Heft 03/2004
Schwerpunkt Regieausbildung
Broschur mit 76 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Dieses Heft ist leider vergriffen und nur noch als PDF erhältlich.
Gute Regie, schlechte Regie Mit der Regie ist es ein bisschen wie mit dem Begriff Zeit. Augustinus schrieb einst über ihn: "Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich es; wenn ich es jemanden auf die Frage hin erklären soll, weiß ich es nicht." Regisseure wissen natürlich, was Regie ist; aber wenn man sie danach fragt, wissen sie es nicht unbedingt zu erklären. Jürgen Flimm sagt im Interview mit TdZ etwa, Regie sei "Gruppenbildung"; Manfred Karge dagegen zitiert seinen Freund Matthias Langhoff: Regie sei kein Beruf, sondern ein Lebenszustand. Dennoch: Regie wird gelehrt, Regie kann man lernen. Teilweise jedenfalls. In unserem Schwerpunkt zur Regieausbildung im deutschsprachigen Raum erzählen acht Regisseure und Regisseurinnen und ein Autor ganz verschiedene Geschichten davon, was sie an ihren Regieschulen gelernt oder nicht gelernt haben; und Hella Kemper schildert in einem Überblickstext die unterschiedlichen Stile, Arbeitsweisen und Methoden der einzelnen Einrichtungen. Eines ist ihnen allen gemein: An der Ausbildung einer einheitlichen Handschrift ist niemandem gelegen. Theater braucht Vielfalt. Im TdZ-Arbeitsbuch "Werk-Stück. Regisseure im Porträt" kann sie anhand jüngerer Regisseure nachgelesen werden. Auf die Frage, was Regie sei, ist allerdings auch dort keine abschließende Antwort zu finden. Weil es sie nicht gibt. Weil sie das Theater selbst jedes Mal aufs Neue beantworten muss. Entscheidend ist letztlich immer, meint Jürgen Flirnm, "ob ich anders aus dem Theater rausgehe, als ich hineingegangen bin".
Für die Politik ist dagegen entscheidend, nach welchen Kriterien sie handelt. Denn sie legen fest, was am Ende Realität wird. Realität ist inzwischen, dass Kunst und Kultur immer mehr als bloßer Luxusartikel gehandelt werden. Kulturstaatsrninisterin Christina Weiss sieht ihre Aufgabe deshalb vor allem darin, mit einer Botschaft fast predigend durchs Land zu ziehen: "Kunst gehört in die Debatte über Innovation."TdZ hat sich mit ihr zum Gespräch getroffen und über kulturwissende Politik, den Reformbedarf der Theaterlandschaft, die Opernstiftung für Berlin und die Krise der Gesellschaft diskutiert. Ihr Fazit: "Die Politik in einer Demokratie ist der Spiegel der Gesellschaft." Wie auch die Theaterlandschaft. Für beide wird nicht zufallig derzeit beständig ein Krisenszenario beschworen. Es steht nicht gut um unsere Gesellschaft - und um die viel gerühmte deutsche Theaterlandschaft. Die von Henning Fülle und Detlev Schneider Ende Januar zum Potsdamer Symposium "Jenseits von Musealität und Amüsement" vorgelegten Thesen wollen darauf antworten; der Eröffnungsvortrag von Andrzej Wirth reagiert auf sie. TdZ druckt beide Texte und setzt die viel beachtete Debatte über die Dringlichkeit von Theaterstrukturreformen fort.
Der Zustand der Gesellschaft und ihrer Theater lässt sich aber nicht zuletzt aufder Bühne selbst beobachten. An ihren Themen, an ihren Ästhetiken. Es ist dabei auffallig, dass der wieder tragische Held eine Renaissance als thematische Figur feiert. Ein Essay untersucht die Gründe, zwei Kritiken berichten von den unterschiedlichen Möglichkeiten, den Helden aufdie Bühne zu holen. Und weil es bei alledem Not tut, über den eigenen Tellerrand zu schauen, berichten wir vom 22. Fadjr-Theater-Festival in Teheran. Theater erfullt hier noch eine weitaus elementarere Form der Gesellschaftsbespiegelung: Es zeigt die gesellschaftliche Orientierungslosigkeit in ihrer ganzen Bandbreite. Das Berliner Haus der Kulturen der Welt wird innerhalb seines Programms "Entfernte Nähe" vom I9. März bis 9. Mai neue Positionen iranischer Künstler und dabei auch Arbeiten junger Theaterschaffender vorstellen.
