Konsequenzen in der Vielfalt

von

Ich glaube an die Unsterblichkeit des Theaters. Es ist der seligste Schlupfwinkel für diejenigen, die ihre Kindheit heimlich in die Tasche gesteckt und sich damit auf und davon gemacht haben, um bis an ihr Lebensende weiter zu spielen.
Max Reinhardt, Columbia University New York, 1928 (zitiert nach Die Zeit, 16.7.1953)

Martin Rupprecht ist ein glücklicher Mensch.

Martin Rupprecht ist Kostüm- und Bühnenbildner, freier Künstler, Hochschulprofessor – die Reihenfolge ist nicht gewollt, denn sonst müsste sie lauten: Martin Rupprecht ist freier Maler, Hochschulprofessor, Kostüm- und Bühnenbildner. Er ist Experimentator und Liebender. Martin Rupprecht ist Künstler.

Inferno und Paradies. Ein Wannsee-Spektakel, Regie: Winfried Bauernfeind, Ausstattung: Martin Rupprecht, Berlin 1988
Inferno und Paradies. Ein Wannsee-Spektakel, Regie: Winfried Bauernfeind, Ausstattung: Martin Rupprecht, Berlin 1988

Martin Rupprecht hat sechzig Jahre lang für das Theater gearbeitet, über sechzig Jahre lang gemalt und fünfunddreißig Jahre lang unterrichtet. Er hat sich in all den Jahren seine Neugier und seinen Enthusiasmus bewahrt. Er hat sich seine Kinderseele bewahren können. Zwei Fragen beschäftigen ihn: Wie hat sich seine Kunst, wie haben sich seine Bühnenbilder in diesen Jahren entwickelt und wie verhält sich seine freie Kunst zu seinem Theaterschaffen? Es ist hier nicht der Platz oder Gelegenheit, das bildkünstlerische oder theatrale Lebenswerk Martin Rupprechts zu analysieren, und man kann hier auch keine kunsthistorische Analyse seiner freien Kunst erwarten. Einige Fragmente sollen aber neugierig machen auf diesen Künstler und sein Werk und auf die Relevanz hinweisen, die der Entstehungsprozess eines Bühnenbildes, eines Kostüms für die Beschäftigung mit Theater hat. Ausgangs punkt ist ein mehrstündiges Gespräch mit Martin Rupprecht, in dem dieser seine künstlerische Laufbahn, seine Kunstauffassung und nicht zuletzt auch sein pädagogisches Anliegen reflektierte.

Biographisches

Martin Rupprecht erzählt von seinem kindlichen Berufswunsch, derjenige zu werden, „der im Theater die Bilder macht“. Ganz früh war der Wunsch da, Bühnenbildner zu werden. Für einen protestantischen Pfarrerssohn nicht selbstverständlich. Und auch der Berufsweg zum erfolgreichen, international tätigen Bühnenbildner scheint nicht ganz geradlinig verlaufen zu sein: Rupprecht berichtet von einem Besuch in der Westberliner Galerie Springer, deren Inhaber Rudolf Springer er seine frühe Malerei zeigte. Dieser sagte dem jungen Mann, zu seiner Kunst werde er nichts sagen, aber er möge sich entscheiden, ob er freier Künstler werden oder lieber zum Theater gehen wolle. Rupprecht entschied sich für das Theater und „schmiss sich auf die Dramaturgie“. Eine ähnliche Geschichte beschreibt, Jahre später, die Begegnung mit dem berühmten Regisseur Ludwig Berger, dem Rupprecht assistieren durfte. Auch dieser fragte den jungen, ehrgeizigen Mann schließlich, was er machen wolle: Regie oder Bühnenbild – und wieder entschied sich Rupprecht, nicht unbedingt selbstverständlich, für das Bühnenbild, woraufhin ihn Berger an die damals maßgebliche Bühnenbildnerin Ita Maximowna empfahl. Diese Begegnungen waren insofern Glücksmomente, weil die Lebenserfahrung großer Persönlichkeiten auf eine offene Haltung stieß und Martin Rupprecht in der Lage war, in sich die für ihn richtigen Antworten zu finden. Die Voraussetzung für den engagierten Hochschullehrer Rupprecht war der neugierige, wissensdurstige und offene Schüler Martin. Diese Erzählungen weisen aber auch darauf hin, dass der Weg Martin Rupprechts immer wieder Zäsuren erfuhr und er selbst imstande war, harte Entscheidungen zu treffen und diesen dann konsequent zu folgen. Er selbst spricht von glücklichen und beglückenden Begegnungen, die sein Leben prägten: mit seinen Lehrern Herbert Ortel, Marianne Herting, Werner Kleinschmidt, Ludwig Berger und schließlich prägend mit Ita Maximowna; mit dem Kollegen Achim Freyer, der die Bühnenbildklasse in der Zeit betreute, als Rupprecht die Kostümklasse hatte, und der methodisch so ganz anders vorging. Freyers Frau Ilona soll es gewesen sein, die den beiden Künstlern riet, beruflich getrennte Wege zu gehen und ihre je eigene Methode zu entwickeln.

Rupprecht drückt das so aus: „Das Gute ist: Man erkennt sich selber, indem man das andere im anderen sieht. Man sieht den anderen und erkennt: Ah ja, der ist so und ich bin so.“ Was beide aber nicht davon abhielt, sich gegenseitig Studierende zu vermitteln, die bei dem Kollegen vielleicht ‚richtiger‘ waren und bei ihm das lernen konnten, was sie selber gerade nicht vermitteln konnten oder wollten. Die ‚Familie‘ aber, der engere berufliche Kontext, bildeten die Regisseure, mit denen Rupprecht das Glück hatte zusammenzuarbeiten: Gideon Y. Schein, Mauricio Kagel, Winfried Bauernfeind, Michael Hampe und Steffen Piontek. Man trifft als Bühnenbildner, wenn man Glück hat, in seinem Berufsleben auf fünf oder sechs Regisseure, behauptet Rupprecht.

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