Heft 10/1983
Erbe und Moderne
Erfahrungen und Probleme bei der Ballettausbildung
Broschur mit 80 Seiten, Format: 200 x 290 mm
ISSN 0040-5418
Dieses Heft ist leider vergriffen und nur noch als PDF erhältlich.
An der Staatlichen Ballettschule Berlin gehen wir in der Ballettausbildung von der Einheit der zu formenden Persönlichkeiten aus. Das heißt: alle geistigen und körperlichen Faktoren, alle weltanschaulichen, künstlerischen und charakterlichen Komponenten bedürfen einer gleichmäßigen und ausgewogenen Entwicklung. Das bedeutet jedoch nicht, daß alle diese Komponenten ihre Entwicklung gleichmäßig auf den gesamten Ausbildungs- und Erziehungsprozeß verteilt erfahren. Eher ist das Gegenteil der Fall. Besonders bei der Entwicklung der spezifischen geistigen, charakterlichen und körperlichen Fähigkeiten zeichnet sich der Ausbildungsplan durch das beständige Setzen von Schwerpunkten aus, die in ihrer dialektischen Einheit alle Widersprüche, Höhen und Tiefen, Stagnationen und Entwicklungssprünge der sich formenden jungen Persönlichkeit zum Ausdruck bringen.
Es gibt kaum einen zweiten Beruf, der eine solche komplexe und optimale Ausprägung aller geistigen und körperlichen Potenzen erfordert, der so tief in der Tradition verwurzelt ist und ebenso ungestüm und fordernd auf die Selbstverwirklichung des jungen Menschen als Zeitgenosse drängt. Im Folgenden will ich versuchen, möglichst kurz und prägnant den Prozeß zu umreißen, in dem diese Erziehungsaufgabe, der sich eine Ballettschule heute stellen muß, verwirklicht wird oder verwirklicht werden sollte.
Wir wissen alle, wie sehr die Forderungen zeitgenössischer Choreographien oder des zeitgenössischen Ballett-Theaters an die Ballettinterpreten gewachsen sind. Es wird eine solche künstlerische Vielseitigkeit, eine solche stilistische und gestalterische
Disponibilität verlangt, wie sie sich - noch vor 30 oder 40 Jahren unvorstellbar gewesen - bereits zu Anfang unseres Jahrhunderts durch das choreographische Schaffen Michail Fokins ersten und unübersehbaren Ausdruck verschaffte. Ein sehr gut ausgebildeter Bühnentänzer muß heute imstande sein, Werke mit sich scheinbar völlig widersprechender stilistischer Prägung zu interpretieren. So wird z. B. der Bühnentänzer heute kaum noch in sogenannte Fächer klassifiziert. Der Stil der Romantik muß ihm ebenso gegenwärtig sein wie das Jazzballett oder eine auf völlig freien Gestaltungsprinzipien aufgebaute moderne Choreographie. Es wäre falsch zu glauben, das würde nur durch körperliche Fähigkeiten umgesetzt werden. Die geistigen Anforderungen sind ebenso stürmisch gewachsen, denn jede interpretatorische Aufgabe verlangt höchste Sensibilität in der Gestaltung und Kreativität bei der Erarbeitung einer tänzerischen Aufgabe. Der Tänzer wird als Partner des Choreographen gefordert.
Daraus erwächst ein für Ballettschulen scheinbar kaum zu bewältigendes Problem: So hoch der Anteil der geistigen Fähigkeiten auch sein mag, all diese Forderungen werden letztendlich und ausschließlich durch körperliche Fähigkeiten und Fertigkeit umgesetzt. Jede Theorie, jeder Gedanke, jede Emotion, die der Tänzer nicht in »Muskelarbeit« übersetzen kann, ist auf eine andere Weise nicht zu artikulieren. Daraus ist zu schlußfolgern, daß der Schulung des Körpers bei aller anerkannten Komplexität der Anforderungen die alles entscheidende Bedeutung zukommt. Michail Fokin erkannte bereits dieses Problem für die Ausbildung und versuchte, in seiner pädagogischen Tätigkeit darauf eine Antwort zu finden. Er löste in seiner Klasse das Fach Klassischer Tanz durch ein anderes freieres, künstlerisches Fach der Körperschulung ab. Sehr schnell erkannte er aber die Nutzlosigkeit und Gefährlichkeit dieses Unterfangens und kehrte zur traditionellen Ausbildungsform zurück.
