Heft 07/1997
Theater in Thüringen
Broschur mit 104 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
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Theater muß sein !?! Die Potsdamer Werkstatt-Tage und die brandenburgische Haushaltskrise: Keinen Steinwurfvom Theaterzelt entfernt, das als Kommunikationszentrum wie als Verpflegungsstützpunkt für die Werkstatt-Tage diente, hatte das Kleist-Theater Frankfurr/Oder eine Mahnwache errichtet. Hier der fröhliche Diskurs um "Volkstheater" - und "Theater fürs Volk?", dort der Hungerstreik der Kollegen gegen die drohende, wohl nicht mehr abwendbare Schließung ihres Musiktheaters. Die nun schon II. Werkstatt-Tage des Hans-Otto-Theaters, in demonstrativer Fortsetzung der in den 70er Jahren begründeten Tradition produktiver Auseinandersetzung mit dem Drama und Theater der Gegenwart, waren in diesem Jahr überschattet durch die auch emotional geführte Polemik um die Sparpläne des Potsdamer Kabinetts, für die Minister Steffen Reiche den Prügelknaben abgeben mußte. Zur Hauptveranstaltung der Werkstatt-Tage geriet deshalb unfreiwillig ein Podiumsgespräch mit vier Intendanten (Schroth/Cottbus, Weber/Frankfurt, Arnold/Brandenburg, Krolkiewicz/Potsdam) und Minister Reiche, mit deeskalierendem Geschick moderiert von Bühnenvereinspräsident August Everding.
Erwiesen scheint, daß die Landesregierung kein klares Konzept für den Erhalt ihrer Theaterlandschaft besitzt; sie versteckt sich einerseits hinter der kommunalen Kompetenz (außer im Fall des "Staatstheaters" Cottbus), zwingt durch stetiges Anziehen der Sparschraube aber die Kommunen, den Druck an die Theater weiterzureichen. Erwiesen scheint auch, daß die brandenburger Theater endgültig vor dem Aus stehen, wenn der Innenminister mit dem Plan durchkommt (gegen seinen Parteifreund Reiche), die zweckgebundene Theaterpauschale über das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG), die ein Drittel der Theater- und Orchesterfinanzierung sichert, zu kippen. Sollten als Folge derart rabiater Eingriffe nicht nur einzelne Sparten, sondern ganze Theater schließen müssen, warnt Everding vor einem kulturellen "Flächenbrand" in ganz Deutschland, das dann nicht mehr "Kulturstaat" genannt werden dürfe. Damit hat sich die permanente Finanzkrise des Landes nicht nur verschärft, damit ist eine neue Lage eingetreten. Die Brandenburger Intendanten haben das offenbar begriffen, sie wollen sich nicht länger gegeneinander ausspielen lassen, sondern gemeinsam handeln. Ein "Offener Brief', den Everding solidarisch mit unterschrieb, beschwöre Gemeinsamkeit des HandeIns, zeigt Kompromißbereitschaft bei der Erschließung tatsächlicher Sparpotentiale, kündigt Bemühungen um regionale Kooperation an, besteht aber auf der Sicherung der Theaterpauschale.
Natürlich kann der Bestand regionaler Theaterkultur im Land Brandenburg nicht "erhungert" werden, er muß erstritten werden und zwar durch die Solidarität der Theaterleute untereinander und durch die Solidarität zwischen Theater und
Publikum. Mit ihrem Motto "Volkstheater - Theater fürs Volk" wollten die Werkstatt-Tage natürlich keine kostenträchtige Alibi-Veranstaltung sein, die von der öffentlichen Haushaltskrise ablenken sollte. Über den öffentlichen Diskurs sollten durchaus die Bande zwischen Theater und Volk/Publikum enger geknüpft werden. Die diesjährigen Werkstatt-Tage verzeichneten einen Zuschauerrekord, und die einstimmige und vom Publikum gefeierte Preisvergabe an das Theaterhaus Jena ("Überall wird nur mit Wasser gekocht") mag als ein Signal dafür gelten, daß "Volkstheater" einhellig nicht als billige Volks-Belustigung verstanden werden wollte. Es war der altersweise Benno Besson, der im "Familienduell" mit Ursula Karusseit und Katharina Thalbach darauf bestand, daß Volkstheater "Gemeinplätze" besetzen, die Gefühle vieler Menschen widerspiegeln und bewegen müsse.
Ob Theater wirklich sein muß, werden in letzter Instanz die Zuschauer entscheiden, wenn es dem Theater gelingt, ihr Vertrauen zu erhalten oder zu gewinnen. Der Politik jedoch sind nicht nur Absichtserklärungen, sondern Garantien abzufordern.
