Asyl als Übergang

Transiträume in der griechischen Tragödie

von

 1 Zeitlin, Froma: „The Politics of Eros in the Danaid Trilogy of Aeschylus“, in: Hexter, Ralph/Selden, Daniel (Hrsg.): Innovations of Antiquity, New York/London 1992, S. 203 – 252, S. 210: „When the Danaids emerge from their sheltering ship (134 f.) at the edge of the sea (31), in the liminal space between sea and city, they cling to the altar as the testimony of their identity – their genealogical link to Zeus. But as soon as they enter upon the ritual of supplication, they have entered into the world of politics, for the god and his altar are only the intermediary in the transaction between suppliant and polis.“ Zum Ineinandergreifen und zum Konflikt von religiöser und politischer Ordnung in der antiken Hikesie bzw. Asylie vgl. aus archäologischer Perspektive Sinn, Ulrich: „Greek Sanctuaries as Places of Refuge“, in: Marinatos, Nanno/Hägg, Robin (Hrsg.): Greek Sanctuaries. New Approaches, London/New York 1993, S. 88 – 109, insb. S. 91 – 94 sowie aus epigraphischer Sicht: Chaniotis, Angelos: „Conflicting Authorities. Asylia between Secular and Divine Law in the Classical and Hellenistic Period“, in: Kernos 9 (1996), S. 65 – 86.
Besonders vehement argumentiert Naiden gegen eine rein ritualistische Auffassung der Hikesie und plädiert für ein „overlap between supplication and the law“. Sein Fazit: „In any act of supplication, the act of judgment is quasilegal“: Naiden, Fred S.: Ancient Supplication, Oxford 2006, S. 17.
2 Die Abbildungen zeigen eindrücklich, wie groß der weitere, hier von einer Mauer umgebene Tempelbezirk (weiß markiert) gegenüber dem eigentlichen Heiligtum sein konnte. Dieser Bezirk konnte etwa größeren Gruppen von Zufluchtsuchenden oder Fremden (z. B. Gesandten oder Athleten, die zu Götterfesten anreisten) als Aufenthaltsort dienen. Beide Abb. aus: Sinn: „Greek Sanctuaries“, Abb. 5.9 und 5.10, S. 104 f. Zur Sakralität der Tempelzone(n) vgl. unten bei Anm. 5 sowie Gödde, Susanne: Das Drama der Hikesie. Ritual und Rhetorik in Aischylos’ Hiketiden, Münster 2000, S. 27 f., insb. Anm. 74. Eine eindrucksvolle Liste von Personengruppen, die in einem antiken Heiligtum Asylie beantragen konnten, bietet Garland, Robert: Wandering Greeks. The Ancient Diaspora from the Age of Homer to the Death of Alexander the Great, Princeton/Oxford 2014, S. 116 (im Kapitel: 7 „The Asylum-Seeker“).
3 Vgl. Vickers, Brian: Towards Greek Tragedy. Drama, Myth, Society, London 1973, S. 453: „All the Greek tragedies dealing with the suppliant present that situation as uncertain, fragile, full of pain and suffering.“
4 Zu dieser Problematik vgl. insbesondere Chaniotis: „Conflicting Authorities“ und Garland: Wandering Greeks, S. 116. Naiden: Supplication, insb. S. 16 und im Kapitel 3 (S. 105 – 169) listet hingegen Fälle der Zurückweisung von Schutzflehenden auf. Vgl. zum fraglichen Recht Schuldiger auf Asyl (und zur Definition von Schuld) auch den Beitrag von Winfried Schmitz im vorliegenden Band.
