linzer | Seite 44 |
Theresia Walsers "So wild ist es in unseren Wäldern..."Konstanzvon Otto Paul Burkhardt | Seite 45 |
Thomas Bischoff inszeniert Marlowes "Der Jude von Malta"Düsseldorfvon Christian Peiseler | Seite 46 |
Kammerspiele - Thomas Ostermeiers Version von Fleißers "Der starke Stamm"Münchenvon Katja Werner | Seite 47 |
TAT - T. Kühnel inszeniert "Die heilige Johanna der Schlachthöfe"Frankfurt/M.von Nikolaus Müller-Schöll | Seite 48 |
Hauptmanns "Vor Sonnenuntergang" in der Regie von Christoph SchrothCottbusvon Martin Linzer | Seite 49 |
in-kunst e.V. - "Haltestelle. Geister." von Helmut KrausserMünchenvon Katja Werner | Seite 50 |
Staatsoper - Martin Kušej inszeniert "Die Gezeichneten" von Franz SchrekerStuttgartvon Jens Knorr | Seite 51 |
1. Festival "Theater im Klassenzimmer" in KoproduktionenDresdenvon Caren Fischer | Seite 52 |
Stück | |
Athen, Rom, Washington D.C.Über die erneute Popularität des Tragischen der Antikevon Frank M. Raddatz | Seite 54 |
Eine Endzeit grüßt die andereVolker Braun im Gespräch mit Thomas Irmervon Thomas Irmer und Volker Braun | Seite 56 |
Limes. Mark Aurelvon Volker Braun | Seite 58 |
Magazin | |
Brecht-Tage 2002von Christian Hippe | Seite 71 |
"Kann man Opernregie lernen?"von Gudrun Rohmann | Seite 71 |
Die Energie der ErneuerungBeim 7. Musiktheater-Workshopin München stellte das ITTI elf neue Werke vorvon Roland Dippel | Seite 72 |
BücherAlfred Kerr: Werke in Einzelbänden (Bd. VII.1), hg. v. Günther Rühle. Frankfurt/M., S. Fischer 1998.von Nina Peters | Seite 73 |
BücherAlfred Kerr: Werke in Einzelbänden (Bd. VII.2), hg. v. Günther Rühle. Frankfurt/M., S. Fischer 2001.von Nina Peters | Seite 73 |
BücherTheater über Tage. Jahrbuch für das Theater im Ruhrgebiet 2001, hg. von Jürgen Grimm, Ulrike Haß, Guido Hiß. Münster agenda Verlag 2001, 256 S.von Christina Schmidt | Seite 74 |
Meldungen | Seite 74 |
Premierenkalender | Seite 76 |
Autoren | Seite 80 |
Impressum | Seite 80 |
Katrin Brack
Volker Braun
Otto Paul Burkhardt
Roland Dippel
Anja Dürrschmidt
Barbara Engelhardt
Caren Fischer
Stefan Grund
Michael Helbing
Rolf C. Hemke
Christian Hippe
Thomas Irmer
Morten Kansteiner
Jens Knorr
Martin Linzer
Nikolaus Merck
Nikolaus Müller-Schöll
Christian Peiseler
Nina Peters
Frank M. Raddatz
Petra Rathmanner
Gudrun Rohmann
Christina Schmidt
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