Orientierung, eine eigene Biografie finden: Das ist auch das Thema von Andres Veiels Langzeitdokumentarfilm "Die Spielwütigen". Auf der Berlinale hat die Studie über vier Schauspielstudenten den Panorama-Publikumspreis gewonnen. TdZ hat ihm eine ausführliche Kritik gewidmet - und Andres Veiel als neuen Kolumnisten gewonnen.
Was noch? In Leipzig findet vom 25. bis 28. März die Frühjahrsbuchmesse statt. Mit TdZ und drei neuen Bänden der Reihe Recherche. Pünktlich zur Messe geben Thomas Martin und Erdrnut Wizisla bei TdZ "Brecht plus minus Film. Brecht-Dialog 2003" und Hajo Kurzenberger und Annemarie Matzke "TheorieTheaterPraxis" heraus. Und Erika Fischer-Lichte, Clemens Risi und Jens Roselt sind die Editoren von "Kunst der Aufführung - Aufführung der Kunst". Aufder Messe ist TdZ in Halle 2 am Stand F 20I zu finden. Wir freuen uns auf Ihren Besuch und wünschen eine anregende Lektüre.
Die Redaktion
P.S.: Beginnend mit dieser Ausgabe zeigen wir auf" Seite 2" Arbeiten von Studierenden der Fotoschule "FOTOGRAFIE AM SCHIFFBAUERDAMM". wwwfasberlin.org
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Editorial | Seite 1 |
Gute Regie, schlechte Regie | |
Strukturdebatte | Seite 4 |
Die Politik ist der Spiegel der GesellschaftKulturstaatsministerin Dr. Christina Weiss im Gesprächvon Nina Peters und Dirk Pilz | |
Konferenz | |
Die Ritter der Thesen-RundeDas Symposium "Jenseits von Musealität und Amüsement" in Potsdamvon Nikolaus Merck | Seite 7 |
Vom Funktionswandel der darstellenden KünsteThesen zum Symposium "Jenseits von Musealität und Amüsement"von Henning Fülle und Detlev Schneider | Seite 9 |
Potsdamer RechenschaftsberichtÜber die Theaterindustrie in teutschen Landenvon Andrzej Tadeusz Wirth | Seite 10 |
Helden | |
Der unmögliche SpagatAnmerkungen zur Renaissance des wieder tragischen Helden auf der Bühnevon Dirk Pilz | Seite 12 |
Kleider machen HeldenKristo Sagor inszeniert am Theater Erlangen "HeldenHaft" von Schlendervon Roland Dippel | Seite 15 |
Weder stolz noch kühn"Wovon träumst du wenn du träumst" am Mannheimer Nationaltheatervon Otto Paul Burkhardt | Seite 16 |
Regieausbildung | |
Regie kann man nicht lernenRegieausbildung im deutschsprachigen Raumvon Hella Kemper | Seite 18 |
Die Welt im SchuhkartonStefan Koslowski im Gespräch mit Jürgen Flimmvon Stefan Koslowski | Seite 22 |
Interesse ist der Gradmesser des TalentsChristel Weiler im Gespräch mit Manfred Kargevon Christel Weiler und Manfred Karge | Seite 24 |
LehrjahreRegisseurinnen und Regisseure über ihre Ausbildung | Seite 26 |
Film | Seite 34 |
Das Leben lernen"Die Spielwütigen" von Andreas Veielvon Anja Dürrschmidt | |
Aktuelle Inszenierung | Seite 36 |
Unter dem VulkanDie Volksbühne versinkt in Castorfs Uraufführung von Pitigrillis Roman "Kokain" im Drogen-Durcheinandertalvon Dirk Pilz | |
Rollenbild | Seite 38 |
Endlich erwachsen werdenMaria Simon ist Polly Peachum in der "Dreigroschenoper" am Berliner Maxim Gorki Theatervon Christina Tilmann | |
Alltagstheater | Seite 40 |
Sehnsucht nach AlltagDie Realitätsspiele des Rimini Protokollsvon Daniel Schreiber | |
