Heft 10/2008
Alles Verdrängte nach außen bringen
Der Aktionskünstler Hermann Nitsch im Gespräch
Broschur mit 80 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Künstlerfürst Hermann Nitsch hält Hof. Diesmal nicht im heimatlichen Österreich, sondern im Süden Italiens. Neapel, die Stadt mit der ekstatischen Sensibilität, leistet sich ein Museo Nitsch. Pünktlich zu seinem 70. Geburtstag darf der Meister das ihm gewidmete Museum in Empfang nehmen. Strahlend blauer Himmel, Blick auf den Hafen und die Kuppeln der tiefer liegenden Kirchen, den gegenüberliegen Vesuv inklusive. Hier, ein Ort wo man gemeinhin Postkartenmotive aufnimmt, spricht Nitsch gutgelaunt mit Frank Raddatz über das Orgien-Mysterien-Theater und das Verdrängte, über Wagner und Brecht, Sophokles und Freud, über das, was Heiner Müller einmal die Kurzformel des Theaters nannte - Geburt und Tod. Weiter vertieft werden diese Gedanken in einem Essay der libanesischen Schriftstellerin Etel Adnan, die das Thema Theater und Ritual durch Zeiten und Kulturen führt.
Um Metamorphosen ganz anderer Art, nämlich „Sanieren oder Demolieren", ging es in dem viel beachteten Sonderheft von TdZ über die Pläne zur architektonischen Umgestaltung der Staatsoper Unter den Linden. Inzwischen ist eine, wie Friedrich Dieckmann befindet, weise Entscheidung getroffen worden. Unser Autor nutzt die Gunst der Stunde, um das Augenmerk auf die schon lange fällige Strukturreform im gesamten Berliner Opernbetrieb zu lenken. Vielleicht vermag auch in diesem Fall eine sachdienliche Ausbreitung der Materie eine den Problemstand erhellende Bewusstseinslage zu schaffen, schließlich ist doch Weisheit, zumindest nach chinesischer Auffassung, dadurch bestimmt, im rechten Augenblick durch eine kleine Nuancierung große Veränderungen herbei zu führen.
Leuchten, nicht Glimmen soll, wenn es nach Bernd Kauffmann, dem Generalbevollmächtigten der Stiftung Schloss Neuhardenberg geht, das Kleist-Museum in Frankfurt an der Oder spätestens im Kleistjahr 2011, wenn sich der 200. Todestag des Preußendichters jährt. Nur ein Bruchteil der Mittel, die der Bund für Weimar zu Verfügung stellt, reichten für die Renovierung des Museums aus, um dem Lebensnomaden Kleist einen national und international ausgerichteten Gedächtnismittelpunkt zu verschaffen. Anlass für diese präzisen Formulierungen bietet die Ausstellung „,Was für ein Kerl!‘ - Heinrich von Kleist im ,Dritten Reich‘". Ute Müller-Tischler stellt sich der Frage, ob gute Kunst eine Affinität zum Bösen haben und wie der Franzosenfresser und hasserfüllte Propagandist eines schrankenlosen Krieges gegen seine faschistische
Instrumentalisierung geschützt werden kann. Auch Tilman Raabke folgt der Devise „Et lux in tenebris lucet" - Licht ins Dunkel bringen, wenn er, das Motto der sozialdemokratischen Lichtbringerbrigaden auf den Lippen, auf der Suche nach den wilden Theaterhunden, das Labyrinth der peruanischen Theaterlandschaft durchstreift und die Theaterstadt Lima vorstellt. Hier stößt er zwar nicht auf das Göttliche, worüber man in Südamerika ansonsten allenthalben stolpert, aber immerhin auf das Chaos. Also auf jene Ursprungsmacht, die unstete Geister in der Regel zu stimulieren weiß und der Selbstversicherung der Moderne, eine Kraft der Anfänge zu sein, bereitwillig Rückhalt verspricht.
Ganz und gar nicht chaotisch geht es im schauspielfrankfurt zu, das Elisabeth Schweeger wohlgeordnet ihrem Nachfolger am Ende dieser Spielzeit zu übergeben gedenkt. Blütenrein fiele ihre Bilanz aus, hätte nicht der interaktive Zuschauer Gerhard Stadelmaier einen Schauspieler
wegen allzu enthusiastischer Berufsauffassung einfach aus dem Haus gepustet.
Das wäre ihm mit dem schwergewichtigen Thomas Thieme nicht gelungen, möchte man meinen oder hoffen. Doch auch der hat sich an der Kritik vorerst wundgerieben und dreht lieber Filme, wo ihn kein Zuschauer aus dem Fanblock reißen kann, selbst wenn er den Altkanzler Kohl zum Besten gibt. Der hat zwar von Fußball keine Ahnung - „Am Ende zählt nur das, was hinten dabei reinkommt", - war aber immerhin mit Bundestrainer Berti Vogts befreundet. Anja Dürrschmidt glänzt im Gespräch mit Fußballexperte Thomas Thieme mit Fachwissen über das runde Leder.
Die Frankfurter Buchmesse winkt und der Verlag Theater der Zeit freut sich über jeden Leser, der unseren Stand frequentiert.
