Heft 01/2005
Am Anfang
Drei Neustarts in der Freien Szene
Broschur mit 84 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Viel lärm um nichts? Der Aufschrei war groß, der sich Ende November letzten Jahres unter den Künstlern der verschiedensten Gattungen erhob. Unter dem Titel "Wirtschaftliche und soziale Absicherung für Künstlerinnen und Künstler" hatte die Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" zu einer öffentlichen Anhörung geladen und in einer Pressemitteilung vorab die heikle Frage gestellt: "Soll die KSK (Künstlersozialkasse) erhalten werden, kann sie überhaupt erhalten werden?" Das Ende der Künstlersozialkasse wäre für viele freie Künstler in DeutscWand der ultimative Todesstoß, ermöglicht es diese 1983 gegründete Einrichtung doch vielen Kunstschaffenden erst, soziale Absicherungen - wie zum Beispiel eine Krankenversicherung - in Anspruch zu nehmen. Die Aufregung war (zumindest zum Großteil) umsonst, da die Pressemitteilung mehr als nur unglücklich formuliert wurde. Niemand wolle die KSK abschaffen, versicherte man sofort von Seiten der Politik. Die Veranstaltung diene lediglich dazu, die finanzielle Grundlage und Absicherung der KSK neu zu diskutieren. Hintergrund: Der Bund will seine Zuschüsse von derzeit 20% der Versicherungssumme zu Lasten der anderen Beiträger, heißt der "Verwerter" (Verlage, Galerien, Konzertveranstalter etc.), reduzieren. In den vergangenen zwölf Jahren hat sich die Zahl der über die KSK Versicherten mehr als verzehnfacht - Ausgaben, die der Bund nicht mehr tragen kann oder will und weswegen er seinen Beitragssatz schon einmal (von damals 25 auf 20 %) absenkte. Doch auch für die Verwerter stellt eine solche Erhöhung eine Last dar, die sie nicht aufbringen können. War doch deren wirtschaftliche Situation mitverantwortlich dafür, dass immer mehr in künstlerischen Bereichen Tätige aus Anstellungen entlassen wurden, sich fortan als freischaffend durchschlugen und somit die Leistungen der KSK erst in Anspruch nahmen. Ein Teufelskreis par excellence; ein definitiv zu kurzes Hemdchen für alle Beteiligten - und auch die Anhörung im Bundestag brachte keine Lösungen für die verfahrene Situation. Ende 2005 will die Enquete-Kommission mit einer Handlungsempfehlung aufwarten, auf die man heute schon neugierig sein kann. Einen anderen Lösungsweg weist der Kieler Anwalt Andri Jürgensen: Lediglich 50.000 Unternehmen zahlen als Verwerter ihren Beitrag in die KSK-Töpfe. Die Zahl der beitragspflichtigen Unternehmen dürfte wohl um ein Zehnfaches höher liegen. Ein enormes Potential, das zum Beispiel durch eine Aufstockung des KSK-Personals und damit gezielter Recherche nach den schwarzen Schafen der Branche genutzt werden könnte. (weitere Infos aufder website von Andri Jürgensen: www.kunstrecht.de)
Auch TdZ befasst sich in seiner neuen Ausgabe mit dem Theater jenseits der festen Angestelltenverhältnisse. Unabhängig von den sozialen und existenziellen Komponenten der dort Arbeitenden konzentrieren wir uns auf künstlerische Inhalte und beschreiben in unserem Schwerpunkt drei Neustarts renommierter Häuser der Freien Szene: das FFT in Düsseldorf unter Kathrin Tiedemann, die Zürcher Gessnerallee mit Niels Ewerbeck und das Theaterhaus Jena von Markus Heinzelmann und Marcel Klett. Zudem porträtieren wir die deutsch-britische Performancegruppe Gob Squad, die gerade ihr zehnjähriges Bestehen feiert, in einem längeren Interview.
Auch in unserer Reihe Utopien befassen wir uns in der vorliegenden Ausgabe mit Fragen der Ästhetik, der Wirkungsweise und den Möglichkeiten innerhalb der Freien Szene. Judith Malina vom Living Theatre und Vertreter der österreichischen VolxTheaterKarawane diskutierten über ihr Verständnis von politischem Theater und gingen der Frage nach, inwieweit die Kunstauchzur Lebensform werden kann oder sollte.
