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Heft 09/1985
1. Werkstatt Junger Theaterschaffender der DDR
Broschur mit 80 Seiten, Format: 200 x 290 mm
ISSN 0040-5418
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Das positive und das kritische Potential - Der Verband vor seinem V. Kongreß: Der Verband der Theaterschaffenden der DDR legt gegenwärtig Rechenschaft über seine Arbeit ab. Die Wahlversammlungen in Theatern und Einrichtungen, die Delegiertenkonferenzen in den Bezirken bilanzierten bereits das, was getan wurde und auch das, was zu tun bleibt. Auf dem V. Kongreß und seinem unmittelbaren Vorfeld wird darüber zu befinden sein, weIchen Anteil der Verband an der Entwicklung eines Theaters hat, das dem Volke verpflichtet ist und sich als schöpferisches, einflußreiches und unverzichtbares Instrument zur Stärkung der sozialistischen Gesellschaft begreift. Unsere Chance ist der Dialog mit der Öffentlichkeit.
Daß wir unser Licht nicht untern Scheffel zu stellen brauchen, haben die Delegiertenkonferenzen der letzten Monate erwiesen. Eine Aufzählung der vielen anderen Aktivitäten, die durch unsere Mitglieder, durch Leitungen oder einzelne Kollegen initiiert wurden, will ich unterlassen. Allein das Programm dieses Jahres, ablesbar am monatlichen Veranstaltungsplan, der in jedem Theater, das etwas auf sich hält, an sichtbarer Stelle aufgehängt ist und deutlich macht, was wann wo an Verbandsarbeit stattfindet, läßt das Maß an Angeboten für unsere Mitglieder und zugleich das Maß an Initiative, das unserer Organisation innewohnt, erkennen. Davon hier also nichts. Nichts auch von den Inhalten der Delegiertenkonferenzen, der Akzente und Gewichte ihrer Problemstellungen und Vorschläge.
Auf unserer 12. Vorstandstagung in Dresden Ende Juni wurden dazu ausführliche Einschätzungen gegeben, die eines bestätigten: Auf dem Wege vom IV. zum V. Kongreß haben sich der Verband und seine Leitungen als politisch gefestigtes Arbeitsorgan erwiesen, das ein verläßlicher Mitstreiter der Partei bei der Durchsetzung sozialistischer Kulturpolitik ist und sich erneut als fähig erwiesen hat, einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Theaterkunst der Deutschen Demokratischen Republik zu leisten. So unterschiedlich, auch widerspruchsreich, sich das im einzelnen darstellte; so kompliziert sich auch die Problemlage des Theaters in verschiedenen Bezirken oder Bereichen objektiv entwickelt hat - hier, in den Konferenzen, dokumentierte sich ein großes Potential an Leistungswillen, an demokratischer Mitverantwortung und an Engagiertheit zur Stärkung des Sozialismus und zur Verteidigung des Friedens.
Dieses Potential ist uns nicht immer bewußt, seine kritische Äußerungsform mitunter unbequem, seine positive Kraft zu selbstverständlich und beides vielfach zu wenig genutzt. Wie erklärt sich sonst die immer wiederkehrende Frage, in vielen Wahlversammlungen der Theater gestellt, nach der Funktion des Verbandes, nach dem »Was soll der Verband?«? Hier wurde Verbandsarbeit durchaus begriffen als Verantwortung für die weltanschaulich-politische und künstlerische Weiterbildung der Kollegen, als Verpflichtung zur kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen und fremden Arbeit, zur Meinungsbildung zu Kriterien sozialistisch-realistischer Theaterkunst. Aber die Frage suchte nach mehr. Sie besaß weniger kontemplative Distanz als in vergangenen Jahren, sie forschte nach stärkerem Wirksamwerden, forderte den »Gebrauch«, die »Nutzung« des im Verband versammelten Potentials kompetenter Leute - ob in den Repertoire-Beratungen der Theaterleitungen, im Vorfeld staatlicher Entscheidungen über neue Stücke, Theaterprofile usw. Hier ist im vergangenen Berichtszeitraum ein Prozeß des Bewußtwerdens höherer Verantwortung für das Ganze bei vielen Mitgliedern unserer Organisation in Gang gekommen, der einen Satz des Parteiprogramms der SED mit Leben zu erfüllen beginnt: »Die Hauptrichtung, in der sich die sozialistischeStaatsmacht entwickelt, ist die weitere Entfaltung und Vervollkommnung der sozialistischen Demokratie.« Ich erachte das als eine bedeutende Qualität, selbst wenn dieses oder jenes staatliche Organ noch nicht auf der Höhe dieser Anforderung ist oder die konstruktive Qualität von Mitverantwortung einzelner Theaterleute zu schnell erschöpft ist, um es mal so zu sagen.