Die Redaktion
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Gespräch | Seite 8 |
Alles Verdrängte nach außen bringenDer Erfinder des Orgien-Mysterien-Theaters Hermann Nitsch im Gesprächvon Frank M. Raddatz | |
Essay | Seite 12 |
Die Veräußerlichung des HeiligenNotizen zu Theater und Ritualvon Etel Adnan | |
TdZ gratuliert | |
Klinsmann ist nicht Karl MoorIm April wird Schauspieler Thomas Thieme 60. Wo andere über Leistungen und verdienste reden würden, spricht Thieme über Fußball. Ein Gesprächvon Anja Dürrschmidt | Seite 16 |
Staunender Weiser, gewiefter TorDer Versuch einer Annäherung an Thomas Thiemevon Bernd Kauffmann | Seite 18 |
Gespräch | Seite 20 |
Zeit ist UtopieDie letzte Spielzeit von Elisabeth Schweeger als Intendantin des schauspielfrankfurt hat begonnen. Ein gespräch über Theater als Freiraum und die Kunst des Flanierensvon Frank M. Raddatz | |
Kulturpolitik | |
Berlins OpernzukunftDas Spektrum der Möglichkeitenvon Friedrich Dieckmann | Seite 22 |
Der Norden in NotTheaterkonflikte in Rostock und Landespläne für neue Theaterstrukturen bedrohen die Kulturlandschaft Mecklenburg-Vorpommernsvon Hartmut Krug | Seite 24 |
Ausstellung | |
Kleist - der unmögliche MenschBernd Kauffmann zur Eröffnung der Ausstellung"`Was für ein Kerl!`Heinrich von Kleist im `Dritten Reich`" in Neuhardenberg und Frankfurt (Oder)von Bernd Kauffmann | Seite 26 |
"...dass mir auf Erden nicht zu helfen war"Die Kleist-Ausstellung in Neuhardenberg und Frankfurt (Oder)von Ute Müller-Tischler | Seite 29 |
Ausland | Seite 30 |
Die Götter der Kleinen WeltDas peruanische Theater zwischen geschichte und Chaos - ein besuch in der Hauptstadt Limavon Tilman Raabke | |
Auftritt | |
Rasender Stillstand - Thalia Theater: "Leonce und Lena" von Georg BüchnerHamburgvon Gunnar Decker | Seite 42 |
Totentanz der Zivilisationszombies - Das Internationale Sommerfestival 08 auf KampnagelHamburgvon Klaus Witzeling | Seite 44 |
Der Dreck, der Leben heißt - Schauspiel Essen: "Die Orestie" von AischylosEssenvon Vasco Boenisch | Seite 46 |
Mord an einer bigotten Männerwelt - Schlossfestspiele Freiberg: "Ich, Grete Beier, Mörderin" von Katrin LangeFreibergvon Michael Bartsch | Seite 48 |
Brasilianischer Hip-Hop zu Käsefondue - Das 29. Zürcher Theater SpektakelZürich | Seite 49 |
Lesarten | Seite 50 |
Heiner Müller "Hamletmaschine"Begin of gamevon Alexander Karschnia | |
Kolumne | Seite 51 |
Tauchst du noch oder gehst du schon unter?von Ralph Hammerthaler | |
Autorengespräch | Seite 52 |
Von Sinnsuche und VersagenDer Schauspieler, Regisseur und Autor Manfred Karge im Gesprächvon Anna Opel | |
Stück | Seite 53 |
FaustusSpiel zu dritt nach Christopher Marlowevon Manfred Karge | |
Magazin | |
Die Bilder zum Wanken bringen"Reality stikes back II - Tod der Repräsentation"- ein interdisziplinäres Theatersymposium am FFT in Düsseldorfvon Sabine Wirth | Seite 63 |
Vielversprechender ZöglingDer u/hof:,die junge Sparte des Landestheaters Linz, wird zehnvon David Wagner | Seite 64 |
Rein oder raus?Die freie Szene zwischen Institution und Aufbruchvon Sebastian Kirsch | Seite 66 |
Finden oder erfinden?Die freie Szene zwischen Bühnenstücken und Recherchevon Dorte Lena Eilers | Seite 67 |
Der MaskenspielerZum Tod des Theaterwissenschaftlers Rudolf Münzvon Joachim Fiebach | Seite 68 |
Damit die Phantasie nicht am Boden kriechtDas Symposium "Stop Teaching!" Neue Theaterformen mit Kindern und Jugendlichen"von Anna Blume | Seite 69 |
BücherJohannes Schütz. Bühnen 2000 - 2008- Band 1.von Anja Dürrschmidt | Seite 70 |
Linzers Eck | Seite 71 |
Dramaturgen an die Macht oder Wie man der deutschen Gegenwartsdramatik sicher nicht weiterhilftvon Martin Linzer | |
Radiovorschau | Seite 72 |
Hingehörtvon Gerwig Epkes | |
Korrespondenten | Seite 74 |
etc.Aus den Korrespondentenbüros | |
Magazin | Seite 76 |
Meldungen | |
Premierenkalender | Seite 77 |
Oktober 2008 | |
Impressum | Seite 79 |
Impressum | |
Vorschau | Seite 80 |
November 2008 |
Etel Adnan
Michael Bartsch
Anna Blume
Vasco Boenisch
Gunnar Decker
Friedrich Dieckmann
Anja Dürrschmidt
Dorte Lena Eilers
Gerwig Epkes
Joachim Fiebach
Ralph Hammerthaler
Manfred Karge
Alexander Karschnia
Bernd Kauffmann
Sebastian Kirsch
Hartmut Krug
Martin Linzer
Ute Müller-Tischler
Anna Opel
Tilman Raabke
Frank M. Raddatz
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