Heft 04/2011
B. K. Tragelehn
Der große Einzelne
Broschur mit 80 Seiten, Format: 215 x 280 mm
ISSN 0040-5418
Die Technologie gibt der Welt in diesen Tagen Rätsel auf. Während die Natur in Japan zeigt, wie untauglich das Konzept des autonomen Menschen und seiner technischen Entwürfe für ein dauerhaftes Wirtschaften auf diesem unruhigen Planeten in Wahrheit ist, sind die demokratisierenden Momente von Internet, Handys und handlichen Videokameras angesichts der Revolutionen in Nordafrika offensichtlich. Die Veränderungen in der arabischen Welt bilden einen Schwerpunkt in diesem Heft. So gründet der Umstand, dass die Diktaturen Nordafrikas überhaupt so unüberwindlich schienen, für Etel Adnan nicht auf mangelndem Modernisierungswillen, sondern auf dem Erbe eines nie wirklich erloschenen Kolonialismus. Die Regisseurin Laila Soliman hat für TdZ Szenen aus ihrem ägyptischen Tagebuch zusammengestellt, die den Ablauf der Revolution in Kairo vergegenwärtigen. Ali Samadi Ahadi lässt seinen unbedingt sehenswerten Dokumentarfilm „The Green Wave“ über die Unruhen 2009 in Teheran, der gerade in den Kinos läuft, mit der Prophezeiung enden, dass die Auswirkungen des 2009 im Iran losgebrochenen Erdbebens die ganze Region nachhaltig erschüttern werden. Frank Raddatz diskutiert mit dem iranischstämmigen Filmemacher und Regisseur die Veränderungen vor dem Hintergrund der bundesdeutschen Debatten.
Letztere sind nicht nur von Sarrazin bestimmt, sondern auch immer wieder von der Atomkraft und dem sogenannten Restrisiko, also der nachhaltigen Verstrahlung der Bevölkerung und ihrer Kulturlandschaft. So trifft es den Geist der Zeit, wenn Lars-Ole Walburg als Intendant des Schauspiel Hannover die Freie Republik Wendland aufs innerstädtische Parkett hievt, die einst in Gorleben ausgerufen wurde, um das Endlager Gorleben zu Fall zu bringen. Dorte Lena Eilers sprach mit dem Projektermöglicher, der gerade das Umweltprojekt „Die Welt ohne uns“ von lunatiks produktion verantwortet. Gunnar Decker porträtiert Tobias Rausch und seine lunatiks produktion, die basierend auf Thesen Al an Weismans dem gemeinen Hannoveraner den vegetativen Blick nahebringen.
Dass es das politische Theater eines Tages für nötig befindet, performative Dialoge mit Pflanzen auf die Bühne zu bringen, hätte sich der Brecht-Schüler B. K. Tragelehn sicherlich nicht träumen lassen, als er noch an der Seite des Meisters stand, in dessen Nähe selbst Gespräche über Bäume verpönt waren. Wir freuen uns, dem Weggefährten Heiners Müllers und Einar Schleefs zum 75. Geburtstag gratulieren zu dürfen. Sebastian Kirsch lässt neben dem Regisseur auch den Übersetzer von William Shakespeare, Christopher Marlowe, Ben Johnson, John Ford und John Webster zu Wort kommen. Eine Zeitreise der anderen Art tritt Renate Klett an, die dem komplexen Ineinander der Idee von Gerechtigkeit in Religion und Politik im Kontext des belgischen Regisseurs Guy Cassiers respektive dessen Theaterdichtungen nachspürt. Bildgewaltig – wie im Künstlerinsert zu sehen – auch Dmitry Krymovs Arbeiten. Der russische Regisseur und Bühnenbilder verwebt, so Olga Galachowa, „die Welt der slawischen Mythologie kunstvoll mit dem europäischen Primitivismus. Der groben Körperlichkeit der heidnischen Märchen stellte er moderne Body-Art gegenüber.“
Dagegen entdeckt Friedrich Dieckmann in der Abendröte des alten Europas eine umgreifende Unfähigkeit, die leichten Dinge des Lebens mit Humor zu nehmen. So macht der Kleinbürger selbst vor dem „Rosenkavalier“ nicht halt und hält es hier wie anderswo lieber mit den Stachelbeeren denn mit dornenbewehrten Schönheiten.