Bühnenmusiker | Seite 43 |
Ich mache das WetterJoscha Schaback im Gespräch mit dem Bühnenmusiker, Klang- und Installationskünstler Hans Peter Kuhnvon Joscha Schaback | |
Ausland | Seite 46 |
Ein Ventil der GesellschaftDas 22. Fadjr-Theater-Festival in Teheran Ende Januarvon Nina Peters | |
Auftritt | |
Lust am Untergang - Theater Freiburg: "Moby-Dick oder der Wal"; "Die Fliegen" von Jean-Paul SartreFreiburgvon Bodo Blitz | Seite 48 |
Und der Rest ist Comic - Städtische Bühnen: "Kriegerfleisch" von Rebekk KircheldorfMünstervon Jörg Buddenberg | Seite 49 |
Der Anteil des Menschen an der Hundwerdung des Wolfes - Freie Kammerspiele: "Baise-moi" von Uwe Bautz; "Wanted: Vhe. Ein Che-Guevara-Projekt" von Matthias ThiemeMagdeburg | Seite 51 |
Fern der Heimat - Theater Lübeck/Studio: "Die Wolken kehren nach Hause zurück" von Laura FortiLübeckvon Hella Kemper | |
Auftritt | |
Die Müllerchöre - Theater Junge Generation: "Zement" von Heiner Müller; Schauspiel: "Die Umsiedlerin oder Das Leben auf dem Lande" von Heiner MüllerDreden /Chemnitzvon Dirk Pilz | Seite 53 |
Unter anderem Lang als Lear - Hans Otto Theater: "König Lear" von William ShakespearePotsdamvon Martin Linzer | Seite 54 |
Geostrategischer Abglanz - Kaaitheater/Wiener Festwochen: "Pipelines, a Construction" von Jan Ritsema & Bojana CvejicBrüssel/Wienvon Georg Weinand | |
Auftritt | Seite 57 |
Die Summe aller Tanzveranstaltungen - Kampnagel/Hebbel am Ufer: "Warum tanzt ihr nicht?" von und mit She She TopHamburg/Berlinvon Daniel Schreiber | |
Zweijahresmythen vom Tanz - 6. Plattform DeutschlandDüsseldorfvon Katja Werner | |
Kolumne | Seite 59 |
Der Kampf geht weitervon Andreas Veiel | |
Stück | |
Die Angst besiegen oder Das Kaninchen vor der SchlangeHugo Velarde im Gespräch mit Lothar Trollevon Hugo Velarde | Seite 60 |
Hanswurstszenenvon Lothar Trolle | Seite 61 |
Magazin | |
Theaterneugründung in Berlinvon Anja Dürrschmidt | Seite 69 |
Uwe Jansons TV-Film "Baal"von Stefan Koslowski | Seite 70 |
BücherJacques Derrida: Artaud Moma. Ausrufe, Zwischenrufe und Berufungenvon Nikolaus Müller-Schöll | Seite 72 |
Bücher unserer AutorenHans-Thies Lehmann/Patrick Primavesi (Hrsg.): Heiner Müller Handbuch. | Seite 73 |
Bücher unserer AutorenAxel Schalk/Christian Erich Rochow (Hrs.): Splitter. Sondierungen zum Theater | Seite 73 |
Bücher unserer AutorenChristopher Balme/Erika Fischer-Lichte/Stephan Grätzel (Hrsg.): Theater als Paradigma der Moderne? | Seite 73 |
Meldungen | Seite 74 |
Impressum | Seite 75 |
Kommentar | Seite 76 |
Traumberuf Künstlervon Nina Peters | |
Vorschau | Seite 76 |
April 2004 |
Bodo Blitz
Jörg Buddenberg
Otto Paul Burkhardt
Roland Dippel
Anja Dürrschmidt
Henning Fülle
Manfred Karge
Hella Kemper
Stefan Koslowski
Martin Linzer
Nikolaus Merck
Nikolaus Müller-Schöll
Nina Peters
Dirk Pilz
Joscha Schaback
Detlev Schneider
Daniel Schreiber
Christina Tilmann
Lothar Trolle
Andreas Veiel
Hugo Velarde
Christel Weiler
Georg Weinand
Katja Werner
Andrzej Tadeusz Wirth
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