Heft 12/2011
Milan Peschel
Meister des Dennoch. Schauspieler, Regisseur und Maler
Broschur mit 80 Seiten, Format: 215 x 280 mm
ISSN 0040-5418
Das, was die Musik mit uns macht, ist von einer seltsamen Unmittelbarkeit. Da passiert es, dass ich in der Probe sitze und bei einer Arie plötzlich anfange zu heulen. Warum? Ich weiß es nicht. Das sind so magische Momente, wo man spürt, es gibt etwas, das ist größer als wir." So Andreas Dresen über das Mysterium der Oper in einem Gespräch mit Gunnar Decker über seine „Figaro"-Inszenierung am Schlosstheater Potsdam. Der aufs Autochthone bedachte Regisseur ist der Held oder die Mittelpunktfigur unseres Dezemberheftes. Im Künstlerinsert stellt Ute Müller-Tischler die langjährige Szenenbildnerin des Filmemachers vor: Susanne Hopf. „Mich verbindet mit Dresen der Anspruch auf Authentizität und Wahrhaftigkeit seiner Figuren, also auch deren Umfeld", so Hopf. Zuletzt hat sie mit Dresen das Sterbeprotokoll „Halt auf freier Strecke" fertiggestellt, das gerade in den Kinos angelaufen ist. Hauptdarsteller ist Milan Peschel. Lena Schneider porträtiert den bekennenden Volksbühnler: „Ja", sagt er, „das Castorf-Theater muss exportiert werden, keine Frage! Ich liebe dieses Theater, ich liebe es, so zu spielen und so zu denken! Und ich möchte, dass allen dieses Glück zuteil wird. Denn es ist ein absolutes Glück."
Von Glück mochte Sebastian Kirsch noch nicht sprechen, als er den Neustart des Düsseldorfer Schauspielhauses unter die Lupe nahm. Allen voran Staffan Valdemar Holm. Doch immerhin kann er konstatieren, das neben einem Supermarkt der Ornamente, wie er im Kleinen Haus feilgeboten wird, der neue Chef gemeinsam mit seiner zum Konservatismus neigenden Familienministerin Nora Schlocker „eine spannende Richtung" einschlägt.
„Don't believe the Hype" lautet dagegen das Motto in Heidelberg, wo Holger Schultze und sein Steuermann Jürgen Popig das Ruder übernommen haben. Neben einer umfangreichen Performancereihe stehen „acht Premieren an acht Orten auf dem Programm, kreuz und quer durch die Stadt wird es gehen, vom Theaterkino bis zum Neckarschiff, an drei Tagen in der Woche, fünf Stunden am Tag. Das macht Krach, das schlägt ein", besingt Dorte Lena Eilers die mittlerweile „berühmten schultzeschen Volten".
Damit etwas kommt, muss etwas gehen, weiß nicht nur der Psychoanalytiker. Es geht kein Geringerer als Dieter Buroch, der Pionier der freien Produktionshäuser. Vor 23 Jahren hat er in Frankfurt am Mousonturm begonnen, jene Struktur aufzubauen, die mit den Nullerjahren den kreativsten Output der darstellenden Kunst produzieren sollte. Bevor er 2012 den Haus- schlüssel an Niels Ewerbeck übergibt, befragte ihn Frank Raddatz. Unbedingt zur Lektüre empfohlen werden muss auch Johanna Lemkes Analyse der Dresdner Inszenierung „Das steinerne Brautbrett" des künftigen Kölner Intendanten Stefan Bachmann. Da ist sie wieder, diese deutsche Theatergemütlichkeit, die mit Trauer nicht umzugehen weiß, für die sich Ge- schichte auf Effekte reduziert und die alle Ontologie zur Psychologie schmilzt. Kölle Alaaf - nun auch im zerbombten Dresden.
Friedrich Kittler dagegen konnte es. Er versteht die Sprache des Krieges, auch wenn sie in poetischen Formen dahinstottert wie bei dem Jahrhundertgenie Kleist. Frank Raddatz erinnert an Kittler, der im Oktober verstarb, indem er die zwölfteilige Kleist-Serie von Theater der Zeit mit einem Gespräch aus dem Jahr 2008 schließt. Erörtert wird die Auftragstaktik, die sich als jene militärische Realität erweist, die das Seelenleben des Prinzen von Homburg und anderer kleistscher Kriegerfiguren konstituiert.
