Heft 05/2015
Song of Smoke
Der Regisseur und Musiker Thom Luz
Broschur mit 104 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
- Inkl. Autorenwettbewerb St. Gallen und Konstanz
Bleierne Zeit. Wer da reflexartig an Adenauer denkt, müsste sein Denken womöglich überdenken. Warum? Die Gründe liegen hier: in Berlin, Rostock und Dessau, wo eine einzigartige Volksbühnenära enden soll, nur weil ein Kulturstaatssekretär hippe Eventkultur favorisiert. Wo ein Intendant – fast (?) – demontiert wird, der enthusiastisch an die Rettung des Volkstheaters glaubt. Und wo ein erfolgreicher Theaterleiter aufgrund finanzieller Streitigkeiten geschasst wird. Drei Theater, drei Städte. Und dreimal SPD. „Das immer stärkere Gefühl, in einer ,bleiernen Zeit‘ zu leben“, schreibt Gunnar Decker in seinem Kommentar, „wird zuerst der SPD und nicht der CDU angelastet.“ Es seien Länder und Kommunen unter SPD-Kulturpolitikern, in denen „sozialdemokratische Werte (darunter das Recht auf bezahlbare Kultur und Bildung für alle!)“ aufgegeben und lang gewachsene Strukturen zerstört werden, „auch das Stadttheater (…), Orte öffentlicher Selbstverständigung über die Grundwerte unserer Gesellschaft“. Sein Appell an die Politik: Korrigiert euch!
„Dem Theater wird das nötige Geld zugesteckt (…), aber ja nicht so viel, dass es auf dumme Ideen kommen könnte.“ Auch Mehmet Sözer diagnostiziert dem Theater eine schwere Zeit, zielt jedoch weniger auf die Kulturpolitik als auf den Betrieb selbst. Dieser nämlich halte überhaupt nicht, was er verspreche: „der Ort zu sein, an dem (…) die gesellschaftlichen Gegebenheiten verändert werden können.“ Der Schauspieler ist einer von sechs jungen Theatermachern, die wir anlässlich des Berliner Theatertreffens, der großen Betriebsfeier schlechthin, vorstellen. Ein Schwerpunkt über Spielwut, Idealismus und die Verchaotisierung des Betriebs mit den beiden zum diesjährigen Theatertreffen eingeladenen Regisseuren Thom Luz und Christopher Rüping, der Dresdner Schauspielerin Lea Ruckpaul, einem Plädoyer gegen die Vereinzelung von Mehmet Sözer sowie einem Künstlerinsert des Regisseurs Alexander Giesche. Dazu veröffentlichen wir das Stück „Kings“ von Nora Abdel- Maksoud, das, wie sie im Interview erklärt, untersucht, warum es nicht funktioniere mit der Rebellion, weder in der Kunst noch außerhalb. Vielleicht, vermutet sie, weil man nur mit der eigenen Selbstverwirklichung beschäftigt sei, weil gar kein Interesse bestehe, sich einem gemeinsamen, übergeordneten Gedanken anderen Zusammenlebens anzuschließen.
Damit ist die Schauspielerin, Autorin und Regisseurin einem großen Theaterdenker auf der Spur: Wolfgang Engler. Der Kultursoziologe eröffnet in diesem Monat unsere Reihe zum Thema Neuer Realismus, in der wir Künstler und Theoretiker danach befragen, wie sich gesellschaftliche Realität heute wieder mit den Mitteln der Kunst begreifen lässt. Das fatale Signum unserer postmodern- neoliberalen Gegenwart sei es, analysiert Engler, die Gesellschaft in eine Ansammlung isolierter Einzelner zu verwandeln. Daher arbeiten „Realisten im Zeitalter der Postmoderne (…) zuerst und vor allem an der Wiederherstellung des sozialen Sinns“.
Die Realitäten auf monetärer Basis könnten in Griechenland und der Schweiz unterschiedlicher nicht sein. Wir beschäftigen uns in diesem Heft mit dem 2. Schweizer Theatertreffen, stellen in einem Insert den 3. Autorenwettbewerb der Theater St. Gallen und Konstanz vor und erfahren von unserer Schweiz-Korrespondentin Kaa Linder, warum es mit der helvetischen Selbstreflexion mitunter dennoch nicht klappt. Dem gegenüber steht ein Interview mit Nikos Xydakis, dem stellvertretenden griechischen Kulturminister, der im Gespräch mit Torsten Israel erklärt, wie die Kultur in Griechenland mit sparsamsten Mitteln überleben könnte: „mit Einfallsreichtum und Intelligenz, nicht so sehr mit Geld“.
