Heft 01/2010
Europäisches Stadttheater
Die Visionen des Johan Simons
Broschur mit 80 Seiten, Format: 215 x 280 mm
ISSN 0040-5418
In „Naked Lunch“ beschreibt William Burroughs einen Junkie, der versucht, auf Entzug einen Text zu lesen. In der jüngst erschienenen Neuausgabe übersetzt Michael Kellner: „Ich versuche mich auf die Wörter zu konzentrieren ... sie fallen zu einem bedeutungslosen Mosaik auseinander ...“ Ähnlich schwer dürfte es den modernen Kunstnomaden fallen, ihre Erinnerungen aus New Orleans, Wien, Berlin, Damaskus, Gent und Shenzhen zusammenzusetzen. Anlass für TdZ, mit dem neuen Jahr eine halbjährige Reih(s)e über Kunst und Reisen zu starten – in Kooperation mit dem Festival Theater der Welt 2010 und dessen Preview-Serie „Schöne Aussicht“. Den Anfang macht Tim Etchells, der zwischen London, Manhattan, Paris, Göteborg und Gent pendelt. Immer wieder Gent. Wir wissen zwar nicht, was Tim Etchells dort hinzieht, wir aber waren in der schönsten Stadt Belgiens, weil Johan Simons das dortige Theater leitet. Frank Raddatz befragt den künftigen Intendanten der Münchner Kammerspiele zu seinen Erfahrungen mit unterschiedlichen Modellen des Stadttheaters und erfährt, wie die nicht kompatiblen Systeme vielleicht doch demnächst in Bayerns Metropole synchron laufen. Wie auch immer sich ein gesamteuropäisches Theatermodell synthetisiert, inhaltlich geht es doch immer um die Relevanz der Bühne, als letzte Bastion, wo die Lebenden und die Toten einander guten Tag wünschen, wie Meister Simons in einem Kurzessay mit dem Titel „Theater der Erinnerung“ ausführt.
„TdZ entdeckt“ ist eine weitere neue Rubrik dieser Zeitschrift betitelt. Hier stellen wir zukünftig das Gute in Form junger Talente vor. Dass sich die Morgenröte ausgerechnet auf die Schultern der beiden männlichen Protagonisten Alexander Nikolic und Boris Nikitin legt, ist bei der stets um Ausgleich besorgten Genderpolitik des Hauses purer Zufall. Schon Anna Opels Porträt über das postmigrantische Theater Ballhaus Naunynstraße in Berlin-Kreuzberg, wo Shermin Langhoff mit wachsender Fortune postkulturellen Positionen das Wort gibt, stellt die biopolitische Balance wieder her.
Dass die globalisierte Welt inzwischen selbst von Magdeburg Besitz ergriffen hat, belegt die Berufung von Karen Stone vom Opernhaus Dallas in Texas (USA) zur Generalintendantin nach Sachsen-Anhalt. Andreas Hillger hat besonders Schauspieldirektor Jan Jochymski auf die Finger gesehen und gewinnt den Produktionen des Spielplans, für den Chefdramaturg Stefan Schnabel verantwortlich zeichnet, mit wachsender Zuversicht einiges ab. Von der Magdeburger Texas-Connection führt der TdZ-Trip in das Oderbruch, wo das Theater am Rand von anthroposophischem Gedankengut geleitet seine Pfosten (es gibt ein Theatergebäude nebst Amphitheater zu entdecken) aufgeschlagen hat. Auch hier kommen weltumspannende Themen auf die Bretter. Mit großer Literatur wie „Seide“ von Alessandro Baricco oder „Mitten in Amerika“ wird ein wachsendes Publikum in die Ortschaft Zollbrücke gelockt, das, wie sich Tom Mustroph sagen ließ, gern wiederkommt.