5 Zur Terminologie des Heiligen in der griechischen Antike vgl. etwa Vernant, Jean Pierre: „Das Reine und das Unreine“, in: ders., Mythos und Gesellschaft im alten Griechenland, Frankfurt a. M. 1987, S. 113 – 131 (frz. Original 1953 f.; wieder abgedruckt in: Vernant, Jean-Pierre: Mythe et société en Grèce ancienne, Paris 1974, S. 121 – 140); Parker, Robert: Miasma. Pollution and Purification in Early Greek Religion, Oxford 1983, S. 1 – 17 und Appendix 1, S. 328 – 331; Bremmer, Jan: „‚Religion‘, ‚Ritual‘ and the Opposition ‚Sacred vs. Profane‘: Notes towards a Terminological ‚Genea logy‘“, in: Graf, Fritz (Hrsg): Ansichten griechischer Rituale, Geburtstags-Symposium für Walter Burkert, Castelen bei Basel, 15. bis 18. März 1996, Stuttgart/Leipzig 1998, S. 9 – 32, insb. S. 24 – 31; Gödde: Hikesie, S. 30 f., Anm. 85.
6 Dass der Erfolg kein Automatismus war, betont Naiden, Supplication. Zur Abgrenzung bzw. zum Ineinandergreifen von sakralem und profanem Recht vgl. auch Traulsen, Christian: Das sakrale Asyl in der Alten Welt. Zur Schutzfunktion des Heiligen von König Salomo bis zum Codex Theodosianus, Tübingen 2004, S. 180 – 185. Hinsichtlich der tatsächlichen historischen Praxis bleibt freilich zu berücksichtigen, dass literarische Texte das Ritual durchaus auch zur Inszenierung und Verstärkung von Konflikten einsetzen und die Dynamik des Sakralen möglicherweise überpointieren.
7 Pausanias 7,25,1.
8 Besonders einschlägig: Euripides: Ion 1314 ff. und Tacitus: Annalen 3,60,1.
9 Dazu mit weiterer Literatur Gödde: Hikesie, S. 33 f. mit Anm. 94. Allerdings gehen der Aufnahme eines Blutschuldigen in einigen Darstellungen durchaus bestimmte Reinigungszeremonien voraus, besonders prominent in der Geschichte des Orest, wie Aischylos sie in den Eumeniden dramatisiert. Vgl. auch die in Anm. 1 und 6 genannte Literatur.
10 Zum gesamten Ablauf und allen Spielarten vgl. Gould, John: „Hiketeia“, in: Journal of Hellenic Studies 93 (1973), S. 74 – 103. Kritik am ritualistischen Zugang von Gould, der die quasilegale Seite der Hikesie ignoriere, bei Naiden, Supplication, S. 8 – 18.
11 Diese Zweiteilung ist in der Forschung umstritten bzw. wird dadurch irritiert, dass Hikesie häufig vorschnell mit Asyl gleichgesetzt wird. Vgl. dazu den Beitrag von Winfried Schmitz in diesem Band sowie Dreher, Martin: „Hikesie und Asyl in den Hiketiden des Aischylos“, in: ders. (Hrsg.): Das antike Asyl. Kultische Grundlagen, rechtliche Ausgestaltung und politische Funktion, Köln/Weimar/Wien 2003, S. 58 – 84. Naiden, Supplication, S. 6 f. et passim teilt das Ritual in 4 Schritte: 1) die Annäherung, 2) die Gesten, 3) die Argumente, 4) die Antwort des supplicandus („yes or no“).
12 Goldhill, Simon: The Poet’s Voice. Essays on Poetics and Greek Literature, Cambridge 1991, S. 73: „contact opens the possibility of contract“.
