Heft 10/2002
Danke Zürich
Die Schweiz bebt: Thomas Hürlimann, Falk Richter, Christoph Schlingensief
Broschur mit 80 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Ohne Sieg gewinnen - Zerreißprobe in der Schweiz: Mit Christoph Marthaler wurde aus dem Schauspielhaus Zürich wieder ein Theater von internationalem Rang. Mit der Kündigung des Intendanten werden einige Zusammenhänge deutlich, die über Zürich außerdem weit hinausweisen: Das Hineinregieren von Verwaltungsräten und Subventionspolitikern in die ureigenen Angelegenheiten der Theater erfolgt mit Zahlenargumenten und meint Inhalte und Impulse, die politisch vom Theater ausgehen können. Nachdem im Juni die Bürger Zürichs mit knapper Mehrheit für eine Bewilligung der Subventionserhöhunggestimmt hatten ("Danke Zürich"), folgte Ende August der Putsch gegen Marthaler. Gemeint sind damit auch die Dramaturgin Stefanie Carp und Christoph Schlingensief, dessen "Hamlet" schon letztes Jahr zwar zum Theatertreffen nach Berlin eingeladen war, in Zürich zuvor allerdings für gewaltigen Zündstoff gesorgt hatte. Auch wenn es jetzt so aussieht, als würde es nur um ein paar fehlende Millionen gehen, die sich vielleicht schnell noch herbeischaffen lassen, in der Tiefenstruktur ist anderes zu erkennen. (S . 4 bis 11)
Aus in Frankfurt: Das Ende des TAT scheint bislang kaum jemanden groß zu bekümmern. Von einem Bürgerprotest, der einst die Wiedereröffnung des schon einmal geschlossenen Theaters herbeiführte, kann keine Rede sein. Soweit bekannt, gab es nicht einmal Petitionen von Theaterleuten, deren Karrieren sich mit der Geschichte des TAT verbinden. Nicht einmal Claus Peymann, der dem Zürcher Schauspielhaus eben noch "Exil" anbieten wollte - ja, er verwendete genau dieses Wort -, machte in diesem Fall von seinem sonst gern vorgezeigten Politikerstachel Gebrauch. Immerhin war die Uraufführung von Handkes "Publikumsbeschimpfung" am TAT 1966 eine von Peymanns ersten Großtaten. Karlheinz Braun, Mitgründer und langjähriger Leiter des Frankfurter Verlags der Autoren, resümiert in seinem Beitrag das Auf und Ab des TAT und warnt, in Frankfurt passiere alles ein bisschen eher als anderswo in Deutschland. (S. 12)
Verlängert in Berlin: "Ich mache es nur, weil ich nichts Besseres habe", sagte Frank Castorf bei der Unterzeichnung seines lange hingezerrten Vertrags für weitere fünf Jahre an der Volksbühne, Ausstiegsoptionen inbegriffen. Das klingt resigniert, vielleicht auch ein bisschen kokett und unterschwellig drohend. Aber soll Castorf nach zehn Jahren Volksbühne als wichtigstes Theater Deutschlands nun auch noch extra dankbar sein? John Rouse, in Kalifornien lebender Kritiker und Volksbühnenpilger, verweist in seiner Würdigung zum zehnten Jubiläum der Castorf-Intendanz auf das Einzigartige dieses Theaters aus amerikanischer Sicht. (S . 16)
Nach der Wahl: Der knappste Wahlausgang in der Geschichte der Bundesrepublik war am Ende vielleicht durch ein paar eigenartige Randereignisse in den Wochen zuvor beeinflusst. Der von der ganz allein auf Stoiber setzenden CDU/CSU eifrig genutzte Streit um Däubler-Gmelins Bush-Patzer mag der indes ganz und gar nur noch in Schröder symbolisierten SPD Stimmen gekostet haben, so wie der FDP Möllemanns Provokationen und der PDS Gysis unverständlicher Bonusmeilen-Rückzug (kein Vergleich beabsichtigt). Wichtig bleibt aber auch festzustellen, dass alle diese Parteien, die hier noch nicht genannten und jetzt wieder mitregierenden Grünen natürlich eingeschlossen, keine wesentlichen Aussagen zur Kulturpolitik gemacht haben. Sie spielte praktisch überhaupt keine Rolle in einer Zeit, in der die föderale Struktur der Kulturrepublik zumindest neu diskutiert wird. Hat sich Schlingensiefs Aufruf "Tötet Politik" auf diesem Gebiet etwa schon von selbst vollzogen?
