Heft 07/1990
Dokumente zur Inszenierung »Fräulein Julie« im Jahr 1975
Broschur mit 88 Seiten, Format: 200 x 290 mm
ISSN 0040-5418
Ihr Auftritt, Herr Minister! Der Auftritt des Ministers im Berliner Pergamonmuseum war theatermäßig inszeniert, die Tempelstraße gab eine geschmackvolle Dekoration ab, der Mangel an Sitzmöbeln schuf den Eindruck drängenden Interesses, Beifall war eingeplant (die zaghaften Buhrufe sicher nicht), ein stilvolles Kaltes Buffet bot betont kleine Bissen (Hinweis auf die Größe zu erwartender Subventionen?), aber Edelobst aus dem Westen... Das Leben sei interessanter als die Utopie, zitierte der literaturkundige Minister. Aber was ist das Leben? Das sind zum Beispiel verunsicherte, vielerorts auf Abruf »amtierende« Theaterleitungen, über nicht gesicherten Haushaltsplänen schwitzende Direktoren, vor halbleeren Parketts spielende, um ihre Existenz bangende Ensembles. In einigen Häusern wird »Demokratie« gespielt (Beispiel Halle), in anderen regiert das feudale Faustrecht (wie in manchen Kombinaten der Wirtschaft auch). Unsicherheit, also auch Willkür, in den Kommunen, angeheizt durch die in Krisenzeiten immer funktionierende Gerüchteküche. In einer Thüringer Ecke will eine Kreisverwaltung das ihr unterstehende Theater möglichst rasch abstoßen, die es beherbergende Stadt dafür aber keine Verantwortung übernehmen. (zum Beispiel). Inkompetenz, früher durch staatlichen Dirigismus gedämpft (ich wünsche diese Zeiten nicht zurück!) kann sich auf kommunaler Ebene nun ausleben, potenziert durch Profilneurosen unerfahrener, aber erfolgsgeiler Beamter. Das geht an die Substanz.
Der Minister setzt im Prozeß kultureller Annäherung mehr auf die Postkutsche als auf den Eilzug (hat er dem ND gestanden). Akzeptiert. Aber doch ist zweierlei nötig. Ein erkennbares kulturpolitisches Konzept, das man auch als Überlebensstrategie umschreiben könnte - davon ist außer moderaten Erklärungen und Rundum-Beruhigungen noch nicht viel zu sehen. Und dringende Sofortmaßnahmen, um Tendenzen der Unsicherheit und der Willkür zu begegnen. Also kurzfristige wie längerfristige Lösungen oder Lösungswege, um nicht erst Tatsachen zu schaffen, die später nicht mehr reparabel sind. Ist ein Theater erst mal kaputt ...
Dabei müssen wir selbst (kritische) Realisten bleiben. Sich Utopien bewahren heißt nicht, utopische Forderungen stellen; der Weg in die deutsche Einheit - mit welchem Verkehrsmittel auch immer - ist kein Weg ins Schlaraffenland. Aber wie groß/klein der Topf ist, aus dem Kultur sich künftig nähren muß, das möchte man schon wissen. Bald. Aber Forderungen richten an die Kultur- und Geldverwalter ist doch nur das eine. Die Einforderung eigener Verantwortung, eigener Ideen und Initiativen das andere. Ich will nicht aus längst vergilbten Papieren zitieren, aber Theaterleute dieses Landes haben schon vor Jahren über effektivere Strukturen nachgedacht. Damals ist manches an der Arroganz und Inkompetenz der Kulturverwalter gescheitert; das darf sich nicht wiederholen! Es geht um realistische Lösungen, aber die Initiativen müssen von der Basis kommen, auch im Hinblick auf künftige föderale Strukturen gemeinsam mit den Territorien gefunden und durchgesetzt werden. Mit dem Ministerium als verständnisvollem Partner und Helfer. (Die Fusion Wittenberg/Bernburg scheint mir ein positives Beispiel, wie künstlerische und wahrscheinlich auch ökonomische Effizienz erhöht werden kann, und ohne soziale Einbrüche.)
Also ich sehe da in Zukunft noch eine Menge Probleme auf uns zukommen. Die Zeit der Barrikadenkämpfe sei vorbei, sagen Sie? Ihr Wort in Gottes Ohr, Herr Minister!
