Heft 01/2006
Hamburg Spezial
Neue Kräfteverhältnisse in der Theaterszene
Broschur mit 80 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Bruchlinienkriege Im Sommer 1993 rief Samuel P. Huntington in einem Artikel der Zeitschrift "Foreign Affairs" den "Clash of Civilizations", den "Kampf der Kulturen" als neues Paradigma der Weltordnung nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation aus. Er führte den Begriff des Bruchlinienkriegs ein und wies nach, dass sich nahezu alle längeranhaltenden Konflikte an kulturellen Grenzen entzünden. Um sich für den Kampf der Kulturen zu rüsten, schlug Huntington der westlichen Welt zuletzt vor, ihre überkommene kulturelle Identität zu schärfen und die eigenen Werte offensiv und nötigenfalls kampfbereit zu vertreten.
Es ist diese Schlussfolgerung Huntingtons - weniger seine Analyse -, an der man sich gestoßen hat und immer noch stoßen muss. Kann kulturelle Abgrenzung eine Alternative zur interkulturellen Verständigung darstellen? Im schlimmsten Fall verlegt kulturelle Ab- und Ausgrenzung die Bruchlinien, von denen Huntington spricht, direkt vor die Haustür: In Frankreich findet der Kampf der Kulturen mittlerweile im eigenen Land statt.
Das Theater hat von jeher Bruchlinienkriege zum Thema gehabt; wobei die Bruchlinien nicht notwendig geografische sein müssen, sondern auch zeitliche sein können. In den "Bakchen" des Euripides trifft die uralte Praxis des Dionysos- Kultes aufden modernen aufgeklärten Herrscher Pentheus. Die Begegnung endet, durchaus in Übereinstimmung mit Huntingtons Thesen, in äußerster Grausamkeit. Die "Bakchen" sind in dieser Spielzeit seltsam genug - das Stück der Saison, man kann es in Frankfurt/M. , Basel und gleich zweimal in München aufder Bühne sehen. Reflektiert in diesem Stück eine ihrer Werte unsicher gewordene Demokratie den Umgang mit den tief religiös verwurzelten Kulturen und Staatsformen? Der Theaterwissenschaftler Patrick Primavesi hat sich die Aufführungen angeschaut und für TdZ darüber geschrieben.
Auf ähnliche Weise wie die "Bakchen" handelt auch Mozarts "Zauberflöte" von einem Bruchlinienkrieg: Eine matriarchalische, von der Königin der Nacht repräsentierte Staatsform gerät in Konflikt mit einer straff organisierten "Armee" intellektueller männlicher Aufklärer, dem Kreis um Sarastro. "Die Zauberflöte" ist eines der Werke, von dem das von Peter Sellars kuratierte Wiener Festival "New Crowned Hope" seinen Ausgang nimmt: Dabei werden - am Ende des nun eingeläuteten Mozartjahrs Künstler aus unterschiedlichsten kulturellen Zusammenhängen von Mozart inspirierte Projekte realisieren. Im Exklusivgespräch mit TdZ erläutert Sellars, warum er - anders als Huntington die einzige Lösung der globalen Probleme im interkulturellen Dialog sieht, und er entwirft die Rolle, die das Theater bei dieser Verständigung spielen kann.
Die seit Menschengedenken wichtigsten Stätten des interkulturellen Austauschs sind die Häfen - eine Hafenstadt steht gleichsam apriori für Weltoffenheit und Toleranz. In diesem Heft porträtiert TdZ die Theaterstadt Hamburg, an deren Bühnen so einiges in Bewegung geraten ist - und das nicht nur, weil Friedrich Schirmer am Deutschen Schauspielhaus neu startete. Außerdem stellen wir Ihnen mit dem Stückabdruck von "Schwimmen wie Hunde" erstmals den Schweizer Autor und Kleistförderpreisträger Reto Finger vor. Eine Reportage über das Landestheater Dinslaken, ein Bericht über Amanda Millers Neustart mit pretty ugly tanz in Köln, ein Rollenporträt aus Dresden - Karina Plachetka und Kai Roloffin Katharina Gerickes "Vom Fluss" - und ein Gespräch mit dem Videokünstler Chris Kondek, dessen jüngstes Projekt mit Meg Stuart an der Berliner Volksbühne in diesem Monat Premiere feiert, komplettieren das Jahresauftaktheft von TdZ.
Mit den besten Wünschen für 2006 verbleibt
die Redaktion
Theater der Zeit kann in der Buchreihe Recherchen drei Neuerscheinungen vermelden:
Recherchen 26:
Gabriele Brandstetter, Bild-Sprung.
TanzTheaterBewegung im Wechsel der Medien.
Recherchen 27:
Johannes OdenthaI, Tanz Körper Politik.
Recherchen 29:
Heiner Müller. Bildbeschreibung.
Ende der Vorstellung. Hrsg. von Ulrike Haß.
Wolfgang Behrens
Esther Boldt
Otto Paul Burkhardt
Franz Anton Cramer
Stefan Grund
Joseph Hanimann
Christian Horn
Hella Kemper
Constanze Klementz
Kaa Linder
Martin Linzer
Nikolaus Merck
Gottfried Meyer-Thoss
Regine Müller
Nina Peters
Dirk Pilz
Patrick Primavesi
Shirin Sojitrawalla
Willibald Spatz
Thorsten Stegemann
Lutz Stirl
Christine Wahl
Klaus Witzeling
Nicole Ziegler
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