„Managerkrankheiten“ – so heißt denn auch die Kolumne von Kathrin Röggla, die wir mit diesem Heft ganz herzlich als unsere neue Kolumnistin begrüßen. Die Schriftstellerin denkt in ihrem Text über typische, auch im künstlerischen Bereich anzutreffende Verhaltensweisen nach, die leider nur allzu oft mit marktkonformen Prinzipien korrelieren: das strategische Operieren, ein Handeln ausschließlich zu Profilierungszwecken. Dabei liegt der Beginn eines anderen Miteinanders schon in der Sprache, wie Kathrin Röggla an einem Abend feststellt, „an dem einfach nur geredet wird“: „Keine strategische Abgrenzungsrhetorik dominiert den Abend, und die Warenform der mich umstehenden Gedanken hat mich für einen Moment einfach ausgelassen.“ //
Die Redaktion
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Thema: who’s next? | |
Künstlerinsert Visual Poemsvon Alexander Giesche | Seite 4 |
Der GastgeberDer Videokünstler und Regisseur Alexander Giesche lädt mit seinen atmosphärischen Visual Poems zur Kontemplation einvon Mirka Döring | Seite 8 |
Song of SmokeDer Zürcher Regisseur und Musiker Thom Luz erschafft vom Nullpunkt des Theaters aus Welten von gesteigerter Aufmerksamkeit | Seite 12 |
Wer die Lacher hat, hat die MachtDer Berliner Regisseur Christopher Rüping über Humor als Waffe und die Verchaotisierung des Theaterbetriebs im Gespräch mit Dorte Lena Eilersvon Dorte Lena Eilers und Christopher Rüping | Seite 14 |
Tänzerin im SturmDie Dresdner Schauspielerin Lea Ruckpaulvon Gunnar Decker | Seite 16 |
Was kann man tun?Ein Plädoyer gegen die Vereinzelungvon Mehmet Sözer | Seite 18 |
Die Apathie der PrivilegiertenDie Autorin, Schauspielerin und Regisseurin Nora Abdel-Maksoud über eigene Rollenwechsel und falsche Künstlerbilder im Gespräch mit Theresa Schützvon Nora Abdel-Maksoud und Theresa Schütz | Seite 22 |
Kommentar | Seite 25 |
Korrigiert euch!Theaterdämmerung in Berlin, Rostock, Dessauvon Gunnar Decker | |
Neuer Realismus | |
Neuer RealismusEine Einleitungvon Nicole Gronemeyer | Seite 26 |
Es geht (wieder) um den RealismusDie Zersplitterung des Sozialen und ihre Überwindungvon Wolfgang Engler | Seite 27 |
Kolumne | Seite 31 |
Managerkrankheitenvon Kathrin Röggla | |
Ausland | Seite 32 |
Kunst und Krise unter der AkropolisNikos Xydakis, stellvertretender Minister des Bereichs Kultur im Ministerium für Bildung, Kultur und Religion Griechenlands, über eine Aufbruchstimmung, die versucht, der Krise zu trotzen. Ein Gespräcvon Torsten Israel und Nikos Xydakis | |
Protagonisten | |
Mein Flug ist der AufstandAndré Bücker setzt seiner Intendanz am Anhaltischen Theater Dessau mit Goethes Freiheitsdrama „Götz von Berlichingen“ ein furioses Endevon Gunnar Decker | Seite 36 |
Das andere TheatertreffenSarah Müller, Leiterin des Schweizer Theatertreffens, und Adrian Marthaler, Präsident des Vereins Schweizer Theatertreffen, über die zweite Runde der dreisprachigen Leistungsschau im Gespräch mit Dortvon Dorte Lena Eilers, Sarah Müller und Adrian Marthaler | Seite 38 |
3. Autorenwettbewerb der Theater St.Gallen und Konstanz | Seite 41 |
Schreiben am TheaterDas Fördermodell des Autorenwettbewerbs der Theater St.Gallen und Konstanzvon Thomas Spieckermann | |
Finalisten: „Die Zärtlichkeit der Hunde“von Uta Bierbaum | |
Finalisten: „Über meine Leiche“von Stefan Hornbach | |
Finalisten: „Mumien“von Mehdi Moradpour | |
Finalisten: „Hund“von Sarah Trilsch | |
Schreibzeit: Ivna Žic, Gewinnerin des 1. Autorenwettbewerbs der Theater Konstanz und St.Gallen, im Gespräch mit Patrick Wildermannvon Patrick Wildermann und Ivna Žic | |
Arbeiten – nicht quatschen: Dmitrij Gawrisch, Gewinner des 2. Autorenwettbewerbs der Theater Konstanz und St.Gallen, im Gespräch mit Patrick Wildermannvon Patrick Wildermann und Dmitrij Gawrisch | |
Protagonisten | |
Helvetische SelbstreflexionZwei Theaterprojekte wollen die Schweiz aufs Korn nehmen, scheitern aber an altbekannten Klischeesvon Kaa Linder | Seite 42 |
