Alle Beiträge von Dirk Baecker
von Dirk Baecker
I.
Die Oper fällt in der Gesellschaft als eine eigenständige Kunstgattung auf. In keiner anderen Kunstform wird mit so viel künstlerischem, institutionellem und finanziellem Aufwand an den flüchtigen Momenten der Musik gearbeitet wie hier. Bühnenbild, Kostüme, Lichttechnik, Orchester und Sänger, vom festlich gestimmten Publikum zu schweigen, konzentrieren sich darauf, den Rahmen herzustellen, in dem das besondere Ereignis der gesungenen Stimme stattfinden kann. Anders als im Konzert wird hier…mehr
aus dem Buch: Die Zukunft der Oper
Podiumsdiskussion mit Dirk Baecker, Carl Hegemann, Navid Kermani, Tilman Knabe und Christine Lemke-Matwey (Moderation)
von Dirk Baecker, Carl Hegemann, Navid Kermani, Tilman Knabe und Christine Lemke-Matwey
Christine Lemke-Matwey: Dirk Baeckers Vortrag „Der Herzschrittmacher“ ist kein Plädoyer für die Abschaffung der Oper, sondern fast das Gegenteil davon. Wenn ich Sie, Herr Baecker, richtig verstanden habe, ist das Profil der Oper ihre Historizität – die Oper als Geschichtsmaschine. Aber woran arbeiten dann heutige Opernhäuser? Mir scheint, dass sie eigentlich permanent versuchen, dieses Profil möglichst unkenntlich zu machen und wieder los zu werden. Was ist Ihr Eindruck?
Dirk Baecker: Genau…mehr
aus dem Buch: Die Zukunft der Oper
von Dirk Baecker
I.
Christoph Marthaler hat in der Spielzeit 2010/2011 an der Oper Basel unter dem Titel Lo stimolatore cardiaco einen Verdi-Abend ausgerichtet, der das Problem der Oper zu Beginn des 21. Jahrhunderts möglicherweise auf den Punkt bringt. Marthalers Inszenierung nimmt die Oper in zwei ihrer tragenden Momente auseinander, indem er zum einen über Treppen in den gesamten Bühnenraum ausgreifende horizontale, vertikale und laterale Bewegungen des Chors choreografiert und zum anderen verschiedene…mehr
aus dem Buch: Die Zukunft der Oper
von Dirk Baecker
DAS FESTIVAL ALS FEST
Soziologie des Fests
Auch ein Festival ist ein Fest. Genaue Planung, kluge Berechnung von Aufwand und Nutzen, Feinsteuerung von präzise gesetzten Gesten der Großzügigkeit auf der einen Seite begegnen einer erwartungsvollen Freude, feierlichen bis ausgelassenen Stimmung, einem lustvollem Austarieren von Sehen und Gesehenwerden auf der anderen Seite. Das Fest ist örtlich bestimmt, zeitlich befristet, meist auch in seinen Inklusions- und Exklusionsregeln alles andere als…mehr
aus dem Buch: Wozu Theater?
von Dirk Baecker
KEIN THEATER
Das Vertrauensspiel
Spätestens seit der deutschen Übersetzung von Erving Goffmans Klassiker The Presentation of Self in Everyday Life unter dem Titel Wir alle spielen Theater ist das Theater nicht nur ein Ort und eine Kunstgattung, sondern auch eine Metapher.1 Es ist eine Metapher, die dem bürgerlichen Argwohn gegen die Falschheiten aristokratischen Verhaltens am Hofe Ausdruck gibt und diesen universalisiert. Wir alle bewegen uns in einer scripted reality.2 So konzentriert,…mehr
aus dem Buch: Wozu Theater?
von Dirk Baecker
FORMATE DER KULTURPOLITIK
Freund und Feind
Kulturpolitik, so die These der folgenden Überlegungen, gab es immer schon und wird es immer geben. Sie ist eine Einmalerfindung der Menschheitsgeschichte und wechselt nur die Formate, in denen sie ausgeübt wird. Dieser Gedanke entlastet, da man nicht über Anfang oder Ende nachdenken muss; er fordert jedoch auch heraus, da man umso genauer über die alten und die neuen Formate und die Bedingungen, unter denen sie funktionieren, nachdenken muss. Denn…mehr
aus dem Buch: Wozu Theater?
von Dirk Baecker
DIE ÖFFENTLICHKEITEN DES THEATERS
Öffentlichkeiten und Publika
Die nächste Gesellschaft, so getauft von Peter F. Drucker,1 ist die Gesellschaft, deren Struktur und Kultur auf die Herausforderung der Einführung des Computers und seiner Netzwerke reagiert. Ähnlich verdankt die moderne Gesellschaft ihre Struktur der funktionalen Differenzierung und ihre Kultur des unruhigen Gleichgewichts dem Versuch der Antwort auf die Herausforderung der Einführung des Buchdrucks. Vermutlich, aber das ist hier…mehr
aus dem Buch: Wozu Theater?