Die Redaktion
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Künstlerinsert | Seite 2 |
Bühnenarbeiten von Dmitry Krymovvon Dmitry Krymov | |
Porträt | Seite 8 |
Innere ImperienZwischen heidnischen Märchen und moderner Body-Art – die traumwandlerischen Erfahrungsräume des russischen Regisseurs und Szenografen Dmitry Krymovvon Olga Galachowa | |
Arabische Revolutionen | |
Am WendepunktWarum die Dekolonialisierung in Nordafrika bis heute nicht wirklich stattgefunden hat – und was die jüngsten Ereignisse in der Region daran ändern könnenvon Etel Adnan | Seite 12 |
Die Französische Revolution pflanzt sich fortDer iranischstämmige Filmemacher und Regisseur Ali Samadi Ahadi im Gespräch über den Kampf für Demokratie in der arabischen Welt und die politische Kraft sozialer Netzwerkevon Frank M. Raddatz und Ali Samadi Ahadi | Seite 15 |
Kairo: Ein Tagebuch in Szenen(und vergiss nicht, bei einer Revolution nie Tampons zu tragen)von Laila Soliman | Seite 20 |
TdZ gratuliert | Seite 24 |
Immer wartet im Text etwas auf seine BefreiungDer Regisseur und Dichter B. K. Tragelehn über die Kunst des Übersetzens und die Faszination an alten englischen Stücken. Ein Gespräch zum 75. Geburtstagvon Sebastian Kirsch und B. K. Tragelehn | |
Debatte | Seite 28 |
Wem gehört die Politik?Der Intendant des Schauspiel Hannover Lars-Ole Walburg im Gespräch über Hüttendörfer, konstruktive Kollisionen und Theater als spielerisch-moralische Anstaltvon Dorte Lena Eilers und Lars-Ole Walburg | |
Porträt | |
Der Blick durch die GlasscheibeTobias Rausch von lunatiks produktion probt am Schauspiel Hannover „Die Welt ohne uns“von Gunnar Decker | Seite 32 |
Der BuchflüstererAtemlose Zeitreisen durchs Schattenreich der Künste und Kadaver – der belgische Regisseur Guy Cassiers dichtet mit Theater, lässt Sätze schweben und Bilder sprechenvon Renate Klett | Seite 36 |
Kleist 2011 | Seite 39 |
Dichter in Preußen, Heinrich von KleistKleist 2011 (4): Szenen von Kindern (Berlin, Mitte 1975)von Barbara Honigmann | |
TdZ entdeckt | |
Wer bestimmt, was innen und was außen ist?Die argentinische Schauspielerin, Autorin und Regisseurin Romina Paula ist so vielseitig wie die Wirklichkeit, die sie beschreibtvon Anne Phillips-Krug | Seite 42 |
Sich über Abgründe lachenDie Schauspielerin Inka Löwendorf ist eine virtuose Grenzgängerin – nicht nur zwischen Stadttheater und freier Szenevon Lena Schneider | Seite 43 |
Schnittstellen | Seite 44 |
Am Ende: ein TaschentuchIn der Abendröte des alten Europa: „Der Rosenkavalier“ – Aufführungen in Dresden und Wien zum 100. Jubiläumvon Friedrich Dieckmann | |
Auftritt | |
Bielefeld: Höhenrausch mit HerzTheater Bielefeld: „Falscher Hase“ (UA) von David Gieselmann. Regie Christian Schlüter, Ausstattung Annette Breuervon Christine Adam | Seite 48 |
Düsseldorf: Where is our hero?Tanzhaus NRW: „Prometheus Landschaft II“ von Jan Fabre. Konzept, Regie, Choreografie und Bühnenbild Jan Fabrevon Sebastian Kirsch | Seite 49 |
Mainz: Erweckung aus dem Dornröschenschlaf des AlltäglichenStaatstheater: „Küste“ (DSE) von Wajdi Mouawad. Regie André Rößler, Bühne Tine Becker, Kostüme Simone Steinhorstvon Shirin Sojitrawalla | Seite 50 |