13 Vickers: Tragedy, S. 441 f.
14 Jelinek, Elfriede: Die Schutzbefohlenen, Verlagsfassung Rowohlt Theater Verlag, Hamburg o. J., S. 58.
15 Wie eng die genealogische Verbindung von Theater und Asyl tatsächlich ist, soll am Ende des Beitrags kurz diskutiert werden. Hier genügt es zunächst festzuhalten, dass das (wenn auch schmale) Corpus an erhaltenen Tragödien insgesamt 5 Stücke aufweist, die wesentlich von der Thematik des Asyls bzw. der Hikesie bestimmt sind: die Hiketiden und die Eumeniden des Aischylos, Sophokles’ Ödipus auf Kolonos sowie von Euripides die Hiketiden und die Herakliden; in Medea und Herakles wird das Asyl in einzelnen Epeisodia relevant. Kürzere Hikesie-Szenen im Sinne des Bittflehens gibt es darüber hinaus etwa in Sophokles’ König Ödipus und in Euripides’ Hekabe, Hippolytos, Ion, Iphigenie in Aulis. – Darüber hinaus finden sich Hikesie- bzw. Asyl-Narrative natürlich auch in allen anderen Genres der griechischen Literatur, vom Epos über die Lyrik bis zur Historiographie und zum Roman. Die Frage nach dem intrinsischen Zusammenhang von Flucht und (theatraler) Szene ist also zunächst nicht auf das Drama beschränkt, sondern jede Altarflucht, auch die in Prosatexten erzählte, hat eine theatrale und szenische Qualität. In diesem Beitrag bleiben andere als dramatische Zeugnisse jedoch ausgespart.
16 Zur Hikesie als einer Situation eindringlichen Sprechens vgl. Most, Glenn W.: „The Stranger’s Stratagem: Self-Disclosure and Self-Sufficiency in Greek Culture“, in: Journal of Hellenic Studies 59 (1989), S. 114 – 133; Crotty, Kevin: The Poetics of Supplication. Homer’s Iliad and Odyssey, Ithaca/London 1994 sowie Gödde: Hikesie, insb. S. 39 – 45, S. 73 f. (zur Odyssee), S. 83 – 86 (zur Iphigenie in Aulis), S. 86 – 94 (zur Hekabe), S. 147 – 176 (zu Aischylos’ Hiketiden).
17 Neben der Intensität einer existenziellen Sprache und der in dieser vorgetragenen Lebenserzählung lassen sich noch andere Analogien zwischen Hikesie und dramatischer Rede beobachten: vgl. Gould: „Hiketeia“, S. 87, Anm. 64: „There is a close connection between face to face supplication and stichomythia, especially in Euripides: the connection stems from the peculiar dramatic quality of stichomythia, which serves to present moments where forces in opposition meet in an ambiguous tension and a breakthrough is always a felt possibility.“
18 Aischylos: Hiketiden, V. 194 – 203 (Danaos zu seinen Töchtern): „In züchtiger, klagender, dringlicher Rede gebt / den Fremden Antwort, wie’s Schutzflehenden geziemt, / Deutlich darlegend eure blutschuldfreie Flucht. / In Eurer Stimme liege nichts von dreistem Ton. / Nichts Eitles zeige sich auf dem mit keuscher Stirn / Geschmückten Antlitz und im Auge voller Ruh! / Werdet nicht vorlaut noch auch zögernd, schleppend im / Gespräch! Weckt solche Art doch Mißgunst nur und Haß. / Lernt euch bescheiden! Arm seid, fremd, landflüchtig ihr; / Ein keckes Mundwerk ziemt sich für die Schwächern nicht.“ (Aischylos: Tragödien und Fragmente, hrsg. u. übers. v. Oskar Werner, München 1980, S. 501).
19 Euripides: Iphigenie in Aulis, V. 1211 – 1214; hier zit. n. Euripides: Werke in drei Bänden, aus dem Griechischen übertragen von Dietrich Ebener, Bd. 3, Berlin/Weimar 1979, S. 51.
20 Euripides: Hekabe, V. 836 – 840; hier zit. n. Euripides: Werke, Bd. 1, S. 176.
21 Die trianguläre Situation der Hikesie, zumal im Drama, betont besonders Kopperschmidt, Josef: „Hikesie als dramatische Form“, in: Jens, Walter (Hrsg.): Die Bauformen der griechischen Tragödie, München 1971, S. 321 – 346.