Martin Linzer
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Impressum | Seite 1 |
Marginalien | Seite 2 |
Ihr Auftritt, Herr Minister!von Martin Linzer | |
Die Reihen lichten sichvon Hans-Rainer John | |
Gespräch | Seite 3 |
Wo nehmen wir jetzt das Ziel her? oder Das Lachen in KolumbienGespräch mit Corinna Harbouch, Schauspielerin am Berliner Ensemblevon Jochen Ziller und Corinna Harfouch | |
Nachrichten | |
Mülheimer Theater in der Türkeivon Volker Trauth | Seite 7 |
Treffen der Bühnenbildner der DDRvon Ingeborg Pietzsch | Seite 7 |
Theaterreport | |
Stadttheater - nein danke!von Thomas Wieck | Seite 8 |
Die Bürde der Vergangenheit?Beobachtungen am Rostocker Theatervon Ingeborg Pietzsch | Seite 9 |
Mit hoher PräzisionMusiktheater in Cottbusvon Uwe Hübner | Seite 13 |
Auf gutem FundamentGespräch mit Dieter Reuschervon Uwe Hübner und Dieter Reuscher | Seite 16 |
Fremd und nah zugleichMichael Seyfrieds »Reinschlagen« am »Schicht-Theater« aufgeführtvon Volker Trauth | Seite 17 |
Vom Repertoiretheater zum ProjekttheaterGespräch mit Heinz Drewniok, Leiter des »Schicht-Theaters« Dresdenvon Volker Trauth und Heinz Drewniok | Seite 18 |
Umschau | |
Verkehrte WeltHans-Otto-Theater Potsdam: »Der Mann, das Tier und die Tugend« von Luigi Pirandello; Regie Günter Rüger, Ausstattung Hendrik Kürstenvon Ingeborg Pietzsch | Seite 20 |
Suche nach dem Land der GerechtenDeutsches Theater: »Nachtasyl« von Maxim Gorki / Regie Friedo Solter / Bühnenbild Hans-Jürgen Nikulka / Kostüme Elke Eckardtvon Hans-Rainer John | Seite 20 |
Niedergang des amerikanischen TraumsAnklam: LIEBESTOLL von Sam Shepard (DDR-EA); Regie Torsten Münchow / Silvia Krupieka; Ausstattung Sandra Becker / Claudia Jaffkevon Hans-Rainer John | Seite 21 |
Zwiegesang der HeimatliebeSenftenberg / Theater der Bergarbeiter: Duett für Flöte und eine alte Dame / Passacaglia für großes Orchester und einen Baggerführer, zwei Monologe mit Musik von Jan Paul Nagelvon Dietrich Scholze | Seite 22 |
Geschichte annehmenGreifswald: »EIN STALL VOLLER SCHWEINE« von Athol Fugard (DDR-EA); Regie Thomas Roth, Ausstattung Monika Cwielag- Ringat a. G.von Traute Schölling | Seite 22 |
Gestöhn aus der FamiliengruftMagdeburg / Podiumbühne. Endspiel von Samuel Beckett (DDR-EA); Regie Matthias Poppe a. G., Ausstattung Heike Neugebauervon Friedemann Krusche | Seite 23 |
Mörder ohne MotivBerlin (West) / Schaubühne am Lehniner Platz: »Roberto Zucco« von Bernard-Marie Koltès (UA); Regie Peter Stein, Ausstattung Jürgen Rosevon Jochen Gleiß | Seite 24 |
AuferstehungParis / Centre International de Créations Théâtrale: Woza Alber! von Mtwa / Ngema / Simon, Adaption Carriére; Regie Brook; Gastspiel im Haus der Kulturen der Welt Berlin (West)von Jochen Gleiß | Seite 25 |
Nachrichten | Seite 26 |
Dokumentation | |
Weiße Flecken (2)»Fräulein Julie« von Strindberg, Berliner Ensemble 1975. 10 Aufführungen, die das Theater erschüttertenvon Martin Linzer | Seite 28 |
Diskurs über »Fräulein Julie«(Auszug)von Friedrich Dieckmann | Seite 29 |
Dokument | Seite 30 |
ArbeitsgesprächZur Inszenierung »Fräulein Julie« mit B. K. Tragelehn und F. Dieckmannvon Friedrich Dieckmann, B. K. Tragelehn und Andrea Koschwitz | |
Puppentheater | |
ZwiespältigEindrücke vom 4. UNIMA-Puppentheater-Festival in Dordrechtvon Silvia Brendenal | Seite 34 |
Der KorkenDer Versuch, über visuelles Theater nachzudenkenvon Hinderik de Groot | Seite 38 |
Umschau | |
Säuselndsehnende GefühleKomische Oper / Tanztheater: »Trilogie der Sehnsucht« (Der Wind / Ravel, Die Hochzeit / Strawinski, Bernarda Albas Haus / Lorca / Durko); Idee / Choreographie / Inszenierung Joachim Ahnevon Volkmar Draeger | Seite 40 |
Feuervogel unterliegt der klugen FrauWeimar: Der Feuervogel von I. Strawinski, Choreographie / Inszenierung Udo Wandtke / Die Kluge von C. Orff, Inszenierung Ehrhard Warneke, mus. Leitung Gunter Kahlert, Ausstattung Franz Havemannvon Ralf Stabel | Seite 40 |
Spielereien?Theater der Stadt Cottbus (Kammerbühne): TO PLAY OR NOT TO PLAY vonJo Fabian (Musikcollage Falk Hartmann); Regie Jo Fabianvon Dietmar Fritzsche | Seite 41 |
Tanztheater | Seite 42 |
Zwei Ballettwunder und ein drittes dazuBetrachtungen zum Stuttgarter Ballett heutevon Ann-Elisabeth Wolff | |
Nachrichten | Seite 46 |
Das polnische »Theater des neuen Tanzes«von Annette Jähn | |
Musiktheater | |
Wortlose OpernEindrücke von der Münchener Biennalevon Wolfgang Lange | Seite 47 |
Verstanden werden ...(Aus dem Vorwort des Programmheftes Münchener Biennale)von Hans Werner Henze | Seite 50 |
Musik und Text widerstreitendUraufführung der Oper »Das verratene Meer« von Hans Werner Benze an der Deutschen Oper Berlinvon Wolfgang Lange | Seite 51 |
Verhängnisvoller GenerationskonfliktIm Gespräch mit Hans Werner Henzevon Leo Berg und Hans Werner Henze | Seite 52 |
Streben nach glutvoller GenauigkeitIm Gespräch mit dem Dirigenten Giuseppe Sinopolivon Leo Berg und Giuseppe Sinopoli | Seite 53 |
Identitätswechsel. Training zu überlebenHändels »Tamerlan« am Landestheater Hallevon Frank Kämpfer | Seite 55 |
Sehnsucht nach unentfremdeter ProduktionAnmerkungen zu Peter Konwitschnys Umgang mit Georg Friedrich Händelvon Frank Kämpfer | Seite 57 |
Umschau | |
Fades SpektakelLandestheater Dessau: DON GIOVANNl von Wolfgang Amadeus . Mozart; Regie Rüdiger Flohr, musikalische Leitung Sieghard Renner, Ausstattung Carlheinz O. Städtervon Thomas Feist | Seite 59 |
Archetypen menschlichen VerhaltensHamburger Staatsoper: IDOMENEO von Wolfgang Amadeus Mozart; Regie Alfred Kirchner, musikalische Leitung Gerd Albrecht, Ausstattung Rosalievon Nora Eckert | Seite 59 |
Das Machbare tunTheater Zeitz: DER WAFFENSCHMIED von Albert Lortzing; Regie Anett Müller-Nitz a. G. / Lutz Stordel a. G., musikalische Leitung Hans-Frieder Liebmann, Ausstattung Beate Rudnick a. G.von Antje Jonas | Seite 60 |
Nachrichten | Seite 61 |
Festival | Seite 63 |
Moskva-90Eindrücke von einem Festival-Versuchvon Renate Ullrich und Martina Holling | |
Stück | Seite 65 |
Das Haus des ErinnernsStück nach Juri Trifonows Roman »Das Haus an der Uferstraße«von Andreas Knaup | |
Daher kommen wirGespräch mit Andreas Knaupvon Peter Reichel und Andreas Knaup | |
Information | |
Choreographie - Entstehung und Ergebnisvon Anette Reiß | Seite 78 |
Bühnenbildner aus der DDRvon Ingeborg Pietzsch | Seite 78 |
Theatertechnische Gesellschaft in der DDR gegründetvon Jürgen Altmann | Seite 79 |
Personelles | Seite 79 |
Unterwegs | Seite 80 |
Bücher | |
Joachim Herz: Theater- Kunstdes erfüllten Augenblicks.Herausgegeben von Ilse Kobán / Henschelverlag Berlin 1989 / 716 S., 86 Fotos, 35,- Mvon Uwe Hübner | Seite 81 |
Thomas Brasch: Drei Wünsche, sagte der Golem.Gedichte, Stücke, Prosa. Verlag Philipp Reclam, Leipzig 1990, 248 S., 2, - DMvon Hans-Rainer John | Seite 81 |
Sigrid Neef: Das Theater der Ruth Berghaus.Henschelverlag Berlin 1989 / 223 Seiten, zahlreiche Fotos und Abb., 48,- Mvon Uwe Hübner | Seite 82 |
Premieren | Seite 82 |
Vom 16. Juli bis 15. August 1990 | |
Spielpläne | Seite 82 |
Vom 16. Juli bis 15. August 1990 | |
Besetzungen | Seite 83 |
Ur- und Erstaufführungen / Schauspiel / Musiktheater / Tanz | |
Autoren | Seite 88 |
Jürgen Altmann
Leo Berg
Silvia Brendenal
Hinderik de Groot
Friedrich Dieckmann
Volkmar Draeger
Heinz Drewniok
Nora Eckert
Thomas Feist
Dietmar Fritzsche
Jochen Gleiß
Corinna Harfouch
Hans Werner Henze
Martina Holling
Uwe Hübner
Annette Jähn
Hans-Rainer John
Antje Jonas
Frank Kämpfer
Andreas Knaup
Andrea Koschwitz
Friedemann Krusche
Wolfgang Lange
Martin Linzer
Ingeborg Pietzsch
Peter Reichel
Anette Reiß
Dieter Reuscher
Traute Schölling
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