Heft 11/2004
Theater und Krieg
Reportagen aus den USA, Afghanistan, Irak, Inguschetien
Broschur mit 84 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Die Welt der Kriegslogik In Carol Reeds Filmklassiker "The Third Man" von 1950 lässt Orson Weiles als Großgauner Harry Lime eine zynische Bemerkung fallen: 30 Jahre Krieg reichten Italien, um Leonardo da Vinci, Michelangelo und die Renaissance hervorzubringen. In der Schweiz ist dagegen seit 500 Jahren Frieden. Und was hat sie vorzuweisen? Die Kuckucksuhr.
Der böse Scherz traf seinerzeit den wunden Punkt. Mitten in die Anfänge des Nachkriegsbooms hinein wurde mit ihm die grausame Dialektik von Krieg und Frieden sichtbar:Wo etwas zerstört ist, kann etwas aufgebaut werden; wo etwas zu Ende geht, kann etwas anfangen. Wie allen Anfängen wohnte auch dem damaligen die Hoffnung inne, dass es der letzte sei, der einen Krieg als Vorläufer braucht. Inzwischen wissen wir, dass die Hoffnung trügerisch war - und leben noch immer in einer Welt, die Krieg für ein probates Mittel hält. Muss man naiv sein, um zu begreifen, dass dieses Mittel den Patienten ruiniert? Wer solches sagt, wird meist der Arglosigkeit bezichtigt. Denn unsere ach so komplizierten Verhältnisse kennen kein einfaches Freund-Feind-Schema mehr, und ja, die Welt teilt sich nicht in gut und böse. Wohl wahr. Allerdings wird gerade dies gern als Entschuldigung dafür genommen, das Nachdenken über Alternativen einzustellen - um sich in einem Leben einzurichten, das eben leider ziemlich unübersichtlich geworden ist. Das aber hieße, der Welt beim Untergehen zuzuschauen. Braucht es Einfalt,um zu sehen, dass man damit am Ende nicht einmal mehr eine Kuckucksuhr in den Händen hält? Vielleicht braucht es ein gesundes Maß an Trotz, um sich die Dinge nicht einfacher zu machen, als sie sind. Auch deshalb hat TdZ im September eine Gesprächsreihe zur Utopie begonnen - weil der Komplexität der Verhältnisse erst dann Rechnung getragen ist,wenn man sie nicht auf die leichte Schulter nimmt. In diesem Heft hat Steffen Richter ein Gespräch mit dem italienischen Schriftsteller und Gelehrten Claudio Magris geführt, der sagt, dass Enttäuschung nicht die Negation des Utopischen ist.
Und TdZ hat den Schwerpunkt dieser Ausgabe dem Thema Krieg und Theater gewidmet. Tom Stromberg hat ein Tagebuch seiner Afghanistan-Reise geschrieben, Peter Krüger eines über seine Theaterarbeit in Inguschetien; wir berichten über das Theater im Irak und über die neu politisierte Theaterszene in New York. Und wir haben uns mit der Dramatikerin Biljana Srbljanovit über ihr neues Stück "God save America", die Situation auf dem Balkan und die Weltpolitik unterhalten. Die Hamburger Literaturwissenschaftlerin Theresia Birkenhauer hat über die antike Tragödie nachgedacht und sieht in dieser eine grundsätzliche Arbeit an der Demokratie. Das alles: Einblicke in die Welt der Kriegslogik. Luk Perceval denkt dagegen über den Krieg aus einer anderen Perspektive nach: "Die eigentliche Frage", sagt er im Gespräch mit TdZ, laute doch "Wodurch entsteht Frieden?" Seine Antwort: "Man muss die Frage nach Krieg und Frieden immer zuerst an sich selbst stellen, ganz persönlich." Und das sei etwas, was die Theatermacher nicht unbedingt tun.
Man streitet in der Welt des Theaters dafür um so lieber über diverse Personalfragen: Ist Christoph Hein der richtige Mann für die künftige Intendanz am Deutschen Theater Berlin? Wir drucken ein Gespräch mit dem designierten Chefder traditionsreichen Bühne, in dem er von seinen Plänen, Hoffnungen und Beweggründen berichtet.
Und wir gratulieren unserer langjährigen Autorin Elfriede Jelinek zum Nobelpreis für Literatur! Mit einem überraschenden Text.
Was erwartet Sie außerdem in diesem Heft? Berichte über den Neustart am Theater in Senftenberg, eine Reportage über ein Theaterfestival in Israel, eine Zusammenschau des Saisonbeginns am Deutschen Theater Berlin und der Abdruck des Stückes "Dionysos Deutschland" von Tom Peuckert.
Bleibt noch, auf die neuesten Bucherscheinungen im Verlag Theater der Zeit hinzuweisen: Anja Dürrschmidt gibt in der Reihe Recherchen den Falk Richter-Band "Das System. Materialien Gespräche Textfassungen zu ,Unter Eis'" heraus. Die zweite Neuerscheinung widmet sich dem Schwerpunktthema des Oktoberheftes: "Kunst-Stimmen", herausgegeben von Doris Kolesch und Jenny Schrödl.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht
die Redaktion
Theresia Birkenhauer
Bodo Blitz
Otto Paul Burkhardt
Tina Fibiger
Andreas Hillger
Morten Kansteiner
Hella Kemper
Peter Krüger
Martin Linzer
Heiner Müller
Matthias Naumann
Anne Peter
Nina Peters
Tom Peuckert
Dirk Pilz
Daniel Schreiber
Shirin Sojitrawalla
Lutz Stirl
Tom Stromberg
Dagmar Walser
Katja Werner
Hawre Zangana
Hans-Christoph Zimmermann
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