Heft 03/2017
Alles außer gewöhnlich
Die Schauspielerin Jana Schulz
Broschur mit 104 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
- Stückabdruck: 16 internationale Kurzstücke zum Thema „Privacy“
- Schwerpunkt: Chor
Dienstagmorgen in Berlin, ein eisiger Wind pfeift über den Alexanderplatz. Dort haben sich schon einige Hundert Menschen versammelt, sie tragen bunte Westen, in den Händen halten sie Transparente und Schilder aus Pappe, die mit politischen Forderungen beschriftet sind. Es sind vor allem die Erzieher und Lehrer, die sich hier versammelt haben, sie befinden sich im Streik. Sie formieren sich zu Gruppen, vereinzelt stimmen sie Sprechchöre an. Der öffentliche Raum ist eine Bühne, auf der sich die verschiedensten Chöre versammeln können. So wie im Theater. Der gemeinsame Ursprung liegt in der antiken polis, der öffentlichen Versammlung, dem vorgetragenen Konflikt. Doch was ist ein Chor? Ein Häuflein Menschen, die etwas Gemeinsames tun? Beispielsweise demonstrieren? Oder singen, tanzen, sprechen, sich bewegen? Chöre sind Ausdruck überindividueller Artikulation. Sie tragen nicht nur einen Konflikt nach außen, auch im Innern agieren sie Spannungen aus. Im Chor und mit dem Chor wird das Verhältnis des Individuums zum Kollektiv verhandelt, des individuellen Bedürfnisses zum gemeinsamen Interesse. Das macht den Chor zu einem unvergänglichen Thema der Menschheitsgeschichte.
Im deutschsprachigen Theater gibt es seit Einar Schleefs Chorarbeiten – wie beispielsweise Elfriede Jelineks „Ein Sportstück“ 1998 am Wiener Burgtheater – ein neu gewonnenes Interesse an Chören. Wir haben uns in der vorliegenden Ausgabe ausführlich dem Thema des Chors im Gegenwartstheater gewidmet. Sebastian Kirsch untersucht anhand der Ursprünge des Chors in oikos, polis und kosmos dessen Aktualität. Ist Ödipus’ Irrtum auch für die Gegenwart bedeutsam? Was, wenn die Botschaft des Orakels missverstanden wurde – bis heute? Die Regisseurin Claudia Bauer, deren Inszenierung „89/90“ zum diesjährigen Berliner Theatertreffen eingeladen wurde, hat mit dem Chor ein künstlerisches Mittel gefunden, mit dem sich politische Bilder auf der Bühne erzeugen lassen. Im Gespräch mit Jakob Hayner erzählt sie von „89/90“ als Requiem auf die sterbende DDR und vom Paradoxon der neuen Individualität. Thomas Irmer porträtiert die polnische Regisseurin Marta Górnicka, deren Chöre antike Bezüge mit feministischen Themen konfrontieren. Ihre Inszenierung „M(other) Courage“ am Staatstheater Braunschweig begeisterte 2015 dann auch Publikum und Kritik in Deutschland. „Der Chor als Spiegel des öffentlichen Raums ist heute ein unsicheres Terrain“, sagt der Chorleiter Bernd Freytag. Im Gespräch mit Gunnar Decker gibt Freytag Auskunft über seine Arbeit mit Schleef und Volker Lösch – und den Chor der Zukunft. Der Regisseur Ulrich Rasche lässt Chöre über Laufbänder schreiten. Seine Münchner Inszenierung von Friedrich Schillers „Die Räuber“ wurde soeben zum Berliner Theatertreffen eingeladen – am Schauspiel Frankfurt hat Björn Hayer Rasches jüngste Arbeit „Sieben gegen Theben / Antigone“ gesehen.
