Chancen der Internationalität
Zur Theaterarbeit von Manfred Beilharz
Herausgegeben von Irma Dohn und Harald Müller
Paperback mit 160 Seiten, Format: 230 x 270 mm
ISBN 978-3-943881-92-9
Zum Sommer 2014 verlässt Manfred Beilharz, Regisseur und Intendant sowie Künstlerischer Leiter der Theaterbiennale „Neue Stücke aus Europa“ und der „Internationalen Maifestspiele“, nach zwölf Jahren das Staatstheater Wiesbaden – Anlass und Gelegenheit, zurückzublicken auf fünfzig Jahre seines Wirkens, in denen er die künstlerische Entwicklung der deutschen Theaterlandschaft und insbesondere ihre internationale Öffnung wesentlich mitgeprägt hat.
Als regieführender Intendant in Oper und Schauspiel in Tübingen, Freiburg, Kassel, Bonn und Wiesbaden hat er über 65 Stücke inszeniert. Zu seinen internationalen Regiearbeiten gehören u. a. 2005 (und 2012) seine „Wozzeck“-Inszenierung von Alban Berg als israelische Erstaufführung an der Oper Tel Aviv sowie die französische Erstaufführung von „Frühlings Erwachen“ von Frank Wedekind an der Comédie de Saint- Etienne. Das Buch nähert sich in Bildern, Beiträgen und Gesprächen einer Theaterpersönlichkeit an, die – als Präsident des Internationalen Theaterinstituts (ITI – Berlin) bestens international profiliert und vernetzt – Theatergeschichte geschrieben hat. Im Anhang gibt es eine ausführliche Chronik der Theater-Biennalen von 1992 bis 2014, der Gastspiele der „Internationalen Maifestspiele“ sowie der wichtigsten internationalen Inszenierungen.
Im Sommer 2014 verlässt Intendant und Regisseur Manfred Beilharz nach zwölf Jahren das Staatstheater Wiesbaden. Anlass und Gelegenheit, zurückzublicken auf 50 Jahre seines Schaffens, das die künstlerische Entwicklung der deutschen Theaterlandschaft wesentlich mitgeprägt hat.
Wieviel Internationalität lässt das deutsche Theatersystem zu? Wo liegen die Grenzen? Oder weiter gefasst: Liegt nicht gerade in der Internationalität eine Chance für ästhetische Innovationen? Dieses Spannungsfeld auszuloten hat Manfred Beilharz als Intendant, Festivalmacher und ITI-Präsident zeitlebens leidenschaftlich beschäftigt, und so liegt es nahe, seine Arbeit unter diesem Aspekt zu beleuchten. Zumal diese Fragen in der gegenwärtigen Diskussion um die internationale Öffnung des deutschen Stadttheatersystems zunehmend an Aktualität gewinnen.
Manfred Beilharz ist ein lokalpatriotischer Kosmopolit. Seine Arbeit war immer geprägt von der Ambivalenz zwischen Verortung („Theater für die Region“) und Öffnung. Schon in den siebziger Jahren band er die internationale freie Theaterszene in sein Freiburger Theater ein und beförderte mit dem Einzug des Körperbetonten, Zirzensischen und Non-Verbalen in den Stadttheateralltag den ästhetischen Diskurs jener Jahre.
Manfred Beilharz hat ein seismografisches Gespür für Veränderungen in der Gesellschaft und im Theater. Als er 1992, im Europa-Jahr, Intendant in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn war, stand es für ihn auf der Tagesordnung, das Projekt Europa kritisch zu hinterfragen – fast visionär angesichts heutiger Krisen und Verwerfungen. Und so war es eine wegweisende Idee, gemeinsam mit dem Dramatiker und Büchner-Preisträger Tankred Dorst ein internationales Autorenfestival zu gründen, die Bonner Biennale Neue Stücke aus Europa, die – inzwischen als Theaterbiennale in Wiesbaden fortgesetzt – vom 19. bis zum 29. Juni 2014 zum zwölften und letzten Mal stattfindet.
Manfred Beilharz ist ein wegweisender Theaterleiter, der dramaturgisch denkt, seinen Regisseuren Spielräume eröffnet, Schauspieltalente entdeckt und integrativ auf sein Ensemble und seine Mitarbeiter wirkt. Dreimal wurde das Schauspiel Bonn in seinen elf Jahren zum Berliner Theatertreffen eingeladen – Einladungen, die seine Arbeit als Intendant aufs Schönste bestätigten.
