Heft 04/2007
Argentinien
Theater und Straßenkämpfe
Broschur mit 80 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Engagement, ein umstritten Ding Der argentinische Autor und Regisseur Rafael Spregelburd begann in einer Zeit, Theater zu machen, da sein Staat im Chaos zu versinken drohte. Genau wie andere Theaterleute seiner Generation lernte er, dass staatliche Institutionen brüchig sind und nicht beständig. Diese Erfahrung prägte das Bewusstsein seiner Generation, gleichzeitig setzte sie auch ästhetische Energien frei, zeitgleich mit Spregelburd interessierten und engagierten sich zahlreiche Künstler in Argentinien für das Theater, die Theaterszene Argentiniens jenseits der staatlichen Theater erlebte in den 90er-Jahren einen enormen Aufschwung. Zugleich prägte sie Spregelburds Ästhetik. In der Hauptstadt Argentiniens, in Buenos Aires, soll es heute mehr als 400 Theater geben, schreibt der deutsche Theaterregisseur Dirk Cieslak, der bereits mehrere Male in Argentinien gearbeitet hat. Cieslak, der sich über die Berliner Sophiensæle und seine Arbeit mit Laien hinaus einen Namen in der deutschsprachigen Theaterszene gemacht hat, beschreibt für TdZ Szenen aus seiner „Traumstadt" Buenos Aires und gibt einen Eindruck der dortigen freien Theaterszene: „Die meisten existieren ohne staatliche Förderung. Es sind kleine Theater, mit 60, 80 oder manchmal 100 Plätzen. Das funktioniert offensichtlich nur, weil die Menschen ins Theater gehen. Weil ihnen diese Theater wichtig sind. Und zugleich ist Theater nicht wichtig. Es sind keine Orte, an denen man Erlösung vom schlechten Leben in der ästhetischen Erfahrung sucht." Buenos Aires und seiner freien Theaterszene widmet TdZ in dieser Ausgabe einen Schwerpunkt, in dem - zusätzlich zu den Beiträgen Cieslaks und Spregelburds - die Soziologin Ana Longoni den Blick auf ein aus hiesiger Perspektive ungewöhnliches Phänomen lenkt: Sie berichtet über theatrale Interventionen mit einer deutlichen Schlagseite zum sozialen Engagement. Auch wenn die politische Schlagkraft der künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum nicht überbewertet werden dürfen, so waren die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen des Landes seit Ende der Diktatur in den 80er-Jahren stets von künstlerischem Engagement begleitet.
Politisches, künstlerisches Engagement ist auch im 21. Jahrhundert ein umstritten Ding und im deutschsprachigen Theater gehen die Pole und Parolen dabei weit auseinander: Falk Richter hat am Wiener Burgtheater just einen „Julius Cäsar" inszeniert, der auf Eindeutigkeit und ästhetische Affirmation abzielt, eine Tatsache, die Dirk Pilz zu einem Kommentar (s. S. 80) inspiriert hat. Nicolas Stemann hingegen setzt in Schillers „Don Karlos" am Deutschen Theater oder auch in seiner Inszenierung von „Ulrike Maria Stuart", eingeladen zum Theatertreffen im Mai in Berlin, auf Kippfiguren, auf Uneindeutigkeit und Ironie - in einem Gespräch mit TdZ gibt er darüber Auskunft. Wir haben uns mit dem Regisseur in Hamburg getroffen und über Fußball, Schiller, Elfriede Jelinek und den Unterschied zwischen Energielogik und Alltagslogik gesprochen.
Alltagslogisch betrachtet ist es nicht selbstverständlich, dass Thomas Ostermeier, der unter anderem als Ibsen-Regisseur ästhetisch der affirmativen Fraktion anhängt, als Intendant der Berliner Schaubühne einen künstlerisch konträr ausgerichteten Regisseur wie Sebastian Nübling neben sich inszenieren lässt - und dann auch noch Ibsen, Ostermeiers „Hausautor". Nikolaus Merck bespricht diese Produktion für TdZ. Und wir stellen Ihnen mit Debbie Tucker Green eine der ungewöhnlichsten jüngeren britischen Autorinnen vor. Ihr Stück „Stoning Mary" kommt in diesem Monat an der Berliner Schaubühne zur Uraufführung, die Münchner Kammerspiele ziehen kurz darauf nach. Die Schaubühne hat traditionell ein Faible für britische Autoren, insofern ist die Produktion im Kontext des Hausprofils wieder - alltagslogisch.
Eine anregende Lektüre wünscht
die Redaktion
Wolfgang Behrens
Ernst M. Binder
Jörg Buddenberg
Dirk Cieslak
Barbara Engelhardt
Joachim Fiebach
Debbie Tucker Green
Michael Helbing
Morten Kansteiner
Hartmut Krug
Hans-Thies Lehmann
Martin Linzer
Ana Longoni
Nikolaus Merck
Katrin Bettina Müller
Nina Peters
Dirk Pilz
Dagmar Walser
Klaus Witzeling
Maja Zade
Hans-Christoph Zimmermann
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