Die Schauspielerin Jana Schulz ist alles – außer gewöhnlich. Am Schauspielhaus Bochum überspielt sie mit Leichtigkeit die Grenzen der Geschlechter und erkundet mit ihrem differenzierten Spiel die Zwischenwelten des Seelischen – beispielsweise als Raskolnikow in Dostojewskis „Verbrechen und Strafe“. Am Nationaltheater Mannheim kamen Stücke von Clemens J. Setz und Roland Schimmelpfennig zur Uraufführung. Dorte Lena Eilers hat sie sich angesehen, in beiden geht es um das Tier im Menschen. Kathrin Röggla liefert Nachrichten aus dem Infektionsgeschehen. Statt eine Konferenz zur Zukunft des Dramas zu besuchen, muss sie das Krankenbett hüten. Das Theater Altenburg- Gera kämpft für Vielfalt – und gegen Fremdenfeindlichkeit. Über die Schwierigkeiten eines engagierten Theaters in Ostthüringen berichtet Paula Perschke. Als Stückabdruck veröffentlichen wir in diesem Monat 16 internationale Kurzstücke zum Thema „Privacy“, die auf Initiative des Goethe-Institut Washington und des Dramatiker|innenfestival Graz entstanden sind. Und im Kunstinsert zeigen wir Bühnen des ungarischen Künstlers Márton Ágh, der mit seinen fotorealistischen Settings für die Arbeiten des Regisseurs Kornél Mundruczó Räume zum Spielen eröffnet.
Die Redaktion
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Künstlerinsert | |
Bühnenräumevon Márton Ágh | Seite 6 |
Inspiration zum SpielDer Bühnen- und Kostümbildner Márton Ágh über die Wandelbarkeit realistischer Räume und die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Kornél Mundruczóvon Thomas Irmer | Seite 10 |
Thema | |
Rückkehr zum DreiwegZur Aktualität des Chors im Theatervon Sebastian Kirsch | Seite 13 |
Der Chor der IndividualistenNicht nur über Politik reden, sondern politische Bilder schaffen – die Regisseurin Claudia Bauer im Gespräch mit Jakob Haynervon Claudia Bauer und Jakob Hayner | Seite 16 |
Die Gesellschaft auf der BühneZum Chortheater der polnischen Regisseurin Marta Górnickavon Thomas Irmer | Seite 18 |
Das Charisma der StigmatisiertenDer Chor als Kultus von der Antike über Einar Schleef bis zu Volker Lösch – Chorleiter Bernd Freytag im Gespräch mit Gunnar Deckervon Gunnar Decker und Bernd Freytag | Seite 20 |
Immerzu gehenDer Regisseur Ulrich Rasche setzt auf Pathos, Laufbänder und chorische Klangräumevon Björn Hayer | Seite 23 |
Protagonisten | |
Mann? Frau? Mensch!Die Schauspielerin Jana Schulz erkundet seelische Welten jenseits der Grenzen der Geschlechtervon Martin Krumbholz | Seite 24 |
Das Leben der Tiere„Das große Feuer“ von Roland Schimmelpfennig und „Vereinte Nationen“ von Clemens J. Setz am Nationaltheater Mannheimvon Dorte Lena Eilers | Seite 28 |
Kolumne | Seite 31 |
Der AusfallNachrichten aus dem Infektionsgeschehenvon Kathrin Röggla | |
Protagonisten | Seite 32 |
Jenseits der KomfortzoneDas Theater Altenburg-Gera kämpft für Vielfalt – und gegen die Fremdenfeindlichkeit in den thüringischen Städtenvon Paula Perschke | |
Look Out | |
Kalter RauschIn der Entfesselung ganz bei sich – die Schauspielerin Maria Schubert zeigt die Ambivalenzen großer Figurenvon Gunnar Decker | Seite 34 |
Ein strahlender SternZwischen furiosen Bühnenauftritten und nüchterner Selbstreflexion – die Schauspielerin Lou Strengervon Martin Krumbholz | Seite 35 |
Auftritt | |
