Heft 02/2008
Hau 1, 2, 3
Spielstätten sozialer Plastik - Matthias Lilienthal im Gespräch
Broschur mit 128 Seiten, Format: 215 x 280 mm
ISSN 0040-5418
Während im Februar den Rhein entlang zwischen Basel und Düsseldorf die Narren das Zepter in die Hand nehmen und die Karnevalisten rund um die Schenken dionysische Zonen einrichten, nüchtert Berlin noch aus - am 29. Januar wurde das Hebbeltheater 100 Jahre alt. Gewidmet ist diese Ausgabe von Theater der Zeit dem Gedenken des unbekannten Rauchers. Mit dem allgemeinen Rauchverbot in Kneipen, den Zügen der Deutschen Bahn und den Räumen, die unter der Kuratel der öffentlichen Hand stehen, dürfte auch Brechts schöner Traum von einem rauchenden politischen Theater erledigt sein. Über jeden kräftigen Zug aus der Wasserpfeife dürfte sich daher der epische Wassermann, dessen Geburtstag sich in diesem Monat zum 110. Mal jährt, besonders freuen. Ob Gordana Vnuk damit ihr Kraftwerk der Erinnerungen betreibt, wissen wir nicht, doch gilt ihr der Zündstoff des Multikulturellen als ein entscheidendes Kennzeichen des Politischen in unserer Zeit. Umso größer ihr Bedauern, dass ausgerechnet das Berliner Ensemble nicht nur nichts von Brechts Theaterästhetik wissen will und das experimentierunlustigste Bollwerk des Verkörperungstheaters in Berlin darstellt, sondern dem Haus die Sicht auf einen internationalen Brecht völlig aus dem Blick geraten ist.
Da müssen wohl noch einige Geburtstage ins Land gehen, bis Berlin entdeckt, dass man mit Bertolt Brecht einen Global Player an der Hand hat, mit dem sich bei fachgerechter Handhabung im großen Stil punkten lässt. Wer sich in diesen Tagen von den farbenfrohen Rauchzeichen eines politischen Theaters leiten lassen will, sollte ins HAU gehen. Zwar spricht der tatkräftige Matthias Lilienthal lieber von sozialer Plastik oder vom sozialen Anspruch des Theaters, doch wirkt der König der freien Szene wegweisend darin, wie er Themen setzt und unter den zeitgenössischen Bedingungen der Globalisierung entwickelt, von denen die öffentlichrechtlichen Moderatoren des medialen Raums noch nie gehört haben. Während der Zheaterwissenschaftler Benjamin Wihstutz Geschichte und Physiognomie des HAU aus den Schwaden des Theaterhimmels formt, sinniert Jürgen Schitthelm nicht über das Ende des Politischen, sondern über die Zukunft und Vergangenheit der Schaubühne, des einstigen Aushängeschilds westdeutscher Bühnenkunst. Ansonsten schlagen unsere Rauch- und Bewegungsmelder noch in Santiago de Chile an, wo sich die durch und durch unsubventionierte Theaterwelt anfängt neu zu sortieren, und/oder in Athen. Hier inszeniert Welttheatermann Theodoros Terzopoulos den in Deutschland weithin unbekannten italienischen Kultautor Carlo Michelstaedter und folgt mit seinem Theater dem Weg der Asche - Katabasis in der Sprache der Tragisten genannt. Auch in Österreichs Donaumetropole geht man den Weg abwärts und tut sich dabei allerdings schwer, hauptstädtische Strukturen für die freie Szene zu legen. In den Berliner Sophiensælen schwingen sich dagegen die kühnen Theaterentwürfe Laurent Chétouanes leichtherzig über die Niederungen des gängigen Repräsentationstheaters, seine Bildungskasernen und Pappnasen hinweg. Womit wir wieder beim Thema wären. Wenn erst die ersten Narrenkappen eingemottet sind und die Volkskultur sich wieder nüchtern zeigt, wird die Kunst erneut landauf, landab ihr Schellenspiel erklingen lassen und, zwischen Magdeburg und Moers, die Trommel rühren.
