Und man erreicht den Fluss

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Die großen Brocken der Opernliteratur kamen später, Verdi, Puccini, Mozart, Rossini und andere, aber immer als Stätte, wo man feststellen muss, wie „schwer das Leichte ist“. (Rupprecht) Aber „attachiert“ sei er an die Neue Musik – so sagte er selbst. Opernrepertoire wurde mit gleicher Leidenschaft bedient, und ebenso blieb Rupprecht der gepflegten Moderne der Oper treu: Reimann, Blacher, Britten, Henze und vielen mehr. Gerade bei der Avantgarde aber muss der Künstler – mit den Worten Rupprechts – Farbe bekennen, kann bei Uraufführungen nicht auf schon Approbiertes gründen, muss sich neue Seh- und Lesarten erst erkämpfen.

Rupprecht implementierte seine Leidenschaft für Musiktheaterexperimente wiederholt in seine Lehrtätigkeit als Professor an der Hochschule der Künste in Berlin. Das Studentenprojekt Cage-Up an der HdK 1978, das er – wie in dem Fall von Cages Song-Books – im Rahmen eines Festes realisierte, sei an dieser Stelle erwähnt. Besonders deutlich aber wird das didaktische Engagement in seinem Reenactment der Musikavantgarde der Weimarer Republik, als er 1983 mit Studierenden die Realisation der Avantgarde von damals mit Wassily Kandinskys Bilder einer Ausstellung betrieb, als Lern- und Lehrbeispiel für Mut und Innovation. Die musikalische Form – der Klavierzyklus von Mussorgski – erzeugte bereits 1928 in Dessau Bühnen-Bilder von Kandinsky, die in einem optisch-kinetischen Ereignis selbst als Instrumente agierten. Hier hielt sich Rupprecht nobel zurück und stützte sich vor allem auf das Regiebuch des damaligen Regieassistenten Felix Klee. Und gleichzeitig konnte er so ein Gleichnis seiner eigenen Arbeitsweise geben: von der Musik aus zur Szene zu gelangen.

Eines fällt auf: Das Wasser als Element, weitergedacht als das Fluide in der Kunstproduktion, scheint für Rupprecht eminent wichtig zu sein. Sein Einsatz zum Beispiel von Projektionen weist auf diesen Hang zur Verflüssigung der Szene, etwa 1974 bei Henri Pousseurs Die Erprobung des Petrus Hebraicus bei den Berliner Festwochen. Kagels Mare nostrum trägt den Verweis auf das Element schon im Titel, und folgerichtig baut der Künstler für die Festwochen ein Jahr später ein Modell mit einem Becken, um das herum die Akteure mit ihren Instrumenten sitzen. Ein breites Randband in Umrissform des Mittelmeeres umgab das Wasser und ein Einsteigen ins Wasser war möglich. Die Flüssigkeit wurde piktoral eingesetzt, denn Rupprecht veränderte wiederholt deren Farbe, was an Kandinskys bühnensynthetisches Theaterdenken erinnert. Und nicht zuletzt denkt man an die deutsche Erstaufführung von Hans Werner Henzes Werk Wir erreichen den Fluß bei den Berliner Festwochen 1976 unter der Regie von Schlöndorff. Rupprechts Kacheln als dystopisches Material in einer Sandszenerie lassen das nicht vorhandene Wasser utopisch ersehnen und damit auch erscheinen.

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