Ich glaube, daß dieses Problem nach wie vor noch keine Ballettschule zufriedensteIlend gelöst hat. Die Ursachen scheinen in einer immer noch nicht überwundenen alternativen Fragestellung zu liegen. Es geht zu oft noch um das »Entweder - Oder« bzw. »Mehr oder Weniger« im Verhältnis von Klassik und Moderne. Die inneren Wechselbeziehungen zwischen Erbe und Zeitgenössischem in der Ausbildung des Tänzers sind zu wenig erforscht und theoretisch erarbeitet - und damit praktisch in nur ungenügender Weise umsetzbar. Neben diesen Problemstellungen gibt es eine weitere Entwicklungstendenz, die höchste Aufmerksamkeit und Anerkennung verlangt. Trotz des ungeheuren Anwachsens der Anforderungen an die gestalterische Vielseitigkeit des Tänzers gewinnt die Schule des klassischen Tanzes immer mehr an Bedeutung. Diese Tendenz zeigt sich in der ganzen Welt. Die Erkenntnis gewinnt immer mehr an Gewicht, daß ein klassisch schlecht ausgebildeter Tänzer niemals ein guter zeitgenössischer Bühnentänzer sein kann. Woraus erwächst diese Bedeutung der Schule des Klassischen Tanzes für die moderne Ballettausbildung? [...].
Aus Martin Puttke: Erbe und Moderne. Erfahrungen und Probleme bei der Ballettausbildung, S. 39-40.
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DDR-Dramatik | Seite 1 |
Ist es zu früh, ist es zu spät?Einige Werke der DDR-Dramatik im Licht der Sickingen-Debatte zwischen Marx, Engels und Lassallevon Mischka Dammaschke | |
Kolumne | Seite 2 |
Ressourcenvon Wolfgang Lange | |
Theaterkritik | |
Theaterkritiker zur Saison 1982/83 (II)von Martin Linzer, Erika Stephan, Silvia Brendenal, Klaus Walther, Dieter Kranz, Manfred Zelt, Dietmar Fritzsche, Ernst Schumacher, Dieter Zumpe, Friedbert Streller, Wolfgang Lange, Roland Dreßler, Klaus Klingbeil, Eckart Schwinger, Horst Philipp, Dieter Krebs, Elisabeth Peuker, Robert Schuppert, Helmut Ullrich, Günther Bellmann, Michael Berg, Martin G. Butter, Hans-Werner Meyer, Herrmann Berger und Karsten Bartels | Seite 4 |
Anmerkungen zu unserer Umfragevon Hans-Rainer John | Seite 11 |
Inszenierungen | Seite 14 |
Sommertheater mit Fo-Einaktern»Der Nackte und der Mann im Frack« / »Der Dieb, der nicht zu Schaden kam« an der Volksbühne Berlin und an der Theaterhochschule Leipzigvon Volker Trauth | |
Erstaufführungen | Seite 16 |
Entzaubertes Traumland?»Ritter Scheusal« von Ljubisa Djokić und »Frau Holle« von Rainer Kirsch als DDR-Erstaufführungen in Berlin und Dresdenvon Ulf Brandstädter | |
Garderobengespräch | Seite 18 |
Lilo MIllis im Gespräch mit Albert Hetterlevon Albert Hetterle und Lilo Millis | |
Theaterfeste | Seite 22 |
Theaterfest?2. Theaterfest Antike, Stendal 1983von Martin Schmahl | |
Erstaufführung | Seite 24 |
Geartet wie ein Kraftgenie ...»Rübezahls Geschenke« von Karel Svoboda auf der Waldbühne Jonsdorf erstaufgeführtvon Octavia Winkler | |
Umfrage | |
Vergessene Werke - verlorene Werte?Umfrage unter Regisseuren und Dirigenten (5. und letzte Folge)von Manfred Straube, Carl Riha, Harry Kupfer, Erika Solbrig, Gert Bahner, Frank Morgenstern, Klaus-Dieter Demmler, Erhard Fischer und Detlef Rogge | Seite 25 |
In der Umfrage genannten Werke und Autoren | Seite 28 |
Oper | Seite 29 |
Unterwegs zu OpernhitsAltenburg: »Der Freischütz« (K. Thiel); Cottbus: »Fidelio« (R. Schuppert); Dessau: »Der PostilIon von Lonjumeau« (U. Burkhardt); Bautzen: »Cavalleria rusticana«, »Pagliacci« (W. Lange)von Wolfgang Lange, Ulrich Burkhardt, Klaus Thiel und Robert Schuppert | |
Porträt | |
Schuhmacher und Poet dazuDer Sänger Konrad Rupfvon Matthias Frede | Seite 32 |
