Emre Akal, wofür braucht Deutschland ein neues Staatstheater?
Weil das Theater ein Ort sein sollte, der allen Mitgliedern der Stadtgesellschaft gleichermaßen zugänglich ist und gleichzeitig Wert legt auf Diversifizierung und faire Produktionsweisen. Wie genau das funktionieren kann, erprobe ich gerade zusammen mit Antigone Akgün und Azeret Koua.
Ist dieses Label nicht sehr gewichtig für etwas, das wie das Ayşe X Staatstheater keinen festen Ort hat und vorwiegend aus Mitgliedern der freien Szene besteht?
Der Begriff „Staatstheater“ steht für traditionsreiche, aber auch festgefahrene Machtstrukturen und zugleich für etwas, das viele als das Theater schlechthin begreifen. Deshalb benutzen wir ihn. Aber erst durch die Kombination mit „Ayşe X“ gerät der wichtige Bruch ins Label. Es geht um die Frage, wem dieses Theater in Zukunft gehören soll, hinter dem übrigens auch Menschen stehen, die an größere Institutionen angebunden sind, sich aber ebenfalls strukturelle Fragen stellen und größere kreative Freiheiten wünschen – wie die designierte Intendantin des Schauspiels Dortmund Julia Wissert oder Sivan Ben Yishai, derzeit Hausautorin am Nationaltheater Mannheim.
Wer genau ist Ayşe X?
Der Name geht zurück auf Ayşe Çetin, die mit zwölf Jahren nach Deutschland kam, hier als Filmschauspielerin gearbeitet, aber aufgrund von für sie schwierigen Rollenzuschreibungen damit aufgehört hat, um sich zukünftig für Gleichberechtigung, Gender- und LGBTQ+-Themen zu engagieren. Wir ehren damit eine reale Person, die es wert ist, ein Theater nach ihr zu benennen. Ayşe steht für ganz viele marginalisierte Menschen in dieser Gesellschaft – nicht nur in der PoC-Community –, ist extrem gut vernetzt und hat sich nie in eine Ecke stellen lassen.