von Dirk Baecker
VON DER EINHEIT DER INSTITUTION ZUR DIFFERENZ DER FORMATE
Das Theater als Einmalerfindung
In menschlichen Gesellschaften ist das Theater eine Institution. Man hat immer schon Theater gespielt, angefangen bei den Tänzen und Maskenspielen der Stammesgesellschaften über die Mysterien, Komödien und Tragödien der Antike, die Passionsspiele des Mittelalters, die Puppen- und Schattenspiele verschiedener Hochkulturen und die Dramen und Lustspiele der Moderne bis zu den aktuellen Formen des…mehr
aus dem Buch: Wozu Theater?
von Dirk Baecker
POSSEN IM NETZ
Die Negativität der Kunst
Nur weniges ist in der Kunsttheorie so unumstritten wie die Negativität der Kunst. Kunst ist immer Einwand gegen die Verhältnisse, und sei es nur, um sich von diesen zu entkoppeln.1 Die Kunst ist der Gesellschaft daher seit jeher verdächtig, ihr Weinen ebenso wie ihr Lachen, ihre lügnerischen ebenso wie ihre schrecklichen Geschichten, mit denen sie den Ernst, die Würde und das Vertraute der Wirklichkeit ständig unterläuft.2 Versöhnt ist die…mehr
aus dem Buch: Wozu Theater?
von Dirk Baecker
KUNSTFORMATE DER KULTURRECHERCHE
Kunst setzt auf das Erleben
Kunst recherchiert. Sie stellt Fragen, sie experimentiert, sie variiert mit Methode und Zufall, sie theoretisiert und spekuliert, sie wirft Probleme auf. Und sie tut all dies immer schon, das wäre die These des vorliegenden Textes, und somit nicht erst, seit man neuerdings und vor allem im freien Theater von einer recherchierenden Kunst spricht. Eine Kunst, die ihre Motive, ihr Material, ihre Dramaturgie, ihre Präsentation vor dem…mehr
aus dem Buch: Wozu Theater?
von Dirk Baecker
aus dem Buch: Wozu Theater?
von Dirk Baecker
FRAUENTAUSCH
Der Schlüssel zu Richard Wagners Das Rheingold ist eine Regieanweisung gleich zu Beginn des Werkes.1 Ort der Handlung: „Auf dem Grunde des Rheines“. Und dann heißt es: „Die Höhe ist von wogendem Wasser erfüllt, das rastlos von rechts nach links zu strömt.“ Offenbar schauen wir von unten zur Wasseroberfläche hinauf. Aber ganz so einfach ist die Erklärung nicht, denn gleichzeitig sehen wir Alberich über schroffes Gestein steigen, gelockt, verführt und verspottet von den…mehr
aus dem Buch: Wozu Theater?
von Dirk Baecker
ALS EXPERTE AUF EINEM SCHWARZMARKT FÜR NÜTZLICHES WISSEN UND NICHT-WISSEN
Der Schwarzmarkt findet im Theater statt. Das nützliche Wissen und Nicht-Wissen wird auf der Bühne verhandelt und es hat sein Publikum. Erst so wird die Idee, mit der Hannah Hurtzig seit den ersten ‚Schwarzmärkten für nützliches Wissen und Nicht-Wissen‘ in Berlin, Hamburg und Warschau nun erfolgreich durch ganz Europa tourt, zu einem Format, zu einem Format des Theaters und zu einem Format des Wissens.
Zweimal bereits…mehr
aus dem Buch: Wozu Theater?
von Dirk Baecker
MANCHMAL IST DER TANZ DIE BESSERE SOZIOLOGIE
Manchmal ist der Tanz die bessere Soziologie. Denn er kann nicht nur Beobachtungen sozialer Strukturen auf den Punkt bringen, sondern zugleich darauf reflektieren, wer da eigentlich was aus welcher Position beobachtet.
„For Fools rush in where Angels fear to tread“, ist eine Zeile aus einem Gedicht von Alexander Pope,1 dessen zweite Hälfte den Refrain eines Tanzstückes bildet, das VA Wölfls Ensemble „Neuer Tanz“ unter dem Titel REVOLVER im Herbst…mehr
aus dem Buch: Wozu Theater?
von Dirk Baecker
DIE WEISSE HÖHLE
Kunst ist Polemik, Streit wider unseren Verstand, unsere Sinne oder unsere Gesellschaft. Gleich dreimal macht Claudia Bosses Projekt Belagerung Bartleby im Hebbel Theater Berlin im April 2004 auf diese Aussage die Probe aufs Exempel, erstens durch die Auswahl des Theaterraums, in dem das Projekt stattfand, zweitens durch die Auswahl des Textes, dem die „theatrale Installation“ gewidmet wurde, und drittens durch diese Installation selbst.
Erstens. Erinnern wir uns daran, was…mehr
aus dem Buch: Wozu Theater?
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