Dennoch: Die Fähigkeiten dazu insgesamt sind gewachsen. Ob in den Jurys des Leistungsvergleichs der Theater, in den Beratergremien der Werkstatt-Tage, in örtlichen oder zentralen Leitungen des Verbandes: Hier wirken erfahrene, bewährte Künstler und Wissenschaftler mit Sachverstand und Verantwortung. Und es gibt gute Beispiele für das Wirksamwerden ihrer Vorschläge, Meinungen bei unseren Partnern im Ministerium für Kultur, der Gewerkschaft Kunst, im Jugendverband usw. Ich denke, daß dieser Prozeß immer neu die Partnerschaft braucht und künftig auch immer wieder vor schwierigen Bewährungsproben steht.
Aber auch in zahlreichen Verbandsgruppen der Theater ist ein deutlicher Zuwachs an Verantwortung und Aktivität spürbar. Es gibt gewachsene praktische Identifikation mit den Zielen unserer Organisation, besonders durch den hohen Zustrom von jungen
Leuten zum Verband. Es gibt größere Selbständigkeit und das Suchen nach dem ganz eigenen Feld von Mitverantwortung im Theater. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Sie hat wichtige, anregende Initiativen geschaffen, sie hat den Kaderstamm gesellschaftlich aktiver Verbandsmitglieder verjüngt und vergrößert. Und sie wirft Fragen auf, etwa nach der Funktion des Verbandes im Theater. Das ist ein altes Problem, das bisher verbindlich nie geklärt werden konnte, jetzt aber - bei dem Maß an höherem Verantwortungsbewußtsein unserer Verbandsgruppen - neu behandelt werden muß. Hier steht eine Grundsatzverständigung zu Erfahrungen und Methoden der »Basisarbeit« des Verbandes noch vor dem Kongreß an. Auch wird sich die konkrete, schöpferische Anleitung durch die zentralen und bezirklichen Verbandsleitungen verbessern müssen.
Dabei ist jetzt schon eines sicher: Die Frage nach der Funktion des Verbandes wird sich im eng pragmatischen Sinne, etwa als unmittelbarer Nutzen für den einzelnen, nie befriedigend beantworten lassen. Da gibt es auch falsche Erwartungen, etwa auf einen »Feriendienst« des VT, ein »Reisebüro für Bildungsfahrten« u. a. Sehr viele von uns haben den Verband immer begriffen als ein forum der geistigen Auseinandersetzung, des Austauschs der Meinungen und der Erfahrungen, als Seismograph gesellschaftlicher Prozesse und ihrer Wirkungen auf das Theater. Und umgekehrt. Beispielsweise haben wir seit Beginn der 70er Jahre immer wieder den Darsteller, seine Verantwortung, seine Leistung, sein Können und Talent in die öffentliche Debatte gebracht und kulturpolitischer Verengung - etwa auf eine einseitige Bewertung von Literatur im Urteilen über Theater - entgegengewirkt, bis heute.
Oder: Mitte der 70er Jahre haben wir uns gegen fehlerhafte, opportunistische Auslegungen der Theaterpolitik unseres Staates durch Kollegen oder Behörden gestellt, die da verkürzt hieß: Das nationale Profil des DDR-Theaters ist sein Internationalismus - was seinerzeit im unvertretbaren Maße verzicht auf den Beitrag von DDR-Autoren, -Komponisten und -Choreographen im Repertoire, der Theater hieß. Wir setzten uns offensiv für neue, jüngere Autoren ein und auch für die noch ungespielten Werke der älteren. Werkstatt-Tage aller Genres, der Kinder- und Jugendtheater, der Theaterjugend gehören heute in den normalen Arbeitsalltag des Theaters unserer Republik, damals waren sie umkämpft und erkämpft. Und sie sind es heute immer wieder.
