Heft 06/2020
Die Spieler
Das Schauspielhaus Bochum
Broschur mit 64 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Die schönsten Geschichten über das Theater schreibt das Leben selbst. So erreichte die Redaktion, kurz nachdem bekannt gegeben wurde, dass das Schauspielhaus Bochum der diesjährige Preisträger des Martin Linzer Theaterpreises ist, ein Anruf aus Bochum. Ein älterer Herr teilte uns am Telefon seine Freude über die Auszeichnung mit. Seit Jahrzehnten besucht der 86-Jährige mit den Nachwuchsmannschaften des VfL Bochum die Vorstellungen des Theaters. Alles begann mit einer Sportfreizeit auf dem Lande und einer zufällig besuchten Aufführung von „Wilhelm Tell“ … Solche unauslöschlichen Leidenschaften kann das Theater wecken, immer wieder und immer neu. „Das Theater, das man in Bochum sehen kann, handelt von der tragischen oder komischen Selbstverstrickung des Menschen“, heißt es in der Begründung für den Martin Linzer Theaterpreis von Jakob Hayner. „Penthesilea“, „Geschichten aus dem Wiener Wald“, „Hamlet“ und zuletzt „Iwanow“ sind die großen Bühnenstoffe, die in Bochum durch ein beeindruckendes Ensemble zum Leben erweckt werden. Der Intendant und Regisseur Johan Simons spricht in unserer Juni-Ausgabe mit den beiden Schauspielstars Sandra Hüller und Jens Harzer darüber, was das Bochumer Theater so besonders macht. Es braucht die beglückenden Konstellationen, die Kristallisationspunkte des Künstlerischen, damit Theater begeