Heft 13/1968
Das breite Spektrum des Musiktheaters
Broschur mit 44 Seiten, Format: 200 x 290 mm
ISSN 0040-5418
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In diesem Heft sind Beiträge zu Fragen des musizierenden Theaters zusammengestellt - die Breite der Skala deutet die Vielfalt musiktheatralischer Äußerung an: Oper, heiteres Musiktheater, Ballett, Musik im Schauspiel. Spezifische Probleme innerhalb einer einheitlichen theatralischen Konzeption. Wie weit aber ist diese Einheitlichkeit ausgeprägt, wie steht es um das Verhältnis zwischen Einheitlichkeit und Spezifik? Dr. Seegers Forderung nach einer "Wiederzusammenführung des Publikums" im Sinne einer Partnerschaft zu einem kontinuierlichen Spektrum Musiktheater ist keine Fragestellung am Rande; sie dürfte im Gegenteil, nach allen Seiten hin ausgelotet, zu einer zentralen, die Existenzberechtigung musiktheatralischer Mitteilungsformen betreffenden werden. Wir kennen die (letztlich vom Musical beschworene und forcierte) Tendenz, den nach musikalischen Gesichtspunkten formierten Gesang zugunsten realistischer Darstellung zu denunzieren. Das Dilemma spätbürgerlichen Operetten-Erbes wird offenbar - eines Erbes, das (bei nach wie vor hoher, oft in Devisen zu erbringender Erbschaftssteuer) noch immer die Spielpläne unserer Theater und damit den Geschmack unserer Theaterbesucher malträtiert.
Haben kritische Stimmen bisher eher das Tempo beflügelt, mit dem ein blaßweißes Rößl bis in den letzten Freilichtbühnen-Winkel trabte, LuxemburgGrafen unter (ihnen absolut inadäquatem) gesellschaftskritischem Vorwand durch die Szene schmalzten und Paganini-Deformationen Sentimentalität auf die Bretter träufelten (inzwischen macht sich sogar noch "Zigeunerliebe" breit), so traut man heute, 1968, ein halbes Jahr nach dem leichtverständlichen programmatischen Beschluß des Staatsrats zu Kultur und Kulturpolitik, seinen Augen nicht, wenn das Bernburger Theater im Brustton der Uberzeugung, schwarz auf weiß ausgedruckt, seinen Freunden für die kommende Spielzeit Raymonds "Maske in Blau" androht. In einer "Neufassung" freilich - doch was will man aus verdorbenen Trauben keltern? Der Gedanke, daß mit Schweiß erworbenes Geld solcherart geschmackliche Seitensprünge subventioniert, schmeckt bitter. Es ist nur zu verständlich, daß das Musical gegen diese mißgestaltete Tradition vor allem dadurch zu Felde zu ziehen versucht, daß es, mißtrauisch gegen jedweden Sänger, Schauspieler mit seiner Vorstellung beauftragt. Das Genreproblem wird zum Besetzungsproblem - nicht jeder Schauspieler ist in der lage, ästhetisch erträglichen oder gar gültigen Gesang zu offerieren. Wo wird der Karren stehen bleiben, der nun mal ins Rollen gekommen ist? Die würdigsten Werke der Opereltenklassik in die Opernhäuser, das Musical in die Schauspiel-Ensembles - machen wir's uns, solche Kategorisierung fordernd, nicht manchmal ein bißchen einfach? Peter Brähmig berichtet in diesem Heft von einem erfolgreichen Experiment, doch auch hier werden die Grenzen angedeutet, jene Grenzen, die Prof. Steiner in seinem Gespräch mit Siegfried Blütchen anspricht - das Musical ist eine Form musizierenden Theaters. - Wie soll es weitergehen? Etwa Resignation? Im Gegenteil. Wir sollten beim Experiment und im Gespräch miteinander bleiben. Schlendrian wird mehr als bisher unseres Zorns gewiß sein, alles Neue wie bisher unseres kritisch-fördernden Zuspruchs, sofern es uns voranzubringen vermag. Wir sind noch immer unzufrieden mit dem, was entstanden ist, obwohl schon viele gute Schritte gegangen wurden, andere zur Zeit vorbereitet werden - um so unnachgiebiger sollten wir uns wehren gegen die Re-Inthronisierung jener Hervorbringungen, die ein Bedürfnis nach gegenwartsnaher heiterer Musikbühnen-Kost nicht nur nicht wecken, sondern geradezu mit Füßen treten. Wir werden nicht müde, in diese Richtung zu schießen. Auch mit Kanonen auf Spatzen - damit die Spatzen endlich mal getroffen werden.
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