Das Institute for the Performing Arts and Film in Zürich

Das Vorwort im Jubiläumsbuch

von und

Das Institute for the Performing Arts and Film (IPF) existiert seit zehn Jahren. Anlässlich einer umfangreichen Evaluation der Jahre 2011–2015 fiel auf, wie viele Projekte in diesen Jahren entstanden sind. Der Überblick nach einer Dekade schien imposant: Durchführung von Projekten, Drittmittelakquise, Netzwerk-Aufbau, Teambildung, Tagungen und Publikationen – das alles wurde uns erst bewusst, als die Kollektion gesammelt war.

Das war uns Anlass, eine Bestandsaufnahme der bisherigen Tätigkeiten des IPF vorzunehmen, verdichtet auf den 216 Seiten dieses Buches. Der Fokus liegt auf der Darstellung von Forschungsprojekten mit und durch performative Praxis und Film der vergangenen zehn Jahre, kombiniert mit einzelnen, für diese Publikation entstandenen Beiträgen. Auch eine Auswahl der vielen gescheiterten Unternehmungen ist enthalten. Wie nach dem Theatralitätsgefüge des Theaterwissenschaftlers Rudolf Münz das «Nicht-Theater», also Theater, das nicht stattgefunden hat, nur die andere Seite der Medaille (des «Theaters») ist, sind für uns die «Nebenprodukte », das Verworfene oder für nicht förderwürdig Befundene, für unsere Forschung ebenfalls konstitutiv geworden. Sie bildeten nicht selten die Voraussetzung für das Gelingen eines Folgeprojekts.

Wir sind beim Finden oder gar Erfinden unserer Themen in den ersten Jahren in Ruhe gelassen worden, was wahrscheinlich für unsere Entwicklung das Beste war, was uns passieren konnte. Zugleich standen wir formal unter permanentem Druck. So musste ein Drittel des Gesamtbudgets aus Drittmitteln akquiriert werden, internationale Netzwerke sollten aufgebaut und, möglichst ohne Kosten zu verursachen, Publikationen gestreut werden, damit die Kunsthochschule zum Leuchtturm auch in der Forschungslandschaft würde. Wo wir mehr Wirkung erzielen wollten, mussten wir zwangsläufig auch mehr Geld auftreiben.

Qualität blieb ein vorrangiges Ziel, nicht öffentliche Aufmerksamkeit. Lieber auf einem kleinen Acker firm sein, als auf dem grossen Feld zu versumpfen. Viele unserer Themen galten zuvor als nicht erforschbar und entsprangen keiner bekannten wissenschaftlichen Tradition. Sie liessen sich kaum in eine Publikationsreihe einordnen, eröffneten aber für uns Neuland und bestätigten, wenn sie denn am Ende auf eine aufmerksame Rezeption stiessen, worauf die Forschenden zu Beginn noch in heimlich verbissener Überzeugung insistiert hatten.

Der Spielraum hierfür war einerseits weit, weil keine Forschungstradition diktierte, wie genau unsere Fragen untersucht, debattiert und publiziert werden sollten. Andererseits war er sehr eng, weil jede Idee, jede Fragestellung sofort in eine Diskurstradition gesteckt werden wollte. Evaluationsgremien verlangen nach Kriterien, Peer-Gruppen nach Vergleichbarkeiten und unsere Grundfinanzierung reichte nicht aus, um die eigene Forschungslandschaft zu bestellen. Also mussten Drittmittel her und damit eine Antragsprosa, mit der wir die inhaltlichen Interessen in förderwürdige Projekte übersetzen konnten. Die Sprachverliebtheit der Theater-, Film- und Tanzforschenden kam uns da sehr gelegen. In manch einem unserer Gesuche lässt sich im Nachhinein der dramatische Aufbau erkennen, wurden Inhalte erst sichtbar durch geschmeidige Formulierung. Dies umso mehr, als wir so gut wie nie das Medium zur Botschaft machen durften. Die Kunst blieb Kernanliegen, das Format der Publikation und Dissemination dem jeweiligen Gegenstand angepasst. Dennoch blieben die Forschungsergebnisse auf Bühne und Leinwand selten ohne Text.

Was wir nicht ohne ein wenig Stolz feststellen können, ist die Tatsache, dass heute niemand mehr am Forschungsauftrag der Kunsthochschulen zweifelt. Wir haben ein paar erste Etappenziele erreicht und eine erstaunliche Anzahl von Forschungsprojekten durchgeführt, wenn auch nicht ohne damit eine weitaus breitere Reihe neuer Hoffnungen, Erwartungen, Aussichten wachzurufen. Die eigentliche Aufgabe, mit diesen Projekten unserer Lehre und indirekt auch der Gesellschaft dienstbar zu sein, wird sich nie vollständig einlösen, aber die baumelnde Mohrrübe vor des Esels Nase reizt weiter. Wir sind dran.

Das Schöne an der Forschung ist, dass man sieht, was bewegt, initiiert und hinterlassen worden ist. Spuren. Mit diesem Sammelband liegt nun eine erste Trackingsammlung vor, ein interdisziplinäres Logbuch, eine Art Wollknäuel mit rund hundert eilig zusammengewickelten Fäden, von denen jeder einzelne mit viel Überzeugung, Sorgfalt und Akkuratesse gewoben wurde.

Die Forschung nicht primär über die Ergebnisse oder Historien der Künste, sondern in direkter Verbindung mit den Künsten ist noch lange nicht etabliert und international verbreitet. Das jeglicher Forschung innewohnende Unbekannte oder gar Extravagante, das Manische, Irreale und Abenteuerliche war uns hilfreich und dürfte in Zukunft auch der künstlerischen Forschung noch viele Wege weisen. Wer, wenn nicht die Künstlerinnen und Künstler, sollte sonst die Verrücktheiten unserer Zeit noch interpretieren können?

Wir freuen uns, wenn Sie sich beim Blättern ein wenig verlieren und vielleicht sogar den einen oder anderen Strang weiterführen. Für uns war das erst der Anfang.

Die Herausgeber

 

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