Reise ins Innere der StadtWie unter der neuen Intendantin Susanne Abbrederis das schmerzlich zusammengeschrumpfte Wuppertaler Schauspiel aus sich selbst heraus seinen Platz im Leben der Wuppertaler suchtvon Martin Krumbholz | Seite 46 |
SCORES – Insert Tanzquartier Wien | Seite 49 |
bastard CROWD [mobile]von Daniel Aschwanden und Conny Zenk | |
Thinking Matters Other Othersvon Nikolaus Gansterer | |
Auftritt | |
Berlin: Die utopische Torte der FreundschaftBallhaus Ost: „Société des Amis. Tindermatch im Oderbruch“ von Nele Stuhler und Jan Koslowski. Regie Jan Koslowski, Bühne Chasper Bertschinger, Kostüme Svenja Gassenvon Patrick Wildermann | Seite 51 |
Hamburg: Gesellschaft von FremdenThalia Theater: „Ich rufe meine Brüder“ von Jonas Hassen Khemiri. Regie Anton Kurt Krause, Ausstattung Sibylle Wallumvon Natalie Fingerhut | Seite 52 |
Hamburg: Wiedergänger des ImmergleichenDeutsches Schauspielhaus Hamburg: „Pastor Ephraim Magnus“ von Hans Henny Jahnn. Regie Frank Castorf, Bühne Aleksandar Denic, Kostüme Adriana Braga Peretzkivon Thomas Irmer | Seite 53 |
Lausanne: Die PopcornfrauThéâtre Vidy-Lausanne: „Cinéma Apollo“ von Michel Deutsch und Matthias Langhoff frei nach Alberto Moravias Roman „Die Verachtung“. Regie Matthias und Caspar Langhoff, Ausstattung Catherine Ranklvon Maurice Taszman | Seite 54 |
Mülheim an der Ruhr: Verkaterte ExistenzenTheater an der Ruhr: „Auf der großen Straße“ von Anton Tschechow. Regie und Bühne Jo Fabian, Kostüme Katharina Lautsch und Jo Fabianvon Friederike Felbeck | Seite 55 |
München: Sigis SixpackMünchner Volkstheater: „Siegfried“ (UA) von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel. Regie Christian Stückl, Ausstattung Stefan Hageneiervon Christoph Leibold | Seite 56 |
Stück | Seite 58 |
Kingsvon Nora Abdel-Maksoud und Nora Haakh | |
Magazin | |
Harte Jungs und dicke DamenAuftritt Volk – das 2. Bürgerbühnenfestival, ein deutsch-europäisches Theatertreffen, fand in diesem Jahr am Nationaltheater Mannheim stattvon Ralf-Carl Langhals | Seite 71 |
FF > REWFFDas junge estnische Theater ist experimentierfreudig und technikverliebt – und erzählt damit auch etwas über sein Landvon Mirka Döring | Seite 72 |
Gewalt und ZärtlichkeitRainer Werner Fassbinder, der wegweisende Regisseur des Neuen Deutschen Films, wäre in diesem Monat junge siebzig Jahre alt gewordenvon Gunnar Decker | Seite 74 |
kirschs kontexte: Treibstoff TragödieVon der Pest der Äquivalenzvon Sebastian Kirsch | Seite 75 |
Ich wollte nie was werdenZum Tod des Dokumentarfilmers Peter Voigtvon Stephan Suschke | Seite 76 |
Genosse ZukunftHeiner Müller: Warten auf der Gegenschräge. Gesammelte Gedichte. Hg. von Kristin Schulz, Suhrkamp Verlag, Berlin 2014, 675 S., 49,95 EUR.von Wolfgang Engler | Seite 78 |
Boy meets worldDirk Laucke: Mit sozialistischem Grusz. Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2015, 208 S., 10,99 EUR.von Kerstin Car | Seite 79 |
Hallo … hier: … IchPeterLicht: Lob der Realität. Blumenbar im Aufbau Verlag, Berlin 2014, 240 S., 18 EUR.von Dorte Lena Eilers | Seite 79 |
Aktuell | Seite 80 |
Meldungen | |
Aktuell: in nachbars garten | |
Film: Also machen wir das weiter …von Ralf Schenk | Seite 82 |
Literatur: Nachrichten aus der Vergangenheitvon Katrin Schuster | Seite 82 |
Kunst: Visionäre Partiturvon Ute Müller-Tischler | Seite 83 |
Musik: Tanzen voll okay!von Otto Paul Burkhardt | Seite 83 |
Aktuell | Seite 84 |
PremierenMai 2015 | |
TdZ on Tour | Seite 86 |
Impressum/Vorschau | Seite 87 |
Gespräch | Seite 88 |
Was macht das Theater, Wilfried Schulz? |
Nora Abdel-Maksoud
Daniel Aschwanden
Uta Bierbaum
Otto Paul Burkhardt
Kerstin Car
Gunnar Decker
Mirka Döring
Dorte Lena Eilers
Wolfgang Engler
Friederike Felbeck
Natalie Fingerhut
Nikolaus Gansterer
Dmitrij Gawrisch
Alexander Giesche
Nicole Gronemeyer
Nora Haakh
Stefan Hornbach
Thomas Irmer
Torsten Israel
Sebastian Kirsch
Martin Krumbholz
Ralf-Carl Langhals
Christoph Leibold
Kaa Linder
Adrian Marthaler
Mehdi Moradpour
Sarah Müller
Ute Müller-Tischler
Kathrin Röggla
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Ralf Schenk
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