Um nicht mit der Seinsmacht des Todes zu enden, gegen die das Theater ja bekanntlich immer wieder anspielt, noch ein Statement, das Gunnar Decker seinem Gegenüber entlockte und das wohl auch Friedrich Kittler gefallen hätte: „Wir wollen immer auf alle Fragen eine Antwort. Aber wir haben keine Kontrolle über den Tod - und auch über die Liebe nicht."
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern frohe Festtage.
Die Redaktion
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Künstlerinsert | Seite 4 |
Filmsets von Susanne Hopfvon Susanne Hopf | |
Thema | |
Gelebte OrteDie Bühnen- und Szenenbildnerin Susanne Hopf über das Glück, auf die Geschichten erhaltener Räume zu stoßen – und neue zu bauenvon Ute Müller-Tischler und Susanne Hopf | Seite 8 |
Die Augen, FragezeichenSo anarchisch kann Ja-Sagen sein: Der Schauspieler, Regisseur und Maler Milan Peschel ist ein Meister des Dennochvon Lena Schneider | Seite 12 |
Wenn einer gehtDer Regisseur Andreas Dresen über sein Sterbeprotokoll „Halt auf freier Strecke“ und Mozarts Opernvon Gunnar Decker | Seite 16 |
Protagonisten | |
Hamlet oder Ödipus?Staffan Valdemar Holm konzentriert sich bei seinem Einstand als Intendant in Düsseldorf auf die bürgerliche Kernfamilievon Sebastian Kirsch | Seite 20 |
Psst!Das Theater Heidelberg plädiert unter seinem neuen Intendanten Holger Schultze im größten Rummel für mehr Ruhe im Betriebvon Dorte Lena Eilers | Seite 23 |
Debatte | Seite 26 |
So was geht nur einmalDieter Buroch, der scheidende Intendant des Mousonturm Frankfurt, über seinen Abschied, unbewegliche Strukturen und seine Theatervisionvon Frank M. Raddatz | |
Aktuelle Inszenierung | Seite 28 |
Der Schleier über der ErinnerungWie Stefan Bachmann es schafft, in der Dresdner Dramatisierung von „Das steinerne Brautbett“ Dresden auszuklammernvon Johanna Lemke | |
Look Out | |
Einziger Fixpunkt im UniversumDie Schauspielerin Annika Schilling zeigt, wie schön Staunen istvon Johanna Lemke | Seite 30 |
Aus den Stimmen klingt der KriegDer serbische Regisseur Miloš Lolić komponiert aus dem Sound des Sprechens Bilder voll Blut und Gewaltvon Christoph Leibold | Seite 31 |
serie | Seite 32 |
Kleist – der Dramatiker der AuftragstaktikEin Gesprächvon Frank M. Raddatz und Friedrich Kittler | |
Kolumne | Seite 35 |
Schlips und StiefelWie das obszöne Wechselspiel die Stadt Dresden beschädigtvon Ralph Hammerthaler | |
Auftritt | |
Aarau: Vorbei am Wäldli mit Bänkli und ÄnneliTheater Tuchlaube: „Kapelle Eidg. Moos“ (UA) von Ruedi Häusermann, Jan Ratschko und Herwig Ursin. Regie Ruedi Häusermann, Bühne Ruedi Häusermann, Jan Ratschko und Herwig Ursin, Kostüme Barbara Maiervon Simone von Büren | Seite 36 |
Berlin: Die Blassen und die VerhuschtenBerliner Ensemble: „Der Kirschgarten“ von Anton Tschechow. Regie Thomas Langhoff, Bühne Katrin Kersten, Kostüme Wicke Naujoksvon Gunnar Decker | Seite 37 |
Berlin: Der Krieg, ein bunter BlumenstraußHebbel am Ufer: „Herrmann’s Battle“ (UA) von Rimini Protokoll. Regie Helgard Haug und Daniel Wetzel, Bühne Folke Köbberling und Martin Kaltwasservon Sebastian Kirsch | Seite 38 |
Braunschweig: Das Geld ist aus, Zigaretten holenStaatstheater.: „Der starke Stamm“ von Marieluise Fleißer. Regie Julia Hölscher, Ausstattung Susanne Scheerervon Patrick Wildermann | Seite 39 |
