Heft 04/2002
Weimar für die Republik
Gespräch mit Stephan Märki
Broschur mit 84 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Reicht es schon? Köln und Weimar, das sind die politischen Pole dieses Hefts. In der einen Stadt stinkt es zum Himmel - und inzwischen auch bis nach Berlin, wo man wieder einmal die Tragödie "Davon konnte ich nichts wissen" und "Die schonungslose Aufklärung" als dazugehöriges Satyrspiel gibt. Letzteres arbeitet laut Theaterlexikon mit einem deutlich kleineren und stärker typisierten Figurenarsenal. Will sagen, einige einstige Mitnichtwisser müssen sich jetzt als Aufklärer profilieren, damit Schummler - und freilich echte Gesetzesbrecher - zu handfesten Schurken werden. Medial mustergültig aufbereitet und ins Übersichtliche verkleinert. So bleibt Franz Müntefering nichts anderes, als Figuren wie den besonders schurkisch wirkenden Kölner SPD-Schatzmeister Manfred Biciste und andere NRW-Genossen in der Müllverbrennungsanlage zu verheizen, während Johannes Rau und Gerhard Schröder angewidert beiseite sehen. Ob das allerdings schon reicht, ist mehr als fraglich. Den Maßstab der Moral pflegt man in der Politik ohnehin nicht anzulegen, auch nicht bei einer Partei, die den Kampf für soziale Gerechtigkeit und gegen Arbeitslosigkeit unentwegt im Munde führt, am Ende aber nur Kapitalflucht begünstigt und Steuergeschenke ans Big Business gemacht hat - während die Kommunen damit steuerlich zerrüttet wurden, was immer wieder als eine der tieferen Ursachen für die Krise der Kulturfinanzierung zu benennen ist. Hier geht es also um Zusammenhänge in großen, in ganz großen Dimensionen. Bei anderen Parteien, die nicht den Immunitätsnebel einer Volkspartei um sich haben, würde der Plot wahrscheinlich anders aussehen. Das rote Satyrspiel wird jedoch wohl wie das schwarze enden: ein paar Nebenfiguren gehen ab, ansonsten Schwamm drüber, der Rhein fließt immer noch in die selbe Richtung.
Was die Theaterszene in der Domstadt angeht, ist Köln nicht gerade spektakulär im Gespräch. Ob freie Szene oder der Riesentanker der Städtischen Bühnen, man hält am Bewährten fest und weiß oft genug, dass es so nicht mehr weitergehen kann (S. 24). Zum Schwerpunkt Kindermusiktheater (S. 6 - 17) konnte NRW-Korrespondent
Christian Peiseler immerhin einen Bericht über Zukunftsträchtiges in Köln beisteuern: das Projekt einer Kinder-Oper, die stark nachgefragt ist und von den jungen Zuschauern gern angenommen wird. Köln ist auch der Sitz des Deutschen Bühnenvereins, der im Streit um das so genannte Weimarer Modell überraschend die Seiten gewechselt hat, von vehementer Ablehnung zu vorsichtiger Befürwortung.
Das Experiment von Weimar betrifft nicht nur den Erhalt des Deutschen NationalTheater in einer relativ kleinen Stadt, die sich gegen die Fusion seines Dreispartenhauses mit dem der Landeshauptstadt Erfurt gestellt hat (wo gerade das Schauspiel in aller Stille geschlossen wird). "Kulturpolitischen Kannibalismus" nannte Jürgen Flimm die Zwangslage, dass die Theater der öffentlichen Hand bei gedeckelten Haushalten unter einer Tarifdiktatur stehen, die ihnen die Luft zum Arbeiten nimmt. Wie sich das DNT daraus befreien will, erklärt Intendant Stephan Märki im Gespräch (S. 4). Sollte das Modell erfolgreich umzusetzen sein, wird es sicher bald andernorts kopiert. Denn es handelt sich um eine mögliche Lösung des strukturellen Problems der gesamten deutschen Theaterlandschaft. Was diese Lösung außerdem bedeutet, ist auch klar: Damit könnte das große Lohndrücken und Outsourcing im Theaterbetrieb beginnen, die auf anderen Feldern längst dazu geführt haben, dass große Teile der arbeitenden Gesellschaft nur noch Gast in ihrer Mitte sind. Wenn sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen weiterhin so drastisch verschlechtern, könnte wenigstens das Theater überleben, wäre großzügig zu schlussfolgern. Aber für wen spielt es dann? Für Spenden-Bicistes und Konsorten mit Geld in den Taschen? Oder für die Aufklärer, die nach vollbrachtem Aufklärungs geschäft zur Entspannung kulturelle Repräsentation pflegen? Oder für alle, die ihnen weiterhin ungläubig zuschauen.
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