Heft 05/2016
Frau Kulturstaatsministerin Grütters – greifen Sie ein!?
Broschur mit 88 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
- Enthält großen Sachsen-Schwerpunkt
Freitag, 1. April, Bundeskanzleramt. Die erste Hürde auf dem Weg zu Kulturstaatsministerin Monika Grütters ist geschafft: fünf Polizisten in schusssicheren Westen. Der Sicherheitscheck unserer Daten hatte offenbar nichts Auffälliges ergeben. Wir sind drin – nun heißt es warten. Im Foyer springt uns im Tagesspiegel eine Schlagzeile entgegen. Der IS hat ein neues Video produziert, darin zu sehen: das Bundeskanzleramt, wie es von einem Panzer angegriffen wird. So ist die Lage. Terrorangst vermischt sich mit Populismus vermischt sich mit Fremdenfeindlichkeit vermischt sich mit Hass. Und das Theater fängt all dies auf?
Wir haben die oberste Frau im Staat in Sachen Kultur zum großen Gespräch gebeten. Monika Grütters ist seit Dezember 2013 Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Ihr Büro liegt im achten Stock des Bundeskanzleramtes, der Panoramablick gewährt Aussicht auf nahezu jeden, der sich nähert. Vielleicht daher ihre Zuversicht. Im Interview mit Dorte Lena Eilers und Gunnar Decker erläutert die Kulturstaatsministerin, warum sie in der momentanen Situation ganz besonders an die Kraft der Kultur glaubt. An die Theater als „Seismografen“ der gegenwärtigen Verwerfungen. Und an die Künstler als „Stachel im Fleisch der Gesellschaft“. Doch wie geht diese Auszeichnung von oberster Stelle einher mit dem immer existenzieller werdenden Überlebenskampf einiger Theater? „Kultur ist Ländersache“, sagt Monika Grütters. Der Bund tue, was er darf und kann.
Als Vorbild in Sachen Finanzen gilt seit langem das Kulturraumgesetz in Sachsen. Doch wer genau hinschaut, entdeckt auch hier Ecken und Kanten. Vom 18. bis zum 22. Mai findet in Bautzen/ Budyšin das 9. Sächsische Theatertreffen statt. Wir nehmen diese Leistungsschau zum Anlass für eine groß angelegte Exkursion durch die sächsischen Theater – von der Landesbühne bis zum Staatstheater, von Plauen bis Görlitz, von Zittau bis Leipzig. Die Beiträge beleuchten nicht nur die strukturellen Herausforderungen, sie zeigen vor allem den künstlerischen Anspruch der Häuser, ihren Willen zur Einmischung und zum Dialog mit dem Publikum.
Neben Sachsen liegt Sachsen-Anhalt – liegt Nordkorea? Kathrin Röggla beschäftigt sich in ihrer Kolumne mit dem Parteiprogramm der AfD in Sachsen-Anhalt. „Die Bühnen des Landes“, heißt es darin, „sollen (…) stets auch klassische deutsche Stücke spielen und sie so inszenieren, dass sie zur Identifikation mit unserem Land anregen.“ Besser könne man das in Nordkorea auch nicht machen, zitiert Röggla eine Rede von Ulrich Matthes anlässlich der Verleihung des großen Kunstpreises des Landes Berlin an Frank Castorf. Was also tun? Sich in der eigenen Crowd sicher fühlen, die doch wiederum nur aus einer Art Konsensgefühl besteht? „Permanentes Echtzeittheater“ zelebrieren, „ irgendwo im Echtzeittunnel von Spiegel Online entlang“?