München: Dauer-Dieters AbschiedBayerisches Staatsschauspiel: „Das Käthchen von Heilbronn“ von Heinrich von Kleist. Regie Dieter Dorn, Ausstattung Jürgen Rosevon Christoph Leibold | Seite 51 |
Stendal: Unser täglich SündenbockTheater der Altmark: „Der Held der westlichen Welt“ von John Millington Synge. Regie Hannes Hametner, Ausstattung Christopher Melchingvon Gunnar Decker | Seite 52 |
Lesarten | Seite 53 |
Nikolai Gogols „Revisor“gelesen von Philipp Löhlevon Phillipp Löhle | |
Autorengespräch | Seite 54 |
Hinter den KarpatenDer Autor Lothar Trolle im Gespräch mit Frank Raddatzvon Frank M. Raddatz und Lothar Trolle | |
Stück | Seite 55 |
Der Engel von Sibiuvon Lothar Trolle | |
Magazin | |
Tod in Vancouver?Eine Reise zum Push-Festival in Vancouver lässt erahnen, wie sehr die Theaterlandschaft Kanadas vom Kahlschlag bedroht istvon Alexander Schnackenburg | Seite 62 |
Goethe auf NorwegischDie erste Ausgabe von Fast Forward – dem Europäischen Festival für junge Regie in Braunschweigvon Johanna Egger | Seite 64 |
Die demokratischste der KünsteDie Theaterpädagogin Kristin Wardetzky über den von ihr initiierten Weiterbildungsstudiengang „Storytelling in Art and Education“ an der Berliner UdK, gefragt von Lena Schneidervon Lena Schneider und Kristin Wardetzky | Seite 65 |
etcvon Sebastian Kirsch | |
Bücher | |
Miriam Sachs: Kleist in meiner Küche. Eine moderne NovelleKleist-Archiv Sembdner, Heilbronn 2010, 254 Seiten, 12 EUR, ISBN 978-3- 940494-39-9von Blanche Kommerell | Seite 66 |
Werner Schroeter: Tage im Dämmer, Nächte im RauschAufbau Verlag, Berlin 2011, 228 S., 22,95 EUR, ISBN 978-3-351-02732-2von Gunnar Decker | Seite 67 |
aufgelesenvon Sebastian Kirsch | |
Radiovorschau | Seite 68 |
Hingehörtvon Gerwig Epkes | |
Linzers Eck | Seite 69 |
(34): Wer geht in welches Theater, warum und wie oft? Als Zuschauer oder als Koautor? Eine Bitte um Fakten, Fakten, Faktenvon Martin Linzer | |
Aus den Korrespondentenbüros | Seite 70 |
Stuttgart: Schauspielintendant Hasko Weber kündigt Abschied für 2013 anvon Otto Paul Burkhardt | |
Köln: Politisches Theater um Karin Beiers Abschied 2014von Andreas Rehnolt | |
Kommentar | Seite 71 |
Volkstheater Rostock: Am Scheidewegvon Gunnar Decker | |
Premieren | Seite 72 |
April 2011 | |
Meldungen | Seite 74 |
Vorschau | Seite 79 |
Impressum | Seite 79 |
Autoren | Seite 79 |
Gespräch | Seite 80 |
Was macht das Theater?Dimiter Gotscheff im Gespräch mit Gunnar Deckervon Gunnar Decker und Dimiter Gotscheff |
Christine Adam
Etel Adnan
Otto Paul Burkhardt
Gunnar Decker
Friedrich Dieckmann
Johanna Egger
Dorte Lena Eilers
Gerwig Epkes
Olga Galachowa
Dimiter Gotscheff
Barbara Honigmann
Sebastian Kirsch
Renate Klett
Blanche Kommerell
Dmitry Krymov
Christoph Leibold
Martin Linzer
Phillipp Löhle
Anne Phillips-Krug
Frank M. Raddatz
Andreas Rehnolt
Ali Samadi Ahadi
Alexander Schnackenburg
Lena Schneider
Shirin Sojitrawalla
Laila Soliman
B. K. Tragelehn
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