Heft 02/2002
Ein unbekannter Brecht?
"Alle wissen alles" - Auszug und Analyse
Broschur mit 84 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Blinde Flecke: Ein unbekanntes Stück von Brecht, jetzt erst entdeckt? Ganz so einfach ist es nicht. Als 1994 John Fuegis Biografie "Brecht & Co." erschien, wurde seine simple Mitarbeiterinnen-These "sex for text" ziemlich einhellig zurückgewiesen. Vielen galt sie als regelrecht obszön, den meisten als wissenschaftlich unseriös - da nicht beweisbar und in der Haltung äußerst tendenziös. Aber im Grunde war es ein atmosphärischer Rückschlag für die Forschung, zumindest für ihre Darstellung in der breiteren Öffentlichkeit, denn mit Aussagen zum Anteil der koproduzierenden Frauen an einzelnen Werken Brechts wurde man vorsichtiger. Sabine Kebir ging indes stets von einer anderen Seite an das Thema. 1987 erschien ihre Studie "Ein akzeptabler Mann? Streit um Bertolt Brechts Partnerbeziehungen", zehn Jahre später ihr Buch über Elisabeth Hauptmann "Ich fragte nicht nach meinem Anteil". Ihr Thema war nie der so genannte, von Fuegi ausführlich denunzierte laxe Umgang in Fragen geistigen Eigentums, sondern sie suchte zu ergründen, wie Brecht und seine Frauen auch in der Arbeit zeitweilige Gemeinschaft lebten - indem sie zusammen schrieben. Kebir, die derzeit an einer Biografie über Ruth Berlau arbeitet, stellt in ihrem Aufsatz (S. 20) das vergessene Stück "Alle wissen alles" erstmals als Gemeinschaftswerk von Brecht und Berlau vor, bei dem Brecht jedoch der hauptsächliche Teil der Autorschaft zufalle. Ein Schwank, mit dem der listige Augsburger in schwieriger Zeit dann nichts zu tun haben wollte? Oder ist es so, dass der koproduzierende Großmeis er in diesem Fall namentlich auf seinen Anteil verzichtete, ihn gänzlich der Partnerin überließ, obwohl das Stück später, in Amerika, einmal als Stück Brechts angeboten wurde? Sabine Kebir stellt den Fall vor, zusammen mit einem von ihr edierten und kommentierten Auszug aus "Alle wissen alles". Peter Palitzsch erinnert sich im Gespräch (S. 30) an den Regisseur Brecht, dessen Geburtstag sich am 10. Februar zum 104. Mal jährt.
Zu wenig bekannt ist auch das Theater der türkischen Einwanderer. Einer großen Feuilleton-Öffentlichkeit, die auch die nötigen finanziellen Zuwendungen fur die Kultur dieser größten Steuerzahler-Minderheit bewirbt, konnte die erste Einwanderungsgeneration sich kaum erfreuen. Deren in Deutschland aufgewachsene Kinder haben als Autoren und Schauspieler die deutschen Bühnen inzwischen betreten - mit einer selbstbewussten Haltung zu Herkunft, Sozialisation und Wahrnehmung von außen. Feridun Zaimoglu ist einer der wortmächtigsten deutschen Schriftsteller und Journalisten, seine Interviewbände mehrfach schon Stoff für die Bühne - denn sie bieten Figuren, die jenseits der von ihm geschmähten mittelständischen "Stubenprosa" etwas zu erzählen haben. (S. 14 - 19) In der Schweiz rauft man sich die Haare: Neues Theater - ja, aber um welchen Preis? Nach Luzern und Basel hat nun das Hochrechnen von Krise gegen Kunst auch das weithin umwunderte Marthaler-Theater am Schauspielhaus Zürich erreicht. Man möchte meinen, der Prozess dieser eigentlich gar nicht so rasanten, aber nur zu begrüßenden "Theaterumbruchslandschaft" ist unumkehrbar - die Probleme im Swissair-Land aber auch. Während Basel sich über ein immer noch ungewöhnliches Sponsoring für einen neuen Theaterbau freut, ist man in Zürich mit einem solchen, dem vor anderthalb Jahren eröffneten Schiffbau, offenbar nicht mehr so glücklich. Wie so oft wird viel mit Zahlen argumentiert, wenn eigentlich Politik dahinter steckt. (S. 8)
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