Bamberg: Es riecht nach Mord und MobETA Hoffmann Theater: „La Révolution #1 – Wir schaffen das schon“ (DSE) von Joël Pommerat. Regie Niklas Ritter, Ausstattung Karoline Biernervon Maximilian Schäffer | Seite 37 |
Cottbus: Für immer fremdStaatstheater Cottbus: „Mamma Medea“ von Tom Lanoye. Regie Mario Holetzeck, Bühne Gundula Martin, Kostüme Susanne Suhrvon Gunnar Decker | Seite 38 |
Dresden: Der schwarze SpiegelStaatsschauspiel Dresden: „kein Land. August“ (UA) von Thomas Freyer. Regie Jan Gehler, Bühne Sabrina Rox, Kostüme Katja Strohschneidervon Jakob Hayner | Seite 39 |
Düsseldorf: Wenn der DHL-Mann zweimal klingeltDüsseldorfer Schauspielhaus: „Das Licht im Kasten (Straße? Stadt? Nicht mit mir!)“ (UA) von Elfriede Jelinek. Regie Jan Philipp Gloger, Bühne Marie Roth, Kostüme Esther Bialasvon Martin Krumbholz | Seite 40 |
Heilbronn: Spiel der ErinnerungTheater Heilbronn: „Ein Lied von Liebe und Tod (Gloomy Sunday)“ (UA) von John von Düffel nach dem Drehbuch von Ruth Toma und Rolf Schübel. Regie Uta Koschel, Bühne Stefan Brandtmayr, Kostüme Corneliavon Elisabeth Maier | Seite 40 |
Rudolstadt: Januskopf der EmanzipationsgeschichteTheater Rudolstadt: „Die Bibel“ (DSE) von Niklas Rådström. Regie Alejandro Quintana, Ausstattung Mathias Wernervon Gunnar Decker | Seite 42 |
Solothurn: Erschreckende AlpengroteskeTheater Orchester Biel Solothurn: „Der Chinese“ (SEA) von Benjamin Lauterbach. Regie Max Merker, Ausstattung Sara Giancanevon Jakob Hayner | Seite 43 |
Wien: Nebel über EuropaBurgtheater: „Ein europäisches Abendmahl“ von Jenny Erpenbeck, Nino Haratischwili, Elfriede Jelinek, Terézia Mora und Sofi Oksanen. Regie Barbara Frey, Bühne Martin Zehetgruber, Kostüme Esther Geremusvon Margarete Affenzeller | Seite 44 |
16 Internationale Kurzstücke zum Thema „Privacy“ | |
Ist da ein Mensch?Über das Dramatiker | innenfestival in Graz und die transatlantische Dramenwerkstatt „P3M5 – Plurality of Privacy Project in Five-Minute Plays“von Dorte Lena Eilers | Seite 47 |
Privatsache?Wilfried Eckstein, ehemaliger Leiter des Goethe-Instituts Washington, über die transatlantische Stückwerkstatt „P3M5 – Plurality of Privacy Project in Five-Minute Plays“ im Gespräch mit Karla Mädervon Karla Mäder und Wilfried Eckstein | Seite 50 |
Leitgebvon Clemens J. Setz | Seite 52 |
Projekt Entburkanisierung (Projekt Deburkanisatie)Aus dem Niederländischen von Heike Barygavon Rachida Lamrabet | Seite 53 |
#CAMPTULELAKEAus dem Amerikanischen von Barbara Christvon Philip Kan Gotanda | Seite 55 |
Taschen ausleeren (Empty Your Pockets)Aus dem Englischen von Barbara Christvon David Greig | Seite 56 |
Überwachungsstaat (Weevils)Aus dem Schwedischen von Jana Hallbergvon Marioan Hosseini | Seite 59 |
Plänevon Felicia Zeller | Seite 60 |
9022131 – PINKAus dem Englischen von Barbara Christvon Kenneth Lin | Seite 62 |
Qualität. Zuverlässigkeit. (Minoség, megbízhatóság)Aus dem Ungarischen von Fanny Kübeck-Montenuovovon Csaba Székely | Seite 63 |
Privatsphäre (Privacy)Aus dem Amerikanischen von Barbara Christvon Sarah Gubbins | Seite 65 |
Absolut online (Absolutne online)Aus dem Tschechischen von Barbora Schnellevon Tereza Volánková | Seite 66 |
Das innerste Heiligtum (Inner Sanctum)Aus dem Amerikanischen von Barbara Christvon Rebecca Gilman | Seite 68 |
Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit (Adevarul si numai adevarul)Aus dem Rumänischen von Irina Wolfvon Mihaela Michailov | Seite 69 |