Regisseur Günter Lohse über Konrad Rupfvon Günter Lohse | Seite 34 |
Ballett-Wettbewerb | Seite 36 |
Kampf um die SpitzeVom XI. Internationalen Ballettwettbewerb, Warna 1983von Hermann Rudolph | |
Ballett | Seite 39 |
Erbe und ModerneErfahrungen und Probleme bei der Ballettausbildungvon Martin Puttke | |
Syrien | Seite 41 |
Zwischen Damaskus und PalmyraStreiflichter vom syrischen Theatervon Peter Ullrich | |
Moskau | Seite 44 |
In Moskau, Ende MaiNeue Inszenierungen auf »kleinen« Moskauer Bühnenvon Jochen Gleiß | |
ČSSR | Seite 47 |
BestandsaufnahmeDiskussionsbeitrag von der V. Prager Quadriennalevon Jochen Finke | |
Autorengespräch | Seite 54 |
»Ansonsten würde man ja aufhören zu schreiben ...«Mit Christoph Hein sprach Gregor Edelmannvon Christoph Hein und Gregor Edelmann | |
Stückabdruck | Seite 57 |
Die wahre Geschichte des Ah QNach Lu Xunvon Christoph Hein | |
TdZ-Informativ | Seite 65 |
Eine Seite für den Frieden | |
WeltfriedenstagErklärung der künstlerischen und technischen Mitarbeiter des Landestheaters Eisenach | |
Inland | Seite 66 |
Fundus zur Theatergeschichte | |
Personelles | Seite 67 |
Inland | |
Landestheater Altenburg als Nachwuchsbühne | Seite 67 |
Aus Schülern werden Meistervon Nachrichtenagentur der DDR ADN | Seite 67 |
Tanz - Pantomime - Kammermusikvon Clement de Wroblewsky | Seite 68 |
Ausland | Seite 68 |
Moskauer Gäste inszeniertenvon G. H. | |
Unterwegs | Seite 68 |
Berichtigung | Seite 68 |
Unterwegs | Seite 68 |
Ausland | |
Puppe und Theatervon Runka Žaludová und Petr Parlovský | Seite 69 |
Festival der jungen Pantomimevon Runka Žaludová | Seite 69 |
Soziale Sicherheit genießen nur wenige | Seite 70 |
Ausschnitte | Seite 71 |
Finnisches Sommertheater(In »Neue Zeit«)von H. Schn. | |
Ausland | Seite 71 |
Erstes Ballettensemblevon Helmut Kapfenberger | |
Bücher | Seite 72 |
Wolfgang Marggraf: Giuseppe Verdi VERDIVEB Deutscher Verlag für Musik Leipzig 1982. 424 S., DDR 15,- Mvon Wolfgang Lange | |
Bertolt Brecht: Briefe 1913-1956Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1983, 2 Bd., 775 u. 353 S., DDR 20,- Mvon Hans-Rainer John | |
Rainer Kerndl: StückeHenschelverlag Berlin 1983, dialog-Reihe, 248 S., 6,- Mvon Hans-Rainer John | |
Spielpläne | Seite 73 |
Vom 16. Oktober bis 15. November 1983 | |
Besetzungen | Seite 74 |
Ur- und Erstaufführungen / Schauspiel / Musiktheater / Tanz | |
Premierenkalender | Seite 75 |
Vom 16. Oktober bis 15. November 1983 | |
Autoren | Seite 77 |
Impressum | Seite 77 |
Inhalt | Seite 80 |
Gert Bahner
Karsten Bartels
Günther Bellmann
Michael Berg
Herrmann Berger
Ulf Brandstädter
Silvia Brendenal
Ulrich Burkhardt
Martin G. Butter
Mischka Dammaschke
Clement de Wroblewsky
Klaus-Dieter Demmler
Roland Dreßler
Gregor Edelmann
Jochen Finke
Erhard Fischer
Matthias Frede
Dietmar Fritzsche
Jochen Gleiß
G. H.
Christoph Hein
Albert Hetterle
Hans-Rainer John
Helmut Kapfenberger
Klaus Klingbeil
Dieter Kranz
Dieter Krebs
Harry Kupfer
Wolfgang Lange
Martin Linzer
Günter Lohse
Hans-Werner Meyer
Lilo Millis
Frank Morgenstern
Nachrichtenagentur der DDR ADN
Petr Parlovský
Elisabeth Peuker
Horst Philipp
Martin Puttke
Carl Riha
Detlef Rogge
Hermann Rudolph
Martin Schmahl
H. Schn.
Ernst Schumacher
Robert Schuppert
Eckart Schwinger
Erika Solbrig
Erika Stephan
Manfred Straube
Friedbert Streller
Klaus Thiel
Volker Trauth
Helmut Ullrich
Peter Ullrich
Klaus Walther
Octavia Winkler
Runka Žaludová
Manfred Zelt
Dieter Zumpe
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