Die Redaktion
Artikel | Seite |
---|---|
Artikel | Seite |
Editorial | Seite 1 |
Ohne Sieg gewinnen | |
Theaterpolitik | |
Lappen hoch in ZürichThomas Hürlimann im Gespräch mit Anja Dürrschmidtvon Anja Dürrschmidt und Thomas Hürlimann | Seite 4 |
Erlaubt ist, was nicht störtMarthaler und der Besuch der alten Damenvon Falk Richter | Seite 8 |
InquizitionChristoph Schlingensief im Gespräch mit Thomas Irmervon Thomas Irmer und Christoph Schlingensief | Seite 10 |
Die Abschaffung TATsachenDas Frankfurter TAT wird geschlossen - ein Nachruf noch zu Lebzeitenvon Karlheinz Braun | Seite 12 |
Jubiläum | Seite 16 |
Somewhere over the rainbowDie Volksbühne als unamerikanische Anstalt - eine amerikanische Würdigungvon Howard Rouse | |
Eine Woche in... | Seite 20 |
Trotz alledemEine Woche in Dresden zur Spielzeiteröffnungvon Thomas Irmer | |
Freie Szene | Seite 24 |
Quadratkilometer unter dem MeeresspiegelWie das "Theater an der Angel" in Magdeburg den Fluten trotztevon Annett Gröschner | |
Bühnenbild | Seite 26 |
Der RequisitenflüstererRufus Didwiszus im Gespräch mit Anja Dürrschmidtvon Anja Dürrschmidt und Rufus Didwiszus | |
Aktuelle Inszenierung | Seite 32 |
Mission SelbstbewusstseinGérard Mortier und die Eröffnung der Ruhrtriennalevon Rolf C. Hemke | |
Saisonausblick | Seite 34 |
Neuaufbruch mit Hannibal oder: Dichter ans TheaterIn Stuttgart geht Intendant Friedrich Schirmer ins zehnte Jahrvon Otto Paul Burkhardt | |
Frankreich | Seite 38 |
Geburtshelfer für ein Theater von heuteMicheline und Lucien Attoun im Gespräch mit Barbara Engelhardtvon Barbara Engelhardt und Lucien Attoun | |
USA | Seite 42 |
Den unblutigen Krieg testen?Die amerikanische Philosophin Avital Ronell im Gespräch mit Daniel Schreibervon Daniel Schreiber und Avital Ronell | |
Auftritt | |
Jon Fosses "The Girl on the Sofa" von Thomas Ostermeier uraufgeführtEdinburghvon Therese Bjorneboe | Seite 45 |
Igor Bauersima inszeniert Neil LaButes "Das Mass der Dinge"Salzburg/wienvon Klaus Dermutz | Seite 46 |
Theater der Landeshauptstadt: Mark Amerikas "Amerika im Krieg" uraufgeführtMagdeburgvon Thomas Irmer | Seite 47 |
"Ultimo. Magazine des Glücks" von Ulrich GrebOberhausenvon Rolf C. Hemke | Seite 48 |
Maxim Gorki Theater: "Wölfe und Schafe", "Der Handel mit Clair", "Bombsong"Berlinvon Martin Linzer | Seite 49 |
Mecklenburgisches Staatstheater: "Solo Sunny" adaptiertSchwerinvon Heinz Kluncker | Seite 51 |
"Schlafes Bruder" als Puppenspiel uraufgeführtBremenvon Alexander Schnackenburg | Seite 52 |
Kolumne | Seite 53 |
Lust auf lange Haare | |
Stück | |
Rücksichtslos redikalisiert - Schleefs "Gertrud"Hans-Ulrich Müller-Schwefe antwortet auf Fragen von Thomas Irmervon Thomas Irmer und Hans-Ulrich Müller-Schwefe | Seite 54 |
Gertrudein Totenfestvon Einar Schleef | Seite 55 |
Magazin | |
Einar Schleef in Hannover und Neuhardenburgvon Thomas Irmer | Seite 71 |
Nicht alle wollen alles wissen - noch einmal zu Brecht und Berlauvon Sabine Kebir | Seite 71 |
"Tanz im August"Die politische Schnittmengevon Katja Werner | Seite 72 |
Unidram 2002: Schreie und Flüsternvon Axel Schalk | Seite 73 |
BücherInge Müller: Dass ich nicht ersticke am Leisesein. Gesammelte Texte, hg. von Sonja Hilzinger. Aufbau-Verlag, Berlin 2002, 660 S.von Thomas Irmer | Seite 74 |
BücherInes Geipel: Dann fiel auf einmal der Himmel um. Inge Müller. Die Biografie. Henschel, Berlin 2002, 255 S.von Thomas Irmer | Seite 74 |
Meldungen | Seite 74 |
Premierenkalender | Seite 76 |
Autoren | Seite 80 |
Impressum | Seite 80 |
Lucien Attoun
Therese Bjorneboe
Karlheinz Braun
Otto Paul Burkhardt
Klaus Dermutz
Rufus Didwiszus
Anja Dürrschmidt
Barbara Engelhardt
Annett Gröschner
Rolf C. Hemke
Thomas Hürlimann
Thomas Irmer
Sabine Kebir
Heinz Kluncker
Martin Linzer
Hans-Ulrich Müller-Schwefe
Falk Richter
Avital Ronell
Howard Rouse
Axel Schalk
Einar Schleef
Christoph Schlingensief
Alexander Schnackenburg
Daniel Schreiber
Katja Werner
€ 6,99
Zu den Apps
Versandfertig in 1 - 3 Werktagen. Kostenfreier Standardversand innerhalb Deutschlands, zzgl. Versandkosten ins Ausland. Alle Preisangaben inkl. MwSt.
Die elektronische Ausgabe steht direkt nach dem Kauf zur Verfügung. Unsere eMagazine können Sie mit nahezu allen Geräten lesen, da das PDF ein plattformunabhängiges Format ist.
Zeitschrift
Neue Bücher
Jeden Monat die wichtigsten Themen bei Theater der Zeit
Newsletter abonnieren