Heft 12/2007
Was ist das für ein Ding?
Heiner Goebbels im Gespräch
Broschur mit 84 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
„Wie erzeugt man mit Theater eine Wirkung wie beim Anblick eines Nilpferds?", lautet eine jener Aufgaben, denen sich Heiner Müller mit seinem Werk stellte. Als ästhetisches Problem ist das Hippopotamus amphibius irgendwo zwischen Verfremdungstheorie und Surrealismus gebürtig. Sein Biodesign erstaunt den Philosophen, geht es doch mit dem Unbekannten schwanger. Falls ein vergleichbares Etwas auf der Bühne niederkommt, sieht es natürlich nicht aus wie ein Nilpferd. Erstens kennt man das schon, und zweitens befindet man sich im Reich der Verwandlung. Vielmehr lautet die richtige Lösung: „Das ist keine Frage. Das ist keine Antwort. Das ist ein Ding." Wenn Heiner Goebbels seine jüngste Produktion „Stifters Dinge" betitelt, ist damit also ein idealer Anlass gegeben, mit ihm über Konstruktionsprinzipien des Fremden zu sprechen. Wer erfahren möchte, warum ausgerechnet ein Theater ohne Menschen den Zuschauer zum Souverän macht oder ein leeres Zentrum Begrenzungen unserer Wahrnehmung überwinden hilft, stößt auf jene Paradoxien des Sinns, ohne die Moderne nicht wäre. Dem Experiment mit dem Fremden hat sich gewissermaßen auch die neue Leitung des Schauspiels Köln verschrieben. Hier gilt es, die Gestalt des Migranten in eine ästhetische Kategorie umzuformen. Dafür mit Hebbels Nibelungensaga den Hexenkessel von Etzels Saal in Beschlag zu nehmen, entbehrt nicht einer humorigen Note. Sebastian Kirsch begleitete den Zug der Rheinarmee ins Feindesland und stieg anschließend gleich mehrmals in der Halle Kalk ab, wo die Marathonperformance „Die Erscheinungen der Martha Rubin" Befremden auf hohem Niveau als humanistischen Erlebnistrip anbietet.
Ein weiterer Neustart lief in Bremen vom Stapel. In dieser vom Ungetüm der Insolvenz abgenagten Drachenhöhle schreibt Regisseur Christian Pade unerschrocken den „Wilhelm Tell" der Geschichte des deutschen Terrorismus ein. Während Götz Argus als Kommando Tell den Habsburger Besatzern die Luft ablässt, schaut Dorte Lena Eilers Intendanz und Politik ein wenig auf die Finger, beschreibt, wie diese mit ausgefeilten Marketingstrategien versuchen, das finanzielle Leck zu stopfen. Solche Sorgen kennt man in Hamburg nicht, wo der mit theatralen Leistungen erworbene Glanz des Thalia Theaters sich neuerdings in einer der Größe der Besucher angemessenen Bestuhlung niederschlägt. Begutachtet wurden derlei Veränderungen von Rudolf Mast, der den Saisonstart der beiden Hamburger Häuser kommentiert. Mit der Devise „Turn terror into sport" sorgt im fernen Wien Claudia Bosse für Aufregung. Mit einhundert Laienstepptänzern meißelte die kompromissloseste aller deutschsprachigen Theaterfrauen an einem weiteren Monument ihrer Chorarbeit. Diesmal rhythmisiert der Volkskörper das (Nicht-)Handlungsgefüge von Shakespeares „Coriolan" der Raumzeitzone Rom. Den Römern verdankt auch die heutige Hauptstadt Georgiens, Tbilissi, ihre erste Kartierung. Ob an Tbilissis warmen Quellen damals der Kunst der Verwandlung gefrönt wurde, ist nicht überliefert. Doch hat sich in Georgien über die Jahrhunderte eine traditionsorientierte Theaterszene etabliert, von der mit Blick auf die aktuelle brisante politische Lage ein Spähtrupp Leipziger Theaterwissenschaftler unter Leitung Günther Heegs Kunde bringt. Eine besondere Freude ist es, unsere Kolumne in der Hand des schreibenden Theatertiers Emine Sevgi Özdamar zu wissen. In Wikipedia wird sie als deutsche Schauspielerin und Schriftstellerin türkischer Herkunft geführt. Mit ihrem Leben und ihrem Werk bezeugt sie, dass das Nilpferd unzählige Namen besitzt und in den Träumen ein Zuhause hat.
Die Redaktion
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Tobias Becker
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Sebastian Kirsch
Hartmut Krug
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