Heft 12/2003
edition X
Gabriele Brandstetter
Broschur mit 80 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Post-Golgatha-Stimmung?: "Weltgeschichte ist Rauswurfgeschichte" steht in Botho Strauß' neuem Roman "Die Nacht mit Alice, als Julia ums Haus schlich". Und Theatergeschichte, so kommt es einem derzeit in Deutschland vor, ist Abbruchgeschichte, seit die klammen Stadtkämmerer mit Kürzungsplänen um beinahe jedes Staatstheater schleichen. Die Öffentlichkeit redet fast nur noch vom Krankheitsfall Theater, der Inhalt bleibt auf der Strecke. Am 14. November trafen sich in Berlin zum Beispiel ziemlich viele deutsche Theaterintendanten, Kulturpolitiker und Journalisten zum "Bündnis für Theater" (s. Kommentar S. 80). Der Bundespräsident war da, die Staatsministerin für Kultur und Medien, der Bühnenverein, die Gewerkschaft. Sie alle haben versichert, wie wichtig, unersetzlich, gesellschaftskons tituierend das Theater ist. Am leidenschaftlichsten wurde aber um die Frage eines neuen Tarifrechts für die Staatsbühnen diskutiert. Bezeichnenderweise. Theaterdeutschland ist fest in der Hand ökonomischer Debatten. Der Blick über den (finanziellen und nationalen) Tellerrand fällt immer schwerer - obwohl er immer wichtiger wird. Die vorliegende Ausgabe erzählt deshalb keine Abbruchgeschichten, sondern von schwierigen, aber verheißungsvollen Anfängen.
An der Freien Universität Berlin wurde ein solcher im Sommer diesen Jahres gemacht: Gabriele Brandstetter bezog die neu gegründete Professur für Tanzwissenschaft. TdZ druckt ihren Aufsatz, der nachfragt, in welcher Weise das neue Fach einen Beitrag zu drängenden Deba tten unserer Zeit leisten kann. Nachdem ein Jahr lang jedes Nummer von TdZ im Rahmen der edition X Gastherausgebern das Wort überließ, findet diese Reihe jetzt ihren AbscWuss. Mit einem Text, der nach Zukunft sucht.
Dass gestaltete Zukunft nur aus der Reflexion des Vergangenen entstehen kann, wird derzeit besonders im Krisenfall Irak deutlich: Es gibt keine Stunde Null. Auch nicht für das Theater im Irak. Wie also steht es um die Bühnen im Zweistromland? Der bekannte irakisehe Dramatiker Faruq Muhammad sagt: "Wir haben im Moment keine Visionen." Das macht den Wiederanfang schwer. Macht es ihn auch unmöglich? Auf Einladung von Roberto Ciulli, Direktor des Theaters an der Ruhr, haben neun Theaterautoren, Dramaturgen und Regisseure aus dem Exil und aus dem Irak über "Perspektiven des kulturellen Wiederaufbaus im Irak" diskutiert. TdZ druckt eine gekürzte Fassung dieser Debatte. Und einen Erfahrungsbericht des Regisseurs und Theaterwissenschaftlers Hawre Zangana, der vom Münchener Exil aus sein Heimatland bereist hat.
Ständig fängt im Theater etwas an und hört etwas auf. In Heilbronn und Oberhausen haben junge Intendanten ihre erste Spielzeit begonnen. TdZ berichtet von den Eröffnungspremieren und neuen Plänen. Zu diesen gehört auch, dass die Theater sich vermehrt um eine professionelle Außendarstellung bemühen. Kulturmanagement heißt das hoffnungsvolle Stichwort für Bühnen, die sich nicht auf Abbruchgeschichten reduzieren lassen wollen. Was aber verbirgt sich hinter Kulturmanagement? Wir befragen die veränderten Strategien der Marketingabteilungen.
Nachgefragt hat TdZ auch bei Amelie Niermeyer, der Freiburger Intendantin, die in finanzieller Not ein viel beachtetes Programm zustande bringt. Wie kann es weitergehen mit dem Schauspiel in Zeiten allgemeiner Nervosität? Und wo stehen wir überhaupt? Matthias von Hartz, Hans-Werner Kroesinger und Patrick von Blume haben diese Frage wörtlich genommen und jeder auf seine Weise ein Dokumentartheater entwickelt, das sich als Gegenwartserforschung versteht. TdZ hat die drei Theatermacher zu einem gemeinsamen Gespräch eingeladen.
Es bleibt: TdZ druckt das neue Stück der britischen Nachwuchsautorin Joanna Laurens, das Christina Paulhofer am 15. November in Hannover zur Uraufführung brachte. Eine Besprechung der Inszenierung findet sich im Heft. Und wir haben eine Inszenierung im Erzgebirge besucht, die seit 43 Jahren auf dem Spielplan steht: ein Krippenspiel in Großolbersdorf. Auch das ist uns Anlass, über die Vielgestaltigkeit und Zukunftsfähigkeit des Theaters nachzudenken. Entgegen der allgemeinen "Post-Golgatha-Stimmung" (Botho Strauß), die allerorten um die Ecken schleicht.
Die Redaktion
Dscha'far as-Sa'adi
Lilian Ascherfeld
Gabriele Brandstetter
Otto Paul Burkhardt
Roberto Ciulli
Kerstin Decker
Roland Dippel
Anja Dürrschmidt
Barbara Engelhardt
Tina Fibiger
Adel Gorgis
Rolf C. Hemke
Andreas Hillger
Morten Kansteiner
Awni Karoumi
Aziz Khaiyun
Hans-Werner Kroesinger
Joanna Laurens
Martin Linzer
Nikolaus Merck
Faruq Muhammad
Tom Mustroph
Elisabeth Nehring
Amélie Niermeyer
Nina Peters
Dirk Pilz
Michael Quasthoff
Khalil Schawki
Alexander Schnackenburg
Patrick von Blume
Matthias von Hartz
Geesche Wartemann
Hawre Zangana
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