White Pig (White Pig)Aus dem Französischen von Heinz Schwarzingervon Alex Lorette | Seite 71 |
… das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar (Ce hoceš videti ...)Aus dem Slowenischen von Clemens J. Setzvon Simona Hamer | Seite 80 |
@hotmigrants (@hotmigrants)Aus dem Spanischen von Franziska Muchevon Paco Bezerra | Seite 82 |
Sterne (Stars)Aus dem Amerikanischen von Barbara Christvon Martha Redbone und Aaron Whitby | Seite 85 |
Magazin | |
Ewiges RusslandDas Festival „Utopische Realitäten – 100 Jahre Gegenwart mit Alexandra Kollontai“ am HAU Hebbel am Ufer Berlinvon Thomas Irmer | Seite 87 |
Ausweitung der KunstzoneDas Theater Thikwa in Berlin wird 25von Dorte Lena Eilers | Seite 88 |
Schönheit des AndersseinsDas Theater RambaZamba Berlin wird 25von Gunnar Decker | Seite 89 |
Risse in der Mauer der PostdramatikEin Symposium im Brecht-Haus in Berlin erörtert die „Zukunft des Dramas“von Marc Pommerening | Seite 90 |
kirschs kontexte: Was für ein Drama?!Müller gut, Jelinek bösevon Sebastian Kirsch | Seite 91 |
Müllers SchattenDas Deutsche Theater Berlin und die Internationale Heiner Müller Gesellschaft eröffnen den „Müller-Salon“von Doris Meierhenrich | Seite 92 |
Mein ganzes System zielt auf eine MetamorphoseDer griechische Regisseur Theodoros Terzopoulos über seine Schauspielmethode im Gespräch mit Torsten Israelvon Torsten Israel und Theodoros Terzopouloszum Online-Extra: Mein ganzes System zielt auf eine Metamorphose (Langfassung). | Seite 94 |
Eros und ThanatosTheodoros Terzopoulos’ neuestes Stück „Encore“ in Athenvon Georgios Sampatakakis | Seite 95 |
Krampf und WiderstandPjotr Pawlenski: Der bürokratische Krampf und die neue Ökonomie politischer Kunst. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Wladimir Velminski, Merve Verlag, Berlin 2016, 128 S., 12,00 EUR.von Erik Zielke | Seite 96 |
Ich – Du – Wir – SieJudith Butler: Anmerkungen zu einer performativen Theorie der Versammlung. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016, 312 S., 28,00 EUR.von Lilli Helmbold | Seite 97 |
Aktuell | |
Meldungen | Seite 98 |
TdZ on Tour | Seite 99 |
PremierenMärz 2017 | Seite 100 |
TdZ on Tour | Seite 102 |
TdZ on Tour | |
Impressum/Vorschau | Seite 103 |
Autoren März 2017 | |
Gespräch | Seite 104 |
Was macht das Theater, Christoph Dittrich?von Gunnar Decker und Christoph Dittrich |
Margarete Affenzeller
Márton Ágh
Claudia Bauer
Paco Bezerra
Gunnar Decker
Christoph Dittrich
Wilfried Eckstein
Dorte Lena Eilers
Bernd Freytag
Rebecca Gilman
Philip Kan Gotanda
David Greig
Sarah Gubbins
Simona Hamer
Björn Hayer
Jakob Hayner
Lilli Helmbold
Marioan Hosseini
Thomas Irmer
Torsten Israel
Sebastian Kirsch
Martin Krumbholz
Rachida Lamrabet
Kenneth Lin
Alex Lorette
Karla Mäder
Elisabeth Maier
Doris Meierhenrich
Mihaela Michailov
Paula Perschke
Marc Pommerening
Martha Redbone
Kathrin Röggla
Georgios Sampatakakis
Maximilian Schäffer
Clemens J. Setz
Csaba Székely
Theodoros Terzopoulos
Tereza Volánková
Aaron Whitby
Felicia Zeller
Erik Zielke
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Mein ganzes System zielt auf eine MetamorphoseDer griechische Regisseur Theodoros Terzopoulos über seine Schauspielmethode im Gespräch mit Torsten Israelvon Torsten Israel und Theodoros Terzopouloszum Online-Extra: Mein ganzes System zielt auf eine Metamorphose (Langfassung). |
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