Martin Linzer
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Editorial | Seite 2 |
Theater muß sein !?!Die Potsdamer Werkstatt-Tage und die brandenburgische Haushaltkrisevon Martin Linzer | |
Gespräch | Seite 4 |
Pfadfinder im WeltgetriebeUlrich Khuon, Intendant des Staatsschauspiels in Hannover, im Gespräch mit Michael Quasthoffvon Ulrich Khuon und Michael Quasthoff | |
Thüringenreport | |
Förderschwerpunkte statt Fusion für Erfurt und Weimarvon Frank Quilitzsch | Seite 8 |
Die Kulturstadt-Blamage noch abwendenFrank Quilitzsch spricht mit dem Generalintendanten Günther Beelitzvon Günther Beelitz und Frank Quilitzsch | Seite 10 |
Die Kunst, in der Fremde zu lebenTheaterhaus Jena im Sommer 1997von Ulrike Haß | Seite 11 |
Schillerlocken und Narrennächte in Nordhausenvon Frank Quilitzsch | Seite 16 |
"Wir sind der erste Nachtclub vor Ort"Das Südthüringische Staatstheater Meiningenvon Barbara Engelhardt | Seite 18 |
Wächst zusammen, was zusammen gehört?Altenburg / Gera Theater GmbHvon Martin Linzer | Seite 22 |
Wider thüringische KleingliedrigkeitLandestheater Rudolstadt - Eisenach - Saalfeldvon Matthias Biskupek | Seite 25 |
Theaterreport | |
Theaterhauptstadt WienEin kurzer Streifzug durch das "Erste Haus deutscher Zunge" und eine Exkursion ins Volkstheatervon Stefan Grund | Seite 28 |
Statt Jugend siegt die MafiaSchuberts Oper "Alfonso und Estrella" bei den Wiener Festwochenvon Friedrich Dieckmann | Seite 32 |
Ausland | |
Theatertreffen im TiefschneeSvenska Teaterbiennalen 1997von Barbara Engelhardt | Seite 36 |
Die Erben von KaposvárFestival ungarischer Gegenwartsdramatik in Budapestvon Martin Linzer | Seite 40 |
Ausflug in die ungarische "Provinz"von Michael Mans | Seite 44 |
Essay | Seite 46 |
101 Dalmatiner - diesmal sind die Hunde echtvon Michael Wildenhain | |
Theater und Marketing | |
Klinken putzen, Image polierenEin Besuch im Düsseldorfer Theater-Marketingvon Ulrich Deuter | Seite 50 |
Anderes Theater?10. Internationales Figurentheaterfestivalvon Silvia Brendenal | Seite 53 |
Kindertheater | Seite 58 |
Theater im FeuerwehrturmDas Mannheimer Kinder- und Jugendtheater "Schnawwl"von Ingeborg Pietzsch | |
Freies Theater | Seite 62 |
VitalisierungsversucheDas Theater Mahagoni in Hildesheimvon Mario Stumpfe | |
Auftritt | |
Basler QuerelenBaselvon Reinhardt Stumm | Seite 66 |
"Heimatbuch"Bonnvon Heinz Kluncker | Seite 67 |
"Winterkrieg" / Maienschlager"Heilbronn / Heidelbergvon Tilmann Seidel | Seite 69 |
"Woyzeck"Berlinvon Kirsten Longin | Seite 70 |
"Salomé"Düsseldorfvon Ulrich Deuter | Seite 71 |
"Alles wird gut"Bremenvon Stefan Grund | Seite 72 |
"Deutschland den Doofen"Neustrelitzvon Axel Schalk | Seite 72 |
"Warten auf Godot" / "Kein Bahnhof für zwei"Cottbusvon Martin Linzer | Seite 73 |
"Der Mann der Menge"Cottbusvon Volkmar Draeger | Seite 74 |
"Der fliegende Holländer"Berlin / Cottbusvon Nora Eckert | Seite 75 |
"Verkommenes Ufer Medeamaterial Medeaspiel"Dessauvon Stefan Amzoll | Seite 76 |
"André Chénier"Dessauvon Nora Eckert | Seite 76 |
"Gefährliche Liebschaften"Ulmvon Frank Kämpfer | Seite 77 |
"Fidelio"Frankfurt/M.von Nora Eckert | Seite 78 |
"Russische Séance"Brandenburgvon Volkmar Draeger | Seite 79 |
Premierenkalender | Seite 81 |
Juli / August | |
Stück | |
Anna Langhoffvon Marit Gienke | Seite 82 |
FRIEDEN FRIEDENvon Anna Langhoff | Seite 83 |
Magazin | |
Mülheimer Theatertagevon Ulrich Deuter | Seite 96 |
Europäisches Theaterforumvon Barbara Engelhardt | Seite 96 |
Deutung zwecklos!von Axel Schalk | Seite 97 |
Theaterwerkstatt "reich & berühmt '97"von Mario Stumpfe | Seite 97 |
Wider den Geist der Preisverleihung?von Jakob Schmidt | Seite 98 |
Theater unterm Dachvon Ingeborg Pietzsch | Seite 98 |
Heilbronn baut ausvon Mario Stumpfe | Seite 98 |
Fördermodell Berlin 1999von Mario Stumpfe | Seite 99 |
BücherHans-Peter Minetti: Erinnerungen. Ullstein-Verlag, Berlin 1997, 376 S.von Martin Linzer | Seite 99 |
BücherJoachim Köhler: Wagners Hitler. Der Prophet und sein Vollstrecker. Karl Blessing Verlag München 1997, 512 S.von Nora Eckert | Seite 99 |
BücherMosco Carner: Puccini. Biographie. Insel Verlag Frankfurt/M., 1996, 880 S., zahlr. Abb.von Nora Eckert | Seite 100 |
Meldungen | Seite 101 |
Kolumne | Seite 102 |
O diese Langeweile oder Notizen aus dem Sommerlochvon Martin Linzer | |
Autoren | Seite 104 |
Impressum | Seite 104 |
Stefan Amzoll
Günther Beelitz
Matthias Biskupek
Silvia Brendenal
Ulrich Deuter
Friedrich Dieckmann
Volkmar Draeger
Nora Eckert
Barbara Engelhardt
Marit Gienke
Stefan Grund
Ulrike Haß
Frank Kämpfer
Ulrich Khuon
Heinz Kluncker
Anna Langhoff
Martin Linzer
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Michael Mans
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Frank Quilitzsch
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