Thema: who’s next?

Wer die Lacher hat, hat die Macht

Der Berliner Regisseur Christopher Rüping über Humor als Waffe und die Verchaotisierung des Theaterbetriebs im Gespräch mit Dorte Lena Eilers

von und

Christopher Rüping, Sie sind mit Ihrer Stuttgarter Inszenierung von Thomas Vinterbergs „Fest“ zum diesjährigen Berliner Theatertreffen eingeladen – als einer der jüngsten Regisseure. Sagt man sich da: Jetzt hab ich’s geschafft?
Nee, gar nicht. Also bzw. was geschafft? Ich habe schon das Gefühl, dass wir inzwischen im Staatstheatersystem angekommen sind – auch ohne Theatertreffen. Aber vom künstlerischen Standpunkt aus sind wir noch ganz am Anfang, da gibt’s noch so viel zu entdecken und so viele Fehler zu machen.

Foto: Andreas Brüggmann
Foto: Andreas Brüggmann

Wir?
Ja, mein Team: Jonathan Mertz (Bühne), Lene Schwind (Kostüme) und Christoph Hart (Musik). Seit den ersten Produktionen ziehen wir zusammen rum – wie eine Kleinfamilie. Am Anfang haben wir uns von außen reingearbeitet: erst eine kleinere Arbeit, dann eine größere. Dann kam die Einladung zu Radikal jung, und wir haben die Möglichkeit bekommen, an größeren Häusern zu arbeiten. Mit allem, was daran toll ist, und allem, was daran schwierig ist. Und natürlich mit der Frage, wie sehr man sich seit den Anfängen schon hat verbiegen lassen oder selbst verbogen hat.

Was verbiegt einen?
Dadurch dass es nahezu keine objektiven Bewertungskriterien fürs Theater gibt, sind wir ja immer auf subjektive Außenwahrnehmungen angewiesen – also in erster Linie aufs Publikum, dann auf die Kollegen und schließlich auch auf Jurys und Kritiker. Am Anfang, als es nur wenige solcher Außenwahrnehmungen gab, konnten wir uns relativ sicher sein, dass das, was wir machten, tatsächlich das Ergebnis von dem war, was wir machen wollten. Mittlerweile merke ich, dass zumindest ich mich viel mehr konzentrieren muss, um sicherzustellen, dass das, was ich gerade mache, vollständig von hier (zeigt auf sich) kommt.

Die Kritiken zu Ihren Inszenierungen sind teils ziemlich harsch. Einer der Vorwürfe, beim „Fest“ wie auch jetzt bei Ihrer aktuellen Produktion „Romeo und Julia“ am Deutschen Theater Berlin, lautete, dass die starke Ironie, der Witz, der Klamauk in Ihren Arbeiten den tragischen Kern der Stoffe nicht treffen bzw. verdecken würde.
Beim „Fest“ führt dieser Vorwurf meiner Meinung nach genau ins Herz der Vorlage: Es gibt eine tragische Wahrheit (die Vergewaltigung durch den Vater), und diese wird von der Familie durch Ironie, Witz und Klamauk verdrängt oder besser: bekämpft. Da ist der Witz offene und gegen Ende verzweifelte Aggression. Einer sagt: Du hast mich vergewaltigt, und der andere sagt: Ja dann Prost und jetzt mal alle Polonaise. In diesem Fall scheint es mir sehr offensichtlich zu sein, dass der Humor hier keine Masche ist, dass wir uns nicht über irgendetwas lustig machen – sondern dass wir, im Gegenteil, versuchen, den Inhalt der Vorlage in eine Form für den Abend zu übersetzen.

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