Staatstheater: „Goldherz“ (UA) von Nora Mansmann und Mareike Mikat Regie Mareike Mikat, Ausstattung Meentje Nielsenvon Patrick Wildermann | Seite 39 |
Konstanz: Das Ende der ErzählungTheater Konstanz: „Herz der Finsternis“ (UA) von Thomas Spieckermann nach Joseph Conrad. Regie und Ausstattung Andrej Woronvon Bodo Blitz | Seite 41 |
Lübeck: Männer sind nur als Frauen starkTheater Lübeck: „Alles über meine Mutter“ von Samuel Adamson nach dem Film von Pedro Almodóvar. Regie Pit Holzwarth, Ausstattung Werner Brennervon Klaus Witzeling | |
Kommentar | Seite 43 |
Stochern im NebelNach der nur knapp abgewendeten Insolvenz des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin drängt die längst überfällige Strukturdebattevon Gunnar Decker | |
Stück | |
Die Geschichte einer EnttäuschungDer Autor Dirk Laucke im Gesprächvon Dorte Lena Eilers und Dirk Laucke | Seite 44 |
Angst und Abscheu in der BRDvon Dirk Laucke | Seite 45 |
Magazin | |
In eigener SacheBuchpräsentation Scène 14 im Deutschen Theater Berlin | Seite 59 |
Von der Lust eine Bombe zu entschärfenZum ersten Mal trifft sich in Hannover die freie Szene Niedersachsens zum Festival Best OFFvon Benjamin Wihstutz | Seite 60 |
Wer hat Angst vor Joseph Haydn?Der steirische herbst überrascht in diesem Jahr mit unspektakulären Inszenierungen voll stiller Schönheitvon Hermann Götz | Seite 62 |
Die Wildnis wagenDie 9. Theatertage der Länder Sachsen-Anhalt und Brandenburg rücken das Kinder- und Jugendtheater in den Mittelpunktvon Amelie Mallmann | Seite 66 |
Das Entsetzen bändigenDas Festival Konfrontacje Teatralne im ostpolnischen Lublinvon Mehdi Moradpour | Seite 67 |
Abschied zur Zeit der TraubenZum Tod des Bühnenanarchisten Heinz Bennentvon Kerstin Decker | Seite 68 |
Kollege CourageEin Nachruf auf den Theaterund Opernkritiker Dieter Kranzvon Martin Linzer | Seite 68 |
Hartnäckiger OptimistEin Nachruf auf den Schauspieler Otto Tausigvon Gunnar Decker | Seite 69 |
Der ZerrisseneZum Tod des Schauspielers Klaus-Peter Thielevon Ralf Schenk | Seite 69 |
Bücher | Seite 70 |
Josef Bierbichler: "Mittelreich"von Peter Brombacher | Seite 70 |
Hajo Kurzenberger (Hg.): "Jossi Wieler – Theater"von Christoph Leibold | Seite 70 |
Kirschs KontexteImmer Ärger um den Demos oder Von Sophokles zu Hitchcockvon Sebastian Kirsch | Seite 71 |
Linzers EckRumstehen auf dem Riesendollar - Kuttners Kapitalismuskritik am DT: Schocktherapie? Oder doch nur homöopathisches Theater?von Martin Linzer | Seite 73 |
Aktuell | |
Aus den Korrespondentenbüros | Seite 74 |
Hamburg: Thalia Theater lässt über Spielplan abstimmenvon Klaus Witzeling | Seite 74 |
Halberstadt/Quedlinburg: Nordharzer Städtebundtheater bangt um seine Existenzvon Andreas Hillger | Seite 74 |
Meldungen | Seite 75 |
Radiovorschau - hingehörtvon Gerwig Epkes | Seite 76 |
Premieren Dezember 2011 | Seite 77 |
Autoren, Impressum, Vorschau | Seite 79 |
Was macht das Theater? | Seite 80 |
Inge Keller Im Gesprächvon Gunnar Decker und Inge Keller |
Bodo Blitz
Peter Brombacher
Gunnar Decker
Kerstin Decker
Dorte Lena Eilers
Gerwig Epkes
Hermann Götz
Ralph Hammerthaler
Andreas Hillger
Susanne Hopf
Inge Keller
Sebastian Kirsch
Friedrich Kittler
Dirk Laucke
Christoph Leibold
Johanna Lemke
Martin Linzer
Amelie Mallmann
Mehdi Moradpour
Ute Müller-Tischler
Frank M. Raddatz
Ralf Schenk
Lena Schneider
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