22 Zur Inszenierung der – meist retardierten und ritualisierten – Entscheidung in der Tragödie vgl. Lehmann, Hans-Thies: Theater und Mythos. Die Konstitution des Subjekts im Diskurs der Tragödie, Stuttgart 1991, insb. S. 90 – 105 (zu Entscheidung und Zögern) und S. 157 – 162 (generell zum Diskurs des Rechts in der Tragödie); des Weiteren Menke, Christoph: Die Gegenwart der Tragödie. Versuch über Urteil und Spiel, Frankfurt a. M. 2005, der im ersten Teil seines Buches (S. 13 – 109) den „Exzeß des Urteilens“ im König Ödipus behandelt; mit Rekurs auf die Theorien von Florens Christian Rang und Walter Benjamin vgl. auch: Vismann, Cornelia: „Das Drama des Entscheidens“, in: dies./Weitin, Thomas (Hrsg.): Urteilen/Entscheiden, München 2006, S. 91 – 100. – Zur Entscheidung des Pelasgos in Aischylos’ Hiketiden vgl. Gödde: Hikesie, S. 18 f. mit Anm. 47 und S. 199 – 210.
23 Ausführlicher zu dieser Abfolge mit weiteren Literaturhinweisen: Gödde: Hikesie, S. 57 – 74 sowie Dreher, Martin: „Die Hikesie-Szenen der Odyssee und der Ursprung des Asylgedankens“, in: Luther, Andreas (Hrsg.): Geschichte und Fiktion in der homerischen Odyssee, München 2006, S. 47 – 60. Homers Odyssee zit. mit der Sigle Od (Odyssee).
24 Zum Konzept der figurativen Hikesie vgl. Gould: „Hiketeia“, S. 77.
25 Zur Hikesie des Priamos bei Achill vgl. Gödde: Hikesie, S. 48 – 55 mit weiterer Literatur.
26 Den Aspekt der rites de passage in der Phaiaken-Episode behandelt etwa Segal, Charles: „The Phaeacians and the Symbolism of Odysseus’ Return“, in: Arion 1 (1962), S. 17 – 64 und ders., „Transition and Ritual in Odysseus’ Return“, in: Parola di Passato 22 (1967), S. 321 – 344. Vgl. auch Murnaghan, Sheila: Disguise and Recognition in the Odyssey, Princeton 1987 sowie Crotty: Poetics. Das Thema der Schwellenrituale setzt sich in den Heimkehrgesängen fort: dazu Goldhill: Poet’s Voice, S. 1 – 68.
27 Zeitlin: „Politics of Eros“, S. 205: „[…] in their flight from the suitors and their arrival on the shores of Argos, the suppliants’ position also corresponds to that of the virgin who is situated on the margins of society, betwixt and between, both ‚other‘ to the culture and yet a part of it, […].“
28 Diese Offenheit wird freilich im Fortgang der Trilogie, deren genauer Plot umstritten ist, aufgehoben: Aus anderen Zeugnissen des Mythos wissen wir, dass die Aigyptos-Söhne die Hochzeit schließlich erwirken können, dafür aber bereits in der Hochzeitsnacht bis auf einen mit ihrem Leben bezahlen. Auch eine abschließende Gerichtsversammlung soll eine Rolle bei der ‚closure‘ der Handlung gespielt haben. Zur Problematik der Trilogie vgl. Rösler, Wolfgang: „Der Schluß der Hiketiden und die Danaiden-Trilogie des Aischylos“, in: Rheinisches Museum 136 (1993), S. 1 – 22 (wieder abgedruckt in: Lloyd, Michael (Hrsg.): Oxford Readings in Classical Studies: Aeschlyus, Oxford 2007, S. 174 – 198); Gödde: Hikesie, vgl. Index: s. v. Trilogie; Hose, Martin: „Vaticinium post eventum and the Position of the Supplices in the Danaid Trilogy“, in: Cairns, Douglas/Liapis, Vayos (Hrsg.): Dionysalexandros. Essays on Aeschylus and his Fellow Tragedians in Honour of Alexander F. Garvie, Swansea 2006, S. 91 – 98; Föllinger, Sabine: Aischylos. Meister der griechischen Tragödie, München 2009, S. 102 f. und Papadopoulou, Thalia: Aeschylus: Suppliants, London 2011, S. 15 – 24.
