Unser Eröffnungsfestival endete schließlich am 7. Oktober 2016 mit der Uraufführung von Ralf Rossas neuem Ballett Groovin’ Bodies zu neu komponierter Livemusik der beiden Schlagzeuger Ivo Nitschke und Ralf Schneider. Diese Produktion und die ihr zugrunde liegende Musik finden ebenso eine nähere Untersuchung in dem Artikel von Kornelius Paede wie die verschiedenen Liederabende, die Poetry Slams und die Uraufführung von Leyan Zhangs und Hans Rotmans Kammeroper Spiel im Sand, die im Laufe der folgenden Raumbühnenblöcke in HETEROTOPIA realisiert wurden.
Sowohl die sieben Neuproduktionen, welche die Spielzeit 2016/17 im Rahmen dieses zweiwöchigen Festivals eröffneten, als auch die drei weiteren Projekte, die in HETEROTOPIA im Laufe der nächsten zwölf Monate folgten, bespielten und belebten die Raumbühne aus so unterschiedlichen Richtungen und auf so vielfältige Weisen, dass sich nicht nur immer neue Perspektiven auf das altehrwürdige große Haus der Oper Halle ergaben, sondern vor allem auch auf die Musik und das Theater selbst. Durch das breite Spektrum an Genres und Gattungen sollte ein neuer Dialog der Sparten und Kunstformen erwachsen, den es in dieser formalen Dichte und Vielfalt bis dahin weder an der Oper Halle noch an einer anderen Kulturinstitution der Region zu sehen gab.
Dabei wurden die verschiedenen Premieren in HETEROTOPIA maßgeblich durch den inhaltlichen Drang nach einer kritischen Bestandsaufnahme unserer Zeit und einer theatralischen Hinterfragung der bestehenden Verhältnisse geeint. Das Unbehagen an den politischen und sozialen Selbstverständlichkeiten unseres Alltags und die Suche nach einem neuen Musiktheater der gesellschaftlichen Relevanz fanden ihren Ausdruck darüber hinaus im zentralen Thema der Imagekampagne, mit der wir den Neustart der Oper Halle über den gesamten Sommer 2016 in der Stadt flankierten. Der Slogan „Alles brennt“ wurde für mehrere Wochen zum allgegenwärtigen Stadtgespräch, denn er schien paradigmatisch das Lebensgefühl vieler Menschen in dieser Zeit zu spiegeln: Die Welt ist aus den Fugen geraten, die Gesellschaft steht in Flammen und im ideologischen Durcheinander des öffentlichen und medialen Diskurses „brennt alles“.
Parallel zu diesem überbordenden Premierenreigen im großen Haus lief im neugestalteten Operncafé der Oper Halle die Inszenierungsreihe Das Kunstwerk der Zukunft an. Für diese einzigartige Folge von sieben verschiedenen Musiktheaterabenden, Performances und Happenings, die ab Anfang Oktober 2016 monatlich von sieben unterschiedlichen Regieteams herausgebracht wurden, erfuhr auch unsere kleine Spielstätte eine szenografische Metamorphose zum komplexen Raumbühnenlabyrinth. Verwandelte sich jedoch bei HETEROTOPIA die große Opernbühne vom geschlossenen Theatertanker zum öffentlichen Raum einer fiktiven MusikTheaterStadt, so beschritt Das Kunstwerk der Zukunft den entgegengesetzten Weg: Bühnenbildner Christoph Ernst entwarf hierfür einen Kunstraum, der eine Ästhetik des Privaten, des Hinterzimmers, Hobbykellers und Separees zitierte.