Oder: Seit der Wende zu den 80er Jahren griffen wir Erfahrungen vieler unserer Mitglieder auf, die sich im Fachorgan, im Erich-Engel-Seminar und vielen anderen Verbandsveranstaltungen artikulierten: Es ging um die neuen oder anderen Zuschaueransprüche, um die sich erheblich differenzierenden Bedürfnisse des Publikums und das sich daraus ableitende veränderte Funktionsverständnis von Autoren, Komponisten und Theaterleuten. Wir haben die Diskussion, die es überall gab, aufgegriffen und versucht, die vereinzelte Erfahrung dem gesellschaftlichen Gesamtprozeß zuzuordnen und die künstlerische Erfahrung als kulturpolitisch relevant in den Leitungsprozeß unserer Gesellschaft zu heben.
Vor etwa zwei, drei Jahren stellten sich dazu neue Fragen. Sie gingen aus von der
Strategie der SED zur Stärkung des Sozialismus und zur Sicherung des Friedens. Sie lauteten: Wie effektiv ist das große hoch subventionierte Theaterwesen der DDR? Wie ist mit dem vorhandenen Potential seine gesellschaftliche Wirksamkeit zu steigern? Wo liegen noch ungenutzte subjektive Reserven, wo sind objektiv Grenzen gesetzt (durch die Kadersituation, durch die Profil- und Netzentwicklung usw.), wo müssen sie durchstoßen werden? Braucht unser Theaterwesen nicht weitere Versuche, um stärker in die neuen Wohn gebiete, in die Betriebe, auf die Jugend und für den großen Kreis der in der Landwirtschaft Tätigen wirken zu können?
Ich stelle diese Fragen nicht, um sie hier zu beantworten, sondern um die Frage nach der Funktion unseres Verbandes in den gesellschaftlichen Gesamtprozeß einzuordnen
Und Größenordnungen von strategischer Bedeutung ins Blickfeld unserer Mitverantwortung zu rücken. Es ist richtig: der einzelne Kollege, das Arbeitskollektiv muß den Verband und seinen »Nutzen« spüren. Das ist nur möglich durch persönliches, durch kollektives Engagement, denn keiner tut's, wenn's nicht durch ihn getan wird. Hier haben sich beachtliche ethische Qualitäten ausgebildet, die uns teuer sind.
Verbandsarbeit schlägt sich aber - das ist eine unserer Erfahrungen, unsere Chance und unser »Schicksal«! - nicht kurzfristig von einem Tag auf den anderen um. Sie bedeutet, um wirksam zu sein, oft langdauernde kritische Einflußnahme auf geistige und ästhetische Prozesse, auf Bildung, auf Haltungen, auf Können - und auf Leitungsprozesse. Hier ist das bedeutende Potential der Theaterschaffenden, die im Verband organisiert sind, gefragt und gefordert, weil es sich als konstruktives Element unseres gesellschaftlichen Fortschritts begreift und wirksam geworden ist. Deshalb sehen wir die Vorbereitung und Durchführung unseres V. Kongresses als Bestandteil der Volksaussprache und der Initiativen der Werktätigen zum XI. Parteitag der SED, als erneute Möglichkeit, die Wirkungskraft des Theaters und seines Verbandes für die Öffentlichkeit deutlich erkennbar zu machen.
Klaus Pfützner, 1. Sekretär des Verbandes der Theaterschaffenden der DDR
Hartwig Albiro
Georg Antosch
Günther Bellmann
Genia Bleier
Ulf Brandstädter
Silvia Brendenal
Volkmar Draeger
Frank Erdmann
Dietmar Fritzsche
Achim Gebauer
Jochen Gleiß
Peter Gogler
Werner Gommlich
Marion Grabert
Fred Grasnick
Irene Gysi
Rolf Harder
Rainer Jahnke
Hans-Rainer John
Bernd Keßler
Klaus Klingbeil
Géza Körtvélyes
Dieter Krebs
Sewan Latchinian
Jörg Liljeberg
Martin Linzer
Miriam Margraf
Martin Meyer
Manfred Möckel
Peter Moltzen
Martin Morgner
Klaus Pfützner
Ingeborg Pietzsch
André Plath
Aune Renk
Fritz Rödel
Ute Schellenberg
Hans-Jürgen Schneider
Heinz Schröder
Christoph Schroth
Annette Siegmund-Schultze
Thomas Stecher
Erika Stephan
Konstantin Stscherbakow
Klaus Thiel
Peter Ullrich
Jiri Vitual
Manfred Weiß
Alexander Wikarski
Manfred Zelt
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