Die Redaktion
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Porträt | Seite 8 |
Im Spielraum der ImaginationDas „Freyer-Theater“ als Buchmonumentvon Friedrich Dieckmann | |
Freie Szene | |
Storyline eines TheatersternsSeit viereinhalb Jahren präsentiert das Berliner Hebbel am Ufer unter Matthias Lilienthal die Theateravantgardevon Benjamin Wihstutz | Seite 12 |
Hau 1, 2, 3 – Spielstätten sozialer PlastikMatthias Lilienthal im Gesprächvon Frank M. Raddatz | Seite 16 |
Ein anderer Brecht ist möglichDie Leiterin des Eurokaz-Festivals Gordana Vnuk im Gesprächvon Frank M. Raddatz | Seite 21 |
Die Wüste lebtWie die Wiener Off-Szene endlich zu Kräften kommtvon Margarete Affenzeller | Seite 24 |
Die Rangelei mit dem NichtsAndreas Beck knipst im Wiener Schauspielhaus das Licht anvon Lena Schneider | Seite 27 |
Gespräch | Seite 30 |
Veränderte Direktion ab 2012Der Chef der Berliner Schaubühne Jürgen Schitthelm im Gesprächvon Rudolf Mast | |
Ausland | |
La MissionDie chilenische Kulturministerin Paulina Urrutia im Gesprächvon Ute Müller-Tischler und Harald Müller | Seite 35 |
Moderne Tragödien zwischen Gedächtnis und KommerzTheater in Santiago de Chilevon M. Soledad Lagos Rivera | Seite 38 |
Tanz | Seite 41 |
Schweben am Rand der UnsichtbarkeitDie Choreografin Eszter Salamonvon Constanze Klementz | |
Auftritt | |
DüsseldorfOliver Reese inszeniert am Schauspielhaus „Warum tanzt ihr nicht?“ nach Erzählungen von Raymond Carver und Lars-Ole Walburg lässt „Die Orestie“ von Aischylos auferstehenvon Vasco Boenisch | Seite 47 |
Mülheim an der RuhrIm Theater an der Ruhr bringt Roberto Ciulli „Die Kunst der Komödie“, „Diese Gespenster“ und „Verrückt“ von seinem Landsmann Eduardo de Filippo auf die Bühnevon Vasco Boenisch | Seite 48 |
BerlinIn den Sophiensælen gelangt Laurent Chétouane mit seinem „Tanzstück #2: Antonin Artaud liest den 2. Akt von Goethes Faust 2 und“ jenseits der Bildervon Sebastian Kirsch | Seite 49 |
BerlinDie Oper Dynamo West zeigt unter der Regie von Johannes Müller Gerard Damianos Filmadaption „Der Teufel in Frau Jones“von Anna Opel | Seite 50 |
GöttingenAm Deutschen Theater bearbeitet Regisseur Thomas Bischoff Goethes „Faust“von Tina Fibiger | Seite 51 |
ParisDas „Festival d’Automne à Paris“ zieht seine Kreisevon Johannes Wetzel | Seite 52 |
DresdenIm Festspielhaus Hellerau zeigen Derevo ihre „Dia gnose“ abseits des Literaturtheatersvon Torben Ibs | Seite 54 |
AthenTheodoros Terzopoulos inszeniert „Wüste“ nach Carlo Michelstaedtervon Dimitris Tsatsoulis | Seite 55 |
Kolumne | Seite 56 |
Für den Vorratsdatenspeichervon Josef Bierbichler | |
Insert | Seite 57 |
Autorenspektakel Bern_2008 | |
Magazin | |
BücherFlorian Havemann: "Havemann"von Wolfgang Behrens | Seite 58 |
BücherNic Leonhardt: Piktoral-Dramaturgie. Visuelle Kultur und Theater im 19. Jhd. (1869-1899)von Nicole Gronemeyer | Seite 60 |
aufgelesenvon Sebastian Kirsch | Seite 60 |
BücherGrimm & Grips 21. Jahrbuch für Kinder- und Jugendtheater 2007/2008von Tristan Berger | Seite 61 |
Beweglicher ZugangDie mediale Aufbereitung der Bewegungskünstevon Franz Anton Cramer und Barbara Büscher | Seite 62 |
Betrifft: Engagement gesuchtMit dem theaterlabor hat sich in Bremen ein Theater für arbeitslose Künstler etabliertvon Alexander Schnackenburg | Seite 64 |
etc.von Sebastian Kirsch | Seite 65 |
Linzers Eck | Seite 67 |
Fahr mal wieder U-Bahn oder GRIPS bleibt mobilvon Martin Linzer | |
Meldungen | Seite 68 |
Premierenkalender | Seite 69 |
Februar 2008 | |
Impressum | Seite 71 |
Vorschau | Seite 72 |
März 2008 |
Margarete Affenzeller
Wolfgang Behrens
Tristan Berger
Josef Bierbichler
Vasco Boenisch
Barbara Büscher
Franz Anton Cramer
Friedrich Dieckmann
Tina Fibiger
Nicole Gronemeyer
Torben Ibs
Sebastian Kirsch
Constanze Klementz
M. Soledad Lagos Rivera
Martin Linzer
Rudolf Mast
Harald Müller
Ute Müller-Tischler
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Frank M. Raddatz
Alexander Schnackenburg
Lena Schneider
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