Recherchen 16
Brecht plus minus Film
Brecht-Tage 2003
Herausgegeben von Thomas Martin und Erdmut Wizisla
Paperback mit 160 Seiten, Format: 140 x 240 mm
ISBN 3934344259
Dieses Buch ist leider vergriffen
Mit DVD!
Wer von Brecht redet, redet nicht unbedingt von Film. Und es scheint den Kinogängern unserer Gegenwart kaum möglich, einen Begriff zu prägen zwischen seinem Namen und den ungezählten des Kinos, des Fernsehens erst recht. Da bleibt vor allem anderen ein Fragezeichen. Eine offene Rechnung, eine Ungleichung, die zur Lösung zu bringen nicht ist. Das lässt auf Nachwirkung hoffen.
"die erkenntnis kann an einem andern ort gebraucht werden als wo sie gefunden wurde" Brecht FATZER
»Sie brauchen nicht zu bezweifeln,
dass der Film zeitgemäß ist!«*
Wer von Brecht redet, redet nicht unbedingt von Film. Und wenn die Rede kommt auf Brecht und Film, kommt sie selten über Hangmen Also Die hinaus, falls sie nicht an Kuhle Wampe hängen bleibt, und aller Rest ist Fotografie. Hier scheint Fachwissen nötig, um von Zusammenhang reden zu können. Und es scheint den Kinogängern unserer Gegenwart, sofern sie Brecht identifizieren - »Großer Deutscher«, »Mackie Messer«, »Kommunist« und »Was bleibt, ist die Lyrik ...« -, kaum möglich, einen Begriff zu prägen zwischen seinem Namen und den ungezählten des Kinos, des Fernsehens erst recht. Da bleibt vor allem anderen ein Fragezeichen. Eine offene Rechnung, eine Ungleichung, die zur Lösung zu bringen nicht ist. Das lässt auf Nachwirkung hoffen. Brecht ist zum Film nicht wirklich gekommen, meint der Filmkritiker Seeßlen. Wir können Brecht dorthin nicht bringen, aber den Film vielleicht zu ihm.
Fachwissen ist abseits vom Hauptstrom zu haben, vom Mainstream, der neben dem Ausfluss seiner kommerziellen Produkte auch ein Fluss des Vergessens ist, auf dem die Geschwader der Unterhaltungsindustrie die Fahrrinne blockieren. Für das Abseitige des Kinos stehen auch die filmischen Unternehmungen Brechts, denen kein kommerzieller Erfolg beschieden war, von denen keine breite Wirkung ausging, sieht man von Nebenwirkungen ab. Fassbinder zum Beispiel und Kluge, Godard, Straub und Huillet, Farocki, Watkins; dann die Nachgeborenen der Nachgeborenen, Vincent und die Compagnie »Scènes«, die Heiner Müllers Arbeit nach Brecht zu Filmen machen. Erfolg haben, sagt Müller, ist das eine, das andere ist Folgen haben. Zu den Wirkungen der Nebenwirkungen gehören neben der Erfolglosigkeit die unberechenbaren Folgen. Eine andere ist die Schwierigkeit der Produktion, zu deren Voraussetzungen das Kapital gehört, das von den Filmmachern, die oft ihre eigenen Autoren, Produzenten, Kameramänner sind, aufzubringen ist mit einer Arbeit, deren Kompromissgehalt jedem professionell Prostituierten beim Film, auf dem Strich, auf der Regierungsbank, im Vorstand eines Aufsichtsrats oder sonst wo die Schamröte ins Gesicht triebe. Ohne Subventionen geht es nicht, nicht besser jedenfalls; auch dieses Buch, auch der Film auf seinem Datenträger darin ist finanziert mit Subventionen. Harun Farockis Standortbestimmung des Fernsehens - »Organisiert wird die industrielle Massenvernichtung der Lebenszeit.« - beschreibt die gesellschaftliche Grundlage, auf der Subventionen bereitgestellt werden können für den Rest der Lebenszeit, den eine schrumpfende Minderheit mit der Herstellung bzw. Betrachtung von Bildern und Texten verbringt, wie sie hier vorliegen.
Thomas Martin, Erdmut Wizisla im Februar 2004
* Bertolt Brecht: [Durch Fotografie keine Einsicht], um 1930. In: Ders.: Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe. Hg. v. Werner Hecht, Jan Knopf, Werner Mittenzwei, Klaus-Detlef Müller. Bd. 21: Schriften 1. Berlin u. Frankfurt a. M. 1992, S. 443. Brechts Werke werden in den hier versammelten Beiträgen ausschließlich aus der angegebenen Ausgabe, und zwar wie folgt zitiert: Sigle [GBA] plus Band plus Seitenzahl.
Kapitel | Seite |
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Kapitel | Seite |
Brecht & Film: Vorläufiges Denkspielvon Georg Seeßlen | Seite 8 |
"Das hätte nur Brecht schreiben können"Zur Entstehung und Verfilmung von "Hangmen Also Die"von James K. Lyon | Seite 26 |
Widerstand in WidersprüchenBertolt Brecht und Fritz Lang im Streit um Hangmen Also Dievon Irène Bonnaud | Seite 38 |
Es gab für mich nur einen Gott, und das war Brechtvon Volker Schlöndorff | Seite 48 |
Zum Stehen zu kommen, musst du tief genug sinkenFatzer gelesen, 1993von Thomas Martin | Seite 52 |
Fatzer zum BeispielGespräch mit Philippe Vincentvon Wolfgang Engler, Lothar Schwab und Thomas Martin | Seite 60 |
Der Apfel, die Zitrone und der Heldvon Louis Séguin und Jean-Marie Straub | Seite 84 |
Die Etage: Brecht/Theater/FotografieFilmentwurfvon Peter Voigt | Seite 86 |
Zukunft Fotografierenvon Thomas Martin | Seite 100 |
Erkennen und Verfolgenvon Harun Farocki | Seite 102 |
Quereinfluss/Weiche Montagevon Harun Farocki | Seite 116 |
Stilleben mit Todeslautenvon Thomas Knauf | Seite 122 |
Körper. Zwei Balladen vom Körpervon Urs Jaeggi | Seite 130 |
Brecht und die audiovisuellen Medienvon Peter Watkins | Seite 140 |
Die MedienkriseEinleitung zu Peter Watkins’ öffentlicher Erklärungvon Peter Watkins | Seite 150 |
Über Mauservon Philippe Vincent | Seite 156 |
Autoren | Seite 159 |
Zu den HerausgeberInnen
Thomas Martin
Erdmut Wizisla
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