Lothar Trolle, unser Stückautor im Mai, liefert einen Gegenentwurf dazu. Er hat Inge Müllers Prosafragment „Ich Jona“ fortgeschrieben. „Jona“ ist die Geschichte einer jungen Frau in und nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Gespräch mit Thomas Irmer erläutert Trolle: „Jona steht, wenn wir die Gegenwart betrachten, den Flüchtlingen, die aus dem Krieg kommen, näher als unsereiner. Du bist konfrontiert mit Konflikten, die kaum lösbar sind. Entwurzelt, wie du bist, hast du nur noch deine nackte Existenz. Und das macht die Figur der Jona so zeitgenössisch.“
Diese radikal-existenzielle Verlorenheit ist auch in dem neuen Stück des britischen Regisseurs Simon McBurney zu finden. „The Encounter“ handelt von dem National-Geographic-Fotografen Loren McIntyre, der sich in den Tiefen des Amazonas verirrt. McBurney hat daraus ein luzides Hörstück entwickelt, das einen, wie Renate Klett in ihrem Porträt beschreibt, in „einen inneren Dialog treten“ lässt, „der ohne Worte auskommt“. McBurney ist ein Regisseur, der ganz aus seiner Kunst heraus operiert. Theater, schreibt Klett, sei für ihn der letzte Ort der Kommunikation. //
Die Redaktion
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Künstlerinsert | |
Kostümevon Beatrix Brandler | Seite 4 |
Die zweite HautBeatrix Brandler entwirft für das Berliner Theater RambaZamba Kostüme, die das Spiel der Schauspieler beatmenvon Gunnar Decker | Seite 8 |
Protagonisten | Seite 10 |
Die Frage nach SpritKulturstaatsministerin Monika Grütters über Theater als geistige Tankstellen und fatale Kürzungen kultureller Etats im Gespräch mit Dorte Lena Eilers und Gunnar Deckervon Gunnar Decker, Dorte Lena Eilers und Monika Grütters | |
Kolumne | Seite 15 |
Neben Nordkoreavon Kathrin Röggla | |
Thema | |
Stolzes oder lästiges Erbe?Sachsen gibt im Ländervergleich das meiste Geld für Kultur aus – die Theater müssen dennoch gegen den Rotstift kämpfenvon Michael Bartsch | Seite 17 |
Am RandDas Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau macht viel aus seiner geografischen und wirtschaftlichen Grenzlagevon Michael Bartsch | Seite 20 |
Heimkehr des OdysseusDer deutsch-sorbische Schauspieler und Regisseur Mirko Brankatschk im Gespräch mit Gunnar Deckervon Gunnar Decker und Mirko Brankatschk | Seite 22 |
Die BürgerbühneDer Dresdner Intendant Wilfried Schulz über die Öffnung des Staatsschauspiels zur Stadt und ihren Themen – auch zu jenen, die montags durch die Straßen tönenvon Thomas Irmer und Wilfried Schulz | Seite 24 |
Mitten im UmzugDas tjg. theater junge generation in Dresden macht sich auf den Weg in ein neues Quartiervon Thomas Irmer | Seite 26 |
Stadt, Land, BusDie Landesbühnen in Radebeul sind das mobilste Theater Sachsensvon Thomas Irmer | Seite 28 |
Utopist unter HandwerkernSchauspieldirektorin Annett Wöhlert inszeniert „Hamlet“ am Mittelsächsischen Theater Freiberg / Döbeln. Ein Probenbesuchvon Gunnar Decker | Seite 30 |
Hinterm Berg?Das Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz changiert erfolgreich zwischen Tradition und Modernevon Andreas Herrmann | Seite 32 |
Festung Ich?Das Theater Chemnitz lotet Machtfragen aus – und holt sich dafür Verstärkung aus Polenvon Gunnar Decker | Seite 34 |
Gegenwart trifft AntikeIntendant Enrico Lübbe über seine ersten drei Jahre am Schauspiel Leipzig im Gespräch mit Gunnar Deckervon Gunnar Decker und Enrico Lübbe | Seite 36 |
KlassenbesterDas Theater der Jungen Welt Leipzig ist national und international erfolgreich – nur die virtuellen Welten muss es sich noch erobernvon Christian Horn | Seite 38 |
Anspielen gegen den NiedergangDie Fusion der Theater Zwickau und Plauen hat die Bühnen keineswegs stabilisiertvon Michael Bartsch | Seite 41 |
Protagonisten | |
Das große LeuchtenDer britische Weltregisseur Simon McBurney spricht gern von Theater als dem letztem Ort der Kommunikation – und liefert den Beweis gleich mitvon Renate Klett | Seite 44 |
Im NervenzentrumDie neuen Leiter der Münchener Biennale Manos Tsangaris und Daniel Ott über die Analyse der Realität mit kompositorischen Mitteln im Gespräch mit Dorte Lena Eilersvon Dorte Lena Eilers, Manos Tsangaris und Daniel Ottzum Online-Extra: Im Nervenzentrum | Seite 48 |
Nährboden WinkelwieseUnter dem neuen Intendanten Manuel Bürgin soll das Theater Winkelwiese in Zürich zu einem Habitat für Sprache werdenvon Elisabeth Feller | Seite 50 |
Gerade noch davongekommen?Die Zürcher Theaterszene ist aufgeschreckt. Manuel Bürgin über die aktuelle Zürcher Kulturpolitik im Gespräch mit Elisabeth Fellervon Manuel Bürgin und Elisabeth Feller | Seite 51 |
Auftritt | |
Essen: Ein Engel für den Nahen OstenSchauspiel Essen: 4. „Stück auf!“-Marathon mit Rinus Silzle, Bonn Park, René Braun, Charlotte Roos, Christiane Kalss, Andreas Erdmann, Martina Clavadetscher und Jürgen Neffvon Friederike Felbeck | Seite 53 |
Freiburg / Basel: Romantik trifft SynthetikTheater Freiburg/Kaserne Basel: „Naturzwei“ von Christoph Frick, Martin Schütz und Bo Wiget. Regie Christoph Frick, Ausstattung Clarissa Herbstvon Bodo Blitz | Seite 54 |
Genf / Stratford-Upon-AvonShakespeare – irgendwo in Afrikavon Christoph Leibold | Seite 55 |
Lübeck: Kinder des EnnuisTheater Lübeck: „Kinder der Sonne“ von Maxim Gorki. Regie Marco Štorman, Bühne Frauke Löffel, Kostüme Sara Schwartzvon Anja Nioduschewski | Seite 57 |
München: Der aufrecht VerloreneResidenztheater: „Die Abenteuer des guten Soldaten Švejk im Weltkrieg“ nach Jaroslav Hašek. Regie Frank Castorf, Bühne Aleksandar Denic, Kostüme Adriana Braga Peretzkivon Thomas Irmer | Seite 58 |
Oslo: SpurensicherungDet Norske Teatret: „Der Zweite Weltkrieg – Eine Nacht auf Erden“ von Lukas Bärfuss, Oleg Bogajew, David Greig und Maria Tryti Vennerød sowie mit Texten von Jens Raschke und Joseph Goebbels. Regie Erivon Dorte Lena Eilers | Seite 59 |
Stuttgart: Und dann wird alles wie immer seinSchauspiel Stuttgart: „I’m searching for I:N:R:I (eine kriegsfuge)“ von Fritz Kater (UA). Regie Jossi Wieler, Ausstattung Anja Rabesvon Otto Paul Burkhardt | Seite 61 |
Stück | |
Existenzielle EntwurzelungDer Dramatiker Lothar Trolle über seine Bearbeitung von Inge Müllers Prosafragment „Ich Jona“ im Gespräch mit Thomas Irmervon Lothar Trolle und Thomas Irmer | Seite 62 |
Jona(nach Inge Müller)von Lothar Trolle | Seite 64 |
Magazin | |
Fördere deine SelbstartikulationDie Tanzplattform 2016 am Künstlerhaus Mousonturm in Frankfurt am Main zeigt ein großes Spektrum an Formen, Formaten und Themenvon Stefanie Carp | Seite 75 |
Heiner Müller am ApparatBeim Festival „Heiner Müller!“ im Berliner HAU – Hebbel am Ufer ruckelte und zuckelte die postdramatische Generation am Dichter und Dramatiker herumvon Tom Mustroph | Seite 76 |
Raus aus den BananenkistenDas Forschungsprojekt „Performing the Archive“ hat die Arbeit an einem Archiv des freien Theaters aufgenommenvon Henning Fülle | Seite 78 |
Tiere sehen dich anN. M. Stockmann: Der Fuchs. Roman. Rowohlt 2016, 24,95 EUR.; R. Schimmelpfennig: An einem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Roman. S. Fischer 2016, 19,99 EUR.von Christoph Leibold | Seite 80 |
kirschs kontexte: Warten auf GodeauNeuigkeiten von Beckettvon Sebastian Kirsch | Seite 81 |
Meldungen | Seite 82 |
Aktuell | |
TdZ on Tour | Seite 83 |
PremierenMai 2016 | Seite 84 |
Impressum/Vorschau | |
Gespräch | Seite 88 |
Was macht das Theater, Mudar Alhaggi?von Tom Mustroph und Mudar Alhaggi |
Mudar Alhaggi
Michael Bartsch
Bodo Blitz
Beatrix Brandler
Mirko Brankatschk
Manuel Bürgin
Otto Paul Burkhardt
Stefanie Carp
Gunnar Decker
Dorte Lena Eilers
Friederike Felbeck
Elisabeth Feller
Henning Fülle
Monika Grütters
Andreas Herrmann
Christian Horn
Thomas Irmer
Sebastian Kirsch
Renate Klett
Christoph Leibold
Enrico Lübbe
Tom Mustroph
Anja Nioduschewski
Daniel Ott
Kathrin Röggla
Wilfried Schulz
Lothar Trolle
Manos Tsangaris
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Im NervenzentrumDie neuen Leiter der Münchener Biennale Manos Tsangaris und Daniel Ott über die Analyse der Realität mit kompositorischen Mitteln im Gespräch mit Dorte Lena Eilersvon Dorte Lena Eilers, Manos Tsangaris und Daniel Ottzum Online-Extra: Im Nervenzentrum |
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