29 agōnioi theoi bezeichnet wörtlich die ‚Götter des Wettkampfs‘ (so in Platon, Nomoi 783a), wird aber von Oskar Werner wiedergegeben mit „vereinte Stadtgottheiten“ (Aischylos: Tragödien, S. 501), und auch A. J. Bowen: Aeschylus: Suppliant Women, hrsg., übers., kommentiert und mit einer Einl. versehen v. A. J. Bowen, Oxford 2013, ad loc. erläutert: „agōnios, ‚assembled‘, comes from agōn, whose primary sense is ‚gathering‘.“ Eduard Fränkel zu Aischylos, Agamemnon V. 513 verweist auf ein Homer-Scholion, das agōnios mit agoraios parpahrasiert, also bezogen auf die Agora, den Ort des Handels und der Rede, gibt aber zu bedenken, dass diese in den Hiketiden nich der Ort der Handlung ist (Aeschylus: Agamemnon, hrsg. u. kommentiert v. Eduard Fränkel, Bd. 2, Oxford 1974 (Repr. Oxford 1950), S. 262 f.). Das Beiwort agōnioi, so Fränkel weiter, verweise in diesem Drama nicht auf den Ort der Versammlung, die Agora, sondern auf die Versammlung mehrerer Götter auf dem Hügel des Heiligtums außerhalb der Stadt. Vgl. jedoch Bakewell, Geoffrey W.: Aeschylus’s Suppliant Women. The Tragedy of Immigration, Madison, Wisconsin 2013, S. 27: „Its [sc. the shrine’s] description as belonging to the agōnioi theoi implies that the place is not just a sacred space, but has a communal dimension as well.“ – Die Verbindung agōnioi theoi begegnet in den Hiketiden noch an drei weiteren Stellen (V. 242, V. 333, V. 355), und es ist verführerisch, darin – zusätzlich zu den Konnotationen der Pluralität der Götter (Versammlung) und ihres möglichen Bezugs zur Öffentlichkeit der Polis – auch die Nuance des ‚Wettkampfs‘ der Asyl suchenden Danaiden zu sehen, über den ja die Götter wachen. So auch impliziert bei Dreher: „Hikesie und Asyl“, der S. 60 von „Kampfgöttern“ spricht.
30 Zit. mit Verszahl nach folgender Ausgabe: Aischylos: Hiketiden, in: ders.: Tragödien und Fragmente, hrsg. u. übers. v. Oskar Werner, München 1980, S. 488 – 553.
31 Das Ineinander von Flucht und Angst ist als Gegenmoment zum Handeln zentral in Snell, Bruno: Aischylos und das Handeln im Drama, Leipzig 1928. Zu den „Fluchtbildern“ der Hiketiden des Aischylos vgl. Gödde: Hikesie, Kap. IV.1, S. 147 – 176.
32 Aischylos: Tragödien, S. 491.
33 Aischylos: Tragödien, S. 505. – Werner unterschlägt in seiner Übersetzung den für die Parallele mit den Danaiden zentralen Aspekt des „Mitwohnens“, der im griechischen Wort synoikia enthalten ist. – Für die gesamte Konstellation der Dialektik von fremd und eigen in dieser Gründungsgeschichte ist signifikant, dass die Reinigung des Landes durch einen ‚ägyptischen‘ Arzt erfolgt und dass die zu beseitigenden Ungeheuer autochthon sind.