Der Lust am Detail, am Schliff der Steine, korrespondiert der Zug ins Weite. Wir berichten über die libanesischen Theaterkünstler Lina Saneh und Rabih Mroué, die im HAU ihre Performance „Foto-Romanze“ über die Wirrnisse des modernen Lebens im vom Bürgerkrieg bedrohten Beirut zeigen. Seine Eindrücke vom 21. Internationalen Festival für experimentelles Theater in Kairo schildert Kay Wuschek. Und, last but not least, berichtet Renate Klett über „Dialoge 09 – MAXXI“, jenen Topos, mit dem Sasha Waltz Zaha Hadids neues Museum für die Künste des 21. Jahrhunderts in Rom erforscht. In diesem Sinne wenden wir uns dem Dialog 10, Diskurs 10, Happening 10, oder was auch immer im Jahr 10 anstehen mag, zu und stoßen mit unseren Lesern auf ein erfolgreiches neues Jahr an.
Die Redaktion
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Künstlerinsert | Seite 2 |
„Dialoge 09 – MAXXI“von Sasha Waltz | |
Aktuelle Inszenierung | Seite 8 |
Alles fließtMit „Dialoge 09 – MAXXI“ erforscht Sasha Waltz Zaha Hadids neues Museum in Romvon Renate Klett | |
Debatte | Seite 12 |
Die Visionen des Johan SimonsDer Regisseur und designierte Intendant im Gespräch über europäisches Stadttheatervon Frank M. Raddatz | |
Essay | |
Theater der ErinnerungWarum nur auf der Bühne Leben und Tod zusammenfinden könnenvon Johan Simons | Seite 16 |
Reisen trübt die SinneSchöne Aussicht (1) – eine Essayreihe über den Zustand zwischen den Ortenvon Tim Etchells | Seite 18 |
TdZ entdeckt | |
Was spricht da?Der Regisseur Boris Nikitin befreit Büchners „Woyzeck“ von seiner Klassizitätvon Sebastian Kirsch | Seite 22 |
Zu Gast bei GästenDer Performer Alexander Nikolic besetzt den öffentlichen Raumvon Susanne Fernandes Silva | Seite 23 |
Freie Szene | |
Was Niyazi willKieztheater und Sammelbecken migrantischer Kunstnomaden – das Ballhaus Naunynstraße in Berlin-Kreuzbergvon Anna Opel | Seite 24 |
„Wir wollen Gegenbilder schaffen“Drei Fragen an Shermin Langhoff, die Leiterin des Ballhaus Naunynstraßevon Anna Opel | Seite 27 |
Neustart | |
Nichts ist ungeheurer als der MenschIntendant Oliver Reese startet am Schauspiel Frankfurt mit Holz und Blut aus der Hauptstadtvon Nicole Gronemeyer | Seite 28 |
Der Mensch dem Menschen ein SchweinKaren Stone hinterfragt am Beginn ihrer Intendanz in Magdeburg das menschliche Miteinander der Gegenwartvon Andreas Hillger | Seite 32 |
Hausporträt | Seite 34 |
Eine Schippe HoffnungDas Theater am Rand im Oderbruch ist ein Theaterwunder an der Peripherievon Tom Mustroph | |
Auftritt | |
StuttgartAm Staatsschauspiel inszenieren Sebastian Baumgarten mit Bulgakows „Die Flucht“ und Jan Neumann mit seiner Stückentwicklung „Fundament“ die Erdbeben unserer Zeitvon Otto Paul Burkhardt | Seite 36 |
HamburgDimiter Gotscheff seziert mit Sophokles’ „Ödipus, Tyrann“ die Geschichte eines Verbrechensvon Gunnar Decker | Seite 38 |
OberhausenIn der „Oberhausener Johannes- Passion“ von Johann Sebastian Bach und Lothar Trolle singen und ringen die gequälten Seelen von heutevon Friederike Felbeck | Seite 39 |