Der vorliegende Band versteht sich als Arbeitsbuch, das – zweisprachig konzipiert – anhand seiner Theaterbiografie ein Stück internationaler Theaterarbeit reflektiert. Auch wenn Würdigungen und Elogen naturgemäß dazu gehören. Für mich ist es aber auch ein Erinnerungsbuch. Ich lernte Manfred Beilharz 1982 in seiner Vorbereitungszeit als Intendant am Staatstheater Kassel kennen. Wir hatten mit einem jungen Ensemble am dortigen Theater ein Heiner-Müller-Projekt (Philoktet) entwickelt, das er grauenhaft fand. Nach einer hitzigen Auseinandersetzung engagierte er mich für sein neues Kasseler Team und seitdem habe ich – mit einigen Unterbrechungen – seine Theaterarbeit kontinuierlich als Dramaturgin begleitet. Später hat er seine Haltung zu Müller neu überdacht – ich konnte ein Ensembleprojekt zu Heiner Müllers Schlacht realisieren und wir spielten Müllers Herzstück auf den Basaltsteinen von Beuys vor dem Kasseler Fridericianum. Aber zu seinen Lieblingsautoren zählte Heiner Müller nie.
Die Arbeit an diesem Buch ist für mich auch ein Dankeschön an Manfred Beilharz für unsere langjährige Zusammenarbeit. Danken möchte ich aber auch den Autorinnen und Autoren für ihre wunderbaren Beiträge, die, ob in anekdotischer, analytischer oder persönlicher Form, das Buch entscheidend bereichert haben. Auch den einzelnen Theaterfotografen, die mit ihrer Kamera die vergänglichen Momente des Theaters aufbewahrt haben. Einen besonderen Dank aber an die Wiesbadener Dramaturgie-Sekretärin Kathrin Büschel für ihre unermüdliche Zuarbeit.
Irma Dohn, Herausgeberin
In the summer of 2014, Manfred Beilharz will be leaving the Staats - theater Wiesbaden after 12 years as its artistic director. This is the ideal occasion and opportunity to look back at 50 years of his creative work, which had a considerable influence on the artistic development of Germany’s theatre landscape.
How much internationality is the German theatre willing to allow? Where are the boundaries of this? Or to put it in broader terms: is it not internationality in particular that provides the opportunity for aesthetic innovations? Sounding out this field of tension is something in which Manfred Beilharz has been passionately involved throughout his lifetime as artistic director, festival manager and President of the ITI and it is therefore only natural to shed light on his work under this aspect. This throws up questions that are gaining in importance within the contemporary debate surrounding the international opening up of Germany’s municipal theatres.
Manfred Beilharz is a cosmopolitan with a keenly felt local patriotism. His work has always been characterized by the ambivalence between localizing (“Theatre for the Region”) and opening the theatre. In the early seventies, he invited the independent international theatre scene into his theatre. This meant the introduction of physical, circus-like and non-verbal elements into everyday theatre, and it also had a decisive influence on the most important aesthetic discourse of that era.
Manfred Beilharz has a seismographic sensibility for changes in society and in theatre. When, in the European Year 1992, he became artistic director in the then German capital Bonn, it was part of his agenda to criticize the project “Europe” – almost visionary when we consider today’s crises and conflicts. And so we see that setting up an international authors’ festival together with the dramatist Tankred Dorst – namely the Bonn Biennale New Plays from Europe – was a ground-breaking act. The festival has now become the Theatre Biennale in Wiesbaden – taking place from 19 to 29 June 2014 for the twelfth and last time.
Manfred Beilharz is a predestined theatre director. He opens up artistic spaces for his directors, discovers new talents and integrates his team in his work. Under his eleven years’ direction in Bonn, the Schauspiel Bonn was invited to the prestigious Berliner Theatertreffen three times – invitations which confirmed his work. While praise and acknowlegement are a natural part of a farewell book, this edition is seen specifically as a working book that, thanks to its theatrical biography and its bilingual structure, reflects a piece of international theatre work.
For me it is also a book of memories. I first met Manfred Beilharz in 1982 when he prepared his artistic direction at the Staatstheater Kassel. Together with a young team, we had developed a Heiner Müller project (Philoktet) for the foyer of Kassel’s Staatstheater, a production which he found dreadful. After a heated discussion about this performance, he asked me to join his team and since then – with interruptions – I have accompanied him continuously as a dramaturg. Later, he reconsidered his opinion of Müller when I directed a project with the ensemble to Heiner Müller’s Schlacht and at documenta 8, where we performed Müller’s Herzstück on Beuys’ basalt stones before Kassel’s Fridericianum. Nevertheless, Müller was never destined to become his favourite writer.