Fragen, die wohl auch einige Gesprächsteilnehmer der Veranstaltung Hoffnung Theater: Afganistan und Tschetschenien am 20. Januar in der Berliner Akademie der Künste beschäftigen dürften. Unter der Leitung der "Monitor"-Moderatorin Sonia Mikich werden unter anderen Tom Stromberg, Peter Krüger und die deutsch-afghanische Theatermacherin Julia Afifi von ihren Erfahrungen mit Theater in Kriegs- oder Krisengebieten berichten (siehe auch TdZ II/04) - ein Termin, den TdZ seinen Lesern gern empfehlen möchte. Ob die heutigen Kriege mit früheren vergleichbar sind, diese Frage stellt ein Buch, das in diesem Monat im Verlag Theater der Zeit herauskommt und auf das wir an dieser Stelle hinweisen wollen: "Brecht und Krieg. Widersprüche damals, Einsprüche heute" (RECHERCHEN 23), herausgegeben von Sabine Kebir und Therese Hörnigk.
Künstlerische Positionen beschreiben und hinterfragen ebenso die weiteren Artikel in diesem Heft: Elfriede Jelineks Rede zur Verleihung des Literaturnobelpreises, ein Essay zu neuen niederländischen Autoren und deren Stücken, die das Psychologische in den Geschichten für sich entdecken, sowie Gespräche mit den Bühnenmusikern Fritz Feger und Philipp Haagen oder dem französischen Autor und Regisseur Jean Jourdheuil.
Die Redaktion
PS: Ein positiver Ausblick für alle Schauspieler mit vereinzelten Engagements an Stadttheatern: In einem Urteil vom Frühjahr vergangenen Jahres erkannte das Sozialgericht Frankfurt/M. einer Schauspielerin mit Gastverträgen den Status der Selbstständigkeit zu Voraussetzung für die Aufnahme in die KSK. Möglicherweise ein
Präzedenzfall, der vielen Schauspielerlnnen helfen könnte? Die KSK ist gegen das Urteil in Berufung gegangen.
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Editorial | Seite 1 |
Viel Lärm um nichts? | |
Nobelpreis | Seite 4 |
Im AbseitsRede zur Verleihung des Literaturnobelpreises in Stockholmvon Elfriede Jelinek | |
Freie Szene | |
Theatrale SuchbewegungKathrin Tiedemann richtet den Kurs des Düsseldorfer FFT neu ausvon Hans-Christoph Zimmermann | Seite 10 |
OstwildwestDas Theaterhaus Jena unter der neuen Leitung von Markus Heinzelmann und Marcel Klettvon Dirk Pilz | Seite 14 |
Alles neu in ZürichDas Theaterhaus Gessneralle unter Niels Ewerbeckvon Andreas Klaeui | Seite 17 |
PublikumskonfrontationenChristine Wahl im Gespräch mit Johanna Freiburg, Berit Stumpf und Sean Patten von Gob Squad | Seite 20 |
Im Glanz des AlltäglichenEin Porträt des Performers Martin Clausenvon Nina Peters | Seite 24 |
Spielen, zeigen, tun. Und zwar: Live!Die Schweizer Schauspielerin Fabienne Hadorn im Porträtvon Dagmar Walser | Seite 26 |
Utopien | Seite 28 |
Freiheit ist eine AnsichtssacheAus einer Podiumsdiskussion mit dem Living Theatre und der VolxTheaterKarawane | |
Bühnenmusiker | Seite 32 |
Pingpong-SystemSusann Oberacker im Gespräch mit Fritz Feger und Philipp Haagen | |
Ausland | |
Keine Chance für Sigmund FreudAutoren aus den Niederlanden zu entdeckenvon Stefanie Waszerka | Seite 36 |
Der Philosophie Raum gebenJean Jourdheuil bringt "Michel Foucault, choses dites, choses vues" auf die Bühnevon Barbara Engelhardt | Seite 40 |
