Heft 03/2006
Östlich von Moskau
Theater in Magnitogorsk, Nowosibirsk und Omsk
Broschur mit 79 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Kleine Welt, große Welt Faust: „Wohin soll es nun gehn?" Mephistopheles: „Wohin es dir gefällt. Wir sehn die kleine, dann die große Welt." Der „Cursus", den Mephisto mit Faust „durchzuschmarutzen" gedenkt, ist klar festgelegt: Zunächst mischen sich beide in den bürgerlichen Alltag, besichtigen die überschaubare kleine Welt. Danach erst erklimmen sie die Ebene der Haupt- und Staatsaktionen, begeben sich an Kaiserhöfe und auf antike Schlachtfelder, erkunden die große Welt. Beide Welten sind streng getrennt, die Wechselwirkungen zwischen ihnen sind äußerst beschränkt. Groß und klein sind scharf umrissen.
Mittlerweile hat uns die Chaostheorie gelehrt, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Wirbelsturm in Florida mit auszulösen vermag. Netze ersetzen Hierarchien. Moderne Medien wie Fernsehen und Internet scheinen kleine und große Welt zu einem „globalen Dorf" wachsen bzw. schrumpfen zu lassen, Kategorien wie klein/groß, nah/fern, vertraut/fremd sind offenbar längst nivelliert. Insofern dürfte es nicht verwundern, dass ein paar Karikaturen in Dänemark - ein denkbar kleiner Anlass - eine (für einige lebensbedrohliche) Krise von weltumspannendem Ausmaß hervorrufen können. Doch schreckhaft wird man sich angesichts solcher Ereignisse bewusst, dass die mediale Nähe, die eine durch und durch fassbare, verständliche Welt suggeriert, nichts von der elementaren Fremdheit nimmt, mit der sich Menschen unterschiedlicher Kulturräume oft genug begegnen. Botho Strauß (dessen jüngstes Stück „Schändung" in seiner Berliner und Pariser Inszenierung in diesem Heft besprochen wird) weist in seinem Mitte Februar im Magazin Spiegel erschienenen Text „Der Konflikt" darauf hin, dass etwa der Antagonismus sakral/säkular unüberwindlich, eben nicht nivellierbar sei - so sehr „westliche Einfühlung" diesen Gegensatz auch abzuschleifen suche. Solche Unvereinbarkeiten gilt es auszuhalten und zu respektieren, auflösen kann man sie nicht, auch nicht im Informationsfluss der www-Suchmaschinen. Ihre mediale Verfügbarkeit hat uns die große Welt nicht unbedingt verständlicher gemacht, nur gefährlicher. Es bleibt die Schwierigkeit, mit der virtuellen Nähe und der faktischen Fremdheit zu anderen Kulturen gleichzeitig umzugehen. Es bleibt aber auch die Überzeugung, dass es falsch ist, Spott und Menschenleben gegeneinander aufzuwiegen, was Biljana Srbljanovic´in ihrer TdZ-Kolumne unmissverständlich dartut.
Wie die kleine Welt der Anderen, der Fremden tatsächlich aussieht, wissen wir in den wenigsten Fällen. Wenn wir an Russland denken, fallen uns zumeist Moskau und St. Petersburg ein, obwohl doch östlich davon erst die unermessliche Weite beginnt. Gibt es in Sibirien auch Theater? Beispielsweise in Omsk? Oder in Nowosibirsk und Magnitogorsk? Doch, ja, gibt es, und TdZ rückt in diesem Heft die russische „Provinz" (in Wirklichkeit sind diese Städte Metropolen) in den Mittelpunkt. Gespräche mit Theatermachern aus Omsk, Berichte über das Theaterleben in Nowosibirsk und Magnitogorsk sowie ein Essay über den Wertewandel in Russland zeigen eine Welt, die uns fern ist und in der uns doch vieles bekannt vorkommt.
Kleine Welten, die zu Entdeckungsreisen nach verstreuten Fundstücken einladen, erschafft der Schweizer Bühnenbildner Duri Bischoff, den der Regisseur Michel Schröder für TdZ interviewt hat. Nicht auf die kleinen, sondern auf die großen subjektgeschichtlichen Zusammenhänge zielt das Gespräch, das der Philosoph Christoph Menke und der Theaterwissenschaftler Hans-Thies Lehmann über die Tragödie geführt haben. TdZ knüpft hiermit noch einmal an den Tragödien-Schwerpunkt vom Oktober des vergangenen Jahres an.
Die Redaktion
P.S.: Vom 16. bis zum 19. März präsentiert sich der Verlag Theater der Zeit auf der Leipziger
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