Working on this book is also a thank-you to Manfred Beilharz for our long-standing collaboration. However, I would like to thank above all the authors who have made some wonderful contributions towards the success of this book, whether in the form of anecdotes, analytical texts or personal comments. My thanks also go out to the individual theatre photographers who have captured the fleeting moments of theatre with their camera lenses. And my special thanks go to Wiesbaden’s theatrical secretary Kathrin Büschel for her untiring work.
Irma Dohn, editor
Aus dem Deutschen von Lindsay-Jane Munro.
Kapitel | Seite |
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Kapitel | Seite |
Danksagung | Acknowledgementvon Manfred Beilharz | Seite 7 |
Vorwort | Forewordvon Irma Dohn | Seite 8 |
Annäherungen | |
Zwei-Minuten-StückEin Biennale-Pate über die Absurdität des Unterfangens, als Grenzgänger in Europa eine Identität zu findenvon György Spiró | Seite 12 |
Two-minute-playA Biennale godfather on the absurdity of crossing and recrossing the borders of Europe in order to find an identityvon György Spiró | Seite 13 |
Tankred Dorst hat mir diesen Brief geschriebenAn einen Freund und Weggefährtenvon Tankred Dorst | Seite 14 |
Fruchtbares ChaosWie am Theater Freiburg der Aufstand geprobt wurdevon Ulrich Khuon | Seite 16 |
Der fremde Blick auf das EigeneMatthias Lilienthal und Manfred Beilharz über den gemeinsamen Anspruch, das deutsche Stadttheater zu internationalisieren – und ihre unterschiedlichen Wege dahin. Ein Gespräch mit Irma Dohnvon Matthias Lilienthal, Manfred Beilharz und Irma Dohn | Seite 18 |
Welten sammeln | |
Entschleunigt kommunikativ, vorbehaltlos neugierigWarum man Manfred Beilharz nicht im Netz trifftvon Thomas Engel | Seite 24 |
Nicht global, sondern transnationalManfred Beilharz über weltweite Vernetzungen und seine Rolle als Präsident des ITI. Ein Gespräch mit Michael Freundtvon Michael Freundt und Manfred Beilharz | Seite 26 |
Man-fr(i)e(n)dGreetings from Moscowvon Alfira Arslanova | Seite 28 |
Menschliche SchatzkammerEin Gruß aus Ouagadougouvon Hamadou Mandé | Seite 29 |
Festivals machen | |
Die Theaterbiennale in Wiesbaden und Bonn 1992 – 2014 | Seite 32 |
Eine Brücke, die man von Weitem siehtDie Theaterbiennale: Eine Plattform für neue Stücke aus allen Winkeln Europasvon Jürgen Berger | Seite 46 |
What is a Play?How the Theater-Biennale Wiesbaden influences the language of world theatrevon Alvis Hermanis | Seite 47 |
Manfred und der ungläubige ThomasEin zweifelnder Pate wird bekehrtvon Petros Markaris | Seite 48 |
Sharing Stories about our WorldOne of the Theatre-Biennale’s godmothers on the importance of bringing people togethervon Gianina Cǎrbunariu | Seite 49 |
Great work, hard workHow to stage a Turkish play in Wiesbaden without knowing any Germanvon Yeşim Özsoy Gülan | Seite 50 |
Identität der VielfaltYvonne Büdenhölzer über das babylonische Sprachgewirr der Theater biennale, die verschiedenen Theatertraditionen Europas – und Barbecues im Schnee. Ein Gespräch mit Irma Dohnvon Yvonne Büdenhölzer und Irma Dohn | Seite 51 |
Internationale Maifestspiele Wiebaden 2003 – 2014 | Seite 54 |
Weg vom TellerrandZur künstlerischen Selbstbehauptung der Sparte Tanz am Staatstheater und bei den Internationalen Maifestspielen in Wiesbadenvon Silvia Staude | Seite 62 |
Alte Tradition mit neuen ästhetischen SichtweisenZum Schauspielprogramm der Internationalen Maifestspiele Wiesbadenvon Viola Bolduan | Seite 63 |
Aus Riga, Cape Town und ChongqingHöhepunkte des Musiktheaters bei den Internationalen Maifestspielenvon Hans-Christian Bremme | Seite 64 |
Spielräume – Festival und Symposion zur documenta 8 Kassel 1997 | Seite 66 |
Was davon bleibtDas Festival Spielräume am Staatstheater Kassel 1987von Rainer Mennicken | Seite 70 |
Der Russe kommtDas Festival Theater im Aufbruch am Staatstheater Kassel holte das sowjetische Theater 1990 vor den Eisernen Vorhangvon Hermann Wündrich | Seite 74 |
Die Stadt tanztDas Freiburger Theaterfestival in den Jahren 1976 bis 1983von Ruth Fühner | Seite 77 |
Theater leiten | |
Staatstheater Wiesbaden 2002 – 2014 | Seite 82 |
Poesie und RealismusDas Musiktheater des Intendanten und Regisseurs Manfred Beilharzvon Bodo Busse | Seite 100 |
Zwischen Anarcho-Boulevard und bürgerlichem KammerspielDas Wiesbadener Schauspiel im Spannungsfeld von Spielbank, Kurpark und multikulturellem Westendvon Matthias Bischoff | Seite 103 |
Präsident der SpielwütigenEin Wiesbadener Theaterliebhaber bedankt sichvon Wolfgang Bergmann | Seite 105 |
Schauspiel Bonn (1994 – 1997) und Generalintendanz Bonn (1997 – 2002) | Seite 106 |
Von Shakespeares Verona bis zu Prousts ParisElf Jahre Schauspiel Bonn im Rückblickvon Rainer Hartmann | Seite 118 |
Ein GlücksfallDas Theater Bonn beim Berliner Theatertreffen 1999: Valentin Jekers Inszenierung von Rose Berndvon Peter Iden | Seite 121 |
Hold the HorsesEin Brief an Manfred Beilharzvon Johanna Wokalek | Seite 122 |
Jahrhundert-MenetekelDas Theater Bonn beim Berliner Theatertreffen 1996: David Mouchtar-Samorais Inszenierung Der große Knallvon Andres Müry | Seite 123 |
Die Schottin und der SchwabeEine Schauspielerin erinnert sich an ihren Intendantenvon Jacqueline Macaulay | Seite 124 |
Einer der Flügel verleihtEin Regisseur erinnert sich an seinen Intendantenvon | Seite 125 |
Mut und DemutÜber die Bonner Oper: bonn(e) chance!von Ulrich Bumann | Seite 126 |
Staatstheater Kassel 1983 – 1991 | Seite 128 |
Eine GlanzzeitDas Kasseler Musiktheater unter der Intendanz von Manfred Beilharzvon Hans-Joachim Schäfer | Seite 132 |
Abschied von einer ÄraWie der Stadt Kassel ihr Theater zurückgewonnen wurdevon Lothar Orzechowski | Seite 135 |
Theater Freiburg 1976 – 1983 | Seite 136 |
Schöne ZeitenSieben Jahre Freiburger Schauspielvon Gerhard Jörder | Seite 138 |
Der ErmöglicherZur Oper in den Freiburger Intendantenjahrenvon Heinz W. Koch | Seite 140 |
Landestheater Tübingen 1970 – 1975 | Seite 141 |
So wie dieWie sich das Landestheater Tübingen Modellcharakter erspieltevon Christoph Müller | Seite 143 |
Regie führen | |
Regiearbeiten von Manfred Beilharz | Seite 148 |
Gina, Elisabeth, Marianne und die anderenFrauenfiguren in den Wiesbadener Inszenierungen von Manfred Beilharzvon Dagmar Borrmann | Seite 156 |
Wir begegnen uns auf AugenhöheDer Schauspieler Rainer Kühn über seine Zusammenarbeit mit dem Regisseur Manfred Beilharz im Gespräch mit Irma Dohnvon Irma Dohn und Rainer Kühn | Seite 157 |
Music Theatre at its very bestManfred Beilharz’ Wozzeck in Tel Avivvon Michael Ajzenstadt | Seite 158 |
Anhang | |
Autorinnen und Autoren | Seite 160 |
Biografie Manfred Beilharz | Seite 161 |
Inszenierungen von Manfred Beilharz am Hessischen Staatstheater Wiesbaden | Seite 162 |
Ur- und Erstaufführungen am Hessischen Staatstheater Wiesbaden | Seite 162 |
Ur- und deutschsprachige Erstaufführungen am Schauspiel Bonn | Seite 163 |
Chronik der Theaterbiennale Neue Stücke aus Europa | Seite 164 |
Paten der Theaterbiennale | Seite 171 |
Chronik der Internationalen Maifestspiele – Oper | Seite 172 |
Chronik der Internationalen Maifestspiele – Tanz | Seite 173 |
Chronik der Internationalen Maifestspiele – Schauspiel | Seite 174 |
„Dass Beilharz viele Jahrzehnte Brückenbauer gewesen ist, daran erinnern Weggefährten in der Festschrift "Chancen der Internationalität" zu seinem Abschied. "Ich habe immer versucht, das mir vertraute Theater mit Stücken von außerhalb zu konfrontieren, in Frage zu stellen, zu bereichern. Am besten in geballter Form, als Festival", sagt Beilharz.“Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
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