Politisierung einer ÄsthetikBarbara Engelhardt im Gespräch mit Jean Jourdheuil | Seite 41 |
Auftritt | |
Marius von Mayenburgs "Eldorado" an der Schaubühne uraufgeführtBerlinvon Anja Dürrschmidt | Seite 44 |
TheaterNacht I "Zeit für Helden (oder Die Achse des Guten)" am StaatstheaterCottbusvon Martin Linzer | Seite 45 |
"Tod eines Handlungsreisenden", DEA von Gerhard Meisters "Mieschers Traum"Saarbrückenvon Barbara Engelhardt | Seite 46 |
Brechts "Leben Eduards des Zweiten", Peter Stamms "Die Töchter von Taubenhain"Luzernvon Stefan Koslowski | Seite 48 |
Joshua Sobols "Augenzeuge" am Theater St. Gallen erstaufgeführtSt. Gallenvon Bodo Blitz | Seite 49 |
Caryl Churchills "Die Kopien" und Pirandellos "Sechs Personen suchen einen Autor"Ulmvon Stefan Hilpold | Seite 50 |
"Die Katze auf dem heißen Blechdach", Srbljanovic's "God Save America" am BurgtheaterWienvon Stefan Hilpold | Seite 51 |
Michael Talke inszeniert Schillers "Verschwörung", Thomas Bischoff "Antigone"Bremenvon Alexander Schnackenburg | Seite 53 |
"Irre" nach Rainald Goetz am Hebbel am Ufer von Two Fish aufgeführtBerlinvon Constanze Klementz | Seite 54 |
Tanz am theater magdeburg mit "Eine amerikanische Nacht" von Sommer UlricksonMagdeburgvon Jörg Buddenberg | Seite 55 |
Andreas Bode inszeniert Carl Maria von Webers "Der Freischütz" auf KampnagelHamburgvon Joscha Schaback | Seite 56 |
Kolumne | Seite 57 |
"Weber" ohne Webervon Wolfgang Engler | |
Stück | |
Der totale KulturschockHarald Müller im Gespräch mit Gertrud Leutenegger | Seite 58 |
"Lucretia Borgia"von Victor Hugo | Seite 59 |
Magazin | |
14. Festival zeitgenössischen europäischen Theaters euro-scene Leipzig vom 9. bis 14. November 2004von Frank Weigand | Seite 70 |
15. Frankfurter Autorenforum für Kinder- und Jugendtheater unter sem Motto "Das politische im KJT"von Birgit Lengers | Seite 71 |
BücherErika Fischer-Lichte: Ästhetik der Performativen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main., 2004von Joachim Fiebach | Seite 72 |
BücherShakespeares Königsdramen. Nacherzählt von Urs Widmer. Diogenes, Zürich.von Karim Saab | Seite 73 |
BücherPeter Reichel: Erfundene Erinnerung. Weltkrieg und Judenmord in Film und Theater. Carl Hanser Verlag, München und Wien 2004von Wolfgang J. Ruf | Seite 74 |
BücherWalter Fähnders/Andreas Hansen (Hrsg.): Vom Trottelbuch zum Torpedokäfer. Franz Jung in der Literaturkritik 1912 - 1963. Aisthesis Verlag, Bielefeldvon Hugo Velarde | Seite 74 |
Premierenkalender | Seite 76 |
Januar 2005 | |
Magazin | Seite 78 |
Meldungen | |
Impressum | Seite 79 |
Jahrgangsverzeichnis | Seite 80 |
Index 2004 | |
Kommentar | Seite 80 |
Unter neuer Flaggevon Stefan Grund | |
Vorschau | Seite 84 |
02 / 2005 |
Bodo Blitz
Jörg Buddenberg
Anja Dürrschmidt
Barbara Engelhardt
Wolfgang Engler
Joachim Fiebach
Stefan Hilpold
Victor Hugo
Elfriede Jelinek
Andreas Klaeui
Constanze Klementz
Stefan Koslowski
Birgit Lengers
Martin Linzer
Nina Peters
Dirk Pilz
Wolfgang J. Ruf
Karim Saab
Joscha Schaback
Alexander Schnackenburg
Hugo Velarde
Dagmar Walser
Stefanie Waszerka
Frank Weigand
Hans-Christoph Zimmermann
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