SaarbrückenChristoph Diem zeigt am Saarländischen Staatstheater mit Brechts „Mann ist Mann“ die Herrschaft des Paradoxenvon Gerd Zahner | Seite 40 |
KonstanzKonstanze Lauterbach lässt in Tom Lanoyes „Atropa“ die sechs großen Frauen des Krieges im Blut ertrinkenvon Gerd Zahner | Seite 41 |
RadebeulMit Heiner Müllers „Die Umsiedlerin“ erzählt Arne Retzlaff von Revolutionen und Revolutiönchenvon Michael Bartsch | Seite 42 |
GrazAm Schauspiel Graz verleiht Ingo Berk der „Glut“ nach Sándor Márai neue emotionale Unmittelbarkeitvon Hermann Götz | Seite 43 |
Lesarten | Seite 44 |
Friedrich Schiller „Die Jungfrau von Orleans“Mich zu befreien ist mein einzger Wunschvon Patrick Wengenroth | |
Kolumne | Seite 45 |
Die Guten und die Bösenvon Thomas Thieme | |
Interview | Seite 46 |
Politisch ist ein dummes WortDer Autor Nis-Momme Stockmann im Gespräch mit Dorte Lena Eilersvon Dorte Lena Eilers und Nis-Momme Stockmann | |
Stück | Seite 47 |
„Das blaue blaue Meer“von Nis-Momme Stockmann | |
Magazin | |
Remix der AvantgardenEin Schlaglicht auf das Festival Impulse 2009von Sebastian Kirsch | Seite 61 |
Fenster auf das KommendeDie „Connections“-Reihe beim Spielart-Festival in Münchenvon Willibald Spatz | Seite 62 |
Gegen die BilderflutDas Symposium „War against Terror. Art against War – Irakkrieg und Kunst“ in Wienvon Susanne Fernandes Silva | Seite 64 |
Das sperrige Ding RealitätLina Saneh und Rabih Mroué zeigen ihre „Foto-Romanze“ am Berliner Hebbel am Ufervon Lena Schneider | Seite 65 |
Hamlet von ArabienDas 21. Internationale Festival für experimentelles Theater in Kairovon Kay Wuschek | Seite 66 |
Bücher | |
Kristin Schulz: Attentate auf die GeometrieHeiner Müllers Schriften der „Ausschweifung und Disziplinierung“. Alexander Verlag, Berlin 2009, 408 S., 29,90 EUR.von Sebastian Kirsch | Seite 67 |
Ökonomie im Theater der GegenwartÄsthetik, Produktion, Institution. Hrsg. von Franziska Schößler und Christine Bähr, transcript Verlag, Bielefeld 2009, 370 S., 31,80 EUR.von Anna Opel | Seite 68 |
Linzers Eck | Seite 69 |
21„Es ist viel Dummheit dabei“, aber man sollte die Hoffnung nie aufgeben. Ein Briefvon Martin Linzer | |
etc.von Sebastian Kirsch | |
Aus den Korrespondentenbüros | Seite 70 |
Wuppertal: Schauspielhaus vor dem Ausvon Andreas Rehnolt | |
Düsseldorf: Kinderärzte verschreiben „Theater auf Rezept“von Myrta Köhler | |
Aufgelesenvon Sebastian Kirsch | |
Meldungen | Seite 71 |
Radiovorschau | Seite 72 |
Hingehörtvon Gerwig Epkes | |
Premierenkalender | Seite 73 |
Januar 2010 | |
Jahresindex | Seite 76 |
Theater der Zeit 2009 | |
Impressum | Seite 79 |
Autoren | Seite 79 |
Kommentar | Seite 80 |
Freiheit statt Kultur?von Gunnar Decker | |
Vorschau | Seite 80 |
Theater der Zeit Februar 2010 |
Michael Bartsch
Otto Paul Burkhardt
Gunnar Decker
Dorte Lena Eilers
Gerwig Epkes
Tim Etchells
Friederike Felbeck
Susanne Fernandes Silva
Hermann Götz
Nicole Gronemeyer
Andreas Hillger
Sebastian Kirsch
Renate Klett
Myrta Köhler
Martin Linzer
Tom Mustroph
Anna Opel
Frank M. Raddatz
Andreas Rehnolt
Lena Schneider
Johan Simons
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