34 Bakewell: Aeschylus’s Suppliant Women, S. 11.
35 Vgl. oben Anm. 28.
36 Vgl. zu diesem Aspekt Auffarth, Christoph: „Constructing the Identity of the Polis: The Danaides as ‚Ancestors‘“, in: Hägg, Robin (Hrsg.): Ancient Greek Hero Cult, Stockholm 1999, S. 39 – 48, der auf der Basis der Ritual- und Initiationstheorie (Victor Turner, Ken Dowden) die soziale Marginalität der unverheirateten Danaiden und diverse Gründungsakte in ein loses Verhältnis zueinander setzt. Auffarth macht (S. 46 ff.) auf das Motiv der ‚Pelasgischen Flut‘ aufmerksam, die der Zivilisation vorausgeht, und liest die Ablösung des Reichs des Pelasgos durch die fremden Danaiden vor diesem Hintergrund als Installierung der Zivilisation. Die Danaiden und Danaos fungieren in diesem Narrativ als ‚Kulturheroen‘ (S. 47 f.). Zu den Danaiden als „immigrant heroes“ aus archäologischer Perspektive vgl. Miller, Margaret C.: „Barbarian Lineage in Classical Greek Mythology and Art: Pelops, Danaos and Kadmos“, in: Gruen, Erich S. (Hrsg.): Cultural Borrowings and Ethnic Appropiations in Antiquity, Stuttgart 2005, S. 68 – 89, die „ambiguous ethnic characterizations [of] Danaos and his daughters“ in der Ikonographie konstatiert (S. 79). Zum Komplex der fremden Gründer vgl. auch Malkin, Irad: „Foreign Founders: Greeks and Hebrews“, in: Mac Sweeney, Naoíse (Hrsg.): Foundation Myths in Ancient Societies, Philadelphia 2015, S. 20 – 40. Zum Verhältnis von Selbst und Anderem in den Hiketiden vgl. Farenga, Vincent: Citizen and Self in Ancient Greece, Cambridge 2006, S. 346 – 423 sowie, mit Blick auf die den beiden Kategorien entsprechenden Formen politischer Repräsentanz: Wohl, Victoria: „Suppliant Women and the Democratic State: White Men Saving Brown Women from Brown Men“, in: Bassi, Karen/Euben, J. Peter (Hrsg.): When Worlds Elide. Classics, Politics, Culture, Lanham/Boulder/New York u. a. 2010, S. 409 – 435.
37 Zum Aspekt der Gründungsgewalt in den Hiketiden vgl. Detienne, Marcel: „Les Danaïdes entre elles ou la violence fondatrice du mariage“, in: Arethusa 21 (1988), S. 159 – 175. 38 Zur mythischen Geschichte der Polis Athen gehören zwei topische Asylfälle, die Teil einer imperialen und selbstbewussten Rhetorik geworden sind: die Aufnahme der Herakliden und die Unterstützung der argivischen Frauen im Fall des thebanischen Bestattungsverbotes. Beide Mythen erfahren in ihren tragischen Bearbeitungen durch Euripides (Herakliden und Hiketiden) eine kritische Reflexion. Zur imperialen Dimension dieser Hikesie-Fälle vgl. Tzanetou, Angeliki: „Supplication and Empire in Athenian Tragedy“, in: Carter, David M. (Hrsg.): Why Athens? A Reappraisal of Tragic Politics, Oxford 2011, S. 305 – 324 sowie dies.: City of Suppliants. Tragedy and the Athenian Empire, Austin 2013; des Weiteren Gödde, Susanne: „Athen: Autochthoner Raum und Politisches Theater“, in: Mahler, Andreas/Dünne, Jörg (Hrsg.): Handbuch Literatur und Raum, Berlin/Boston 2015, S. 312 – 323.
39 Vgl. Gödde: Hikesie, S. 116 – 131 mit weiterer Literatur.
40 So besonders eindrücklich im Homerischen Hymnus an Demeter.
41 Euripides: Hiketiden, in: ders.: Werke, Bd. 1, S. 275 – 320, S. 280.
42 Vgl. Gödde: Hikesie, S. 131 – 142 mit weiterer Literatur.
43 Vgl. ebd., S. 112 – 116 mit weiterer Literatur; zur Verbindung von liminalem Raum, tabuisierter Rede und geheimnisvollem Tod in der Hikesie des Ödipus: Gödde, Susanne: Euphēmia. Die gute Rede in Kult und Literatur der griechischen Antike, Heidelberg 2011, S. 203 – 234.
44 Vgl. dazu Gödde, Susanne: „Pathos in der griechischen Tragödie“, in: von Koppenfels, Martin/Zumbusch, Cornelia (Hrsg.): Handbuch Literatur & Emotionen, Berlin 2016, S. 209 – 243.
45 Daher scheint es mir kein Zufall zu sein, dass Aischylos die zuständigen Götter in den Hiketiden viermal als theoi agōnioi, „Götter des Kampfes“ (und insofern auch der bevorstehenden Entscheidung) adressieren lässt. Eine Deutung, die dieses auffällige Beiwort lediglich im Sinne der Mehrzahl (versammelte Götter, vgl. dazu oben Anm. 29) verstehen will, weicht dieser Pointierung aus.
46 Dieses Moment ins Bewusstsein gehoben zu haben, ist das Verdienst zahlreicher Arbeiten von Juliane Vogel. Ich nenne nur Vogel, Juliane/Wild, Christopher (Hrsg.): Auftreten. Wege auf die Bühne, Berlin 2014 und Vogel, Juliane: Aus dem Grund. Auftrittsprotokolle zwischen Racine und Nietzsche, Leiden/Boston 2018.
47 Lehmann: Theater und Mythos, insb. S. 50 – 55, S. 52. Eine gründliche Evaluation der Konzepte Handlung, Drama, Sprechhandlung mit vielfachem Rekurs auf die aristotelische Poetik findet sich in der Bochumer Diskussion von Stierle, Karl-Heinz/Flashar, Hellmut/Maurer, Karl u. a.: „Dramentheorie – Handlungstheorie“, in: Poetica 8 (1976), S. 321 – 450. Zum Verhältnis von Handeln und Zögern in der antiken Tragödie vgl. im Anschluss an Lehmann auch Vismann: „Drama des Entscheidens“, S. 96 f.
48 Lehmann: Theater und Mythos, S. 54. – Eine solche Theorie des Szenischen steht in diametralem Gegensatz zur Bedeutung, die Walter Benjamin und Florens Christian Rang der Szene in ihrer Tragödientheorie verleihen: Hier ermöglicht die Szene im Sinne des später die Orchestra ergänzenden und auch deren Kreis beschneidenden Skenen-Gebäudes gerade das Ende der Flucht, die als (christliche) Erlösung konzipierte Ausflucht aus dem Kreislauf um den Opferaltar, in den der verfolgte tragische Protagonist zuvor gebannt war. Vgl. Rang, Florens Christian: „Theater und Agon“, in: ders.: Historische Psychologie des Karnevals, hrsg. v. Lorenz Jäger, Berlin 1983, S. 47 – 50; vgl. dazu Primavesi, Patrick: Kommentar, Übersetzung, Theater in Walter Benjamins frühen Schriften, Frankfurt a. M./Basel 1998, S. 254 – 270; Menke, Bettine: Das Trauerspiel-Buch. Der Souverän – das Trauerspiel – Konstellationen – Ruinen, Bielefeld 2010, S. 32 und S. 39 sowie den Beitrag von Bettine Menke im vorliegenden Band.
49 Zur Frage der Entstehung einer Bühne (‚Szene‘) im antiken Theater vgl. etwa Wiles, David: Greek Theatre Performance. An Introduction, Cambridge 2000, S. 102 – 109.
50 Vgl. dazu Rehm, Rush: „The Staging of Suppliant Plays“, in: Greek, Roman, and Byzantine Studies 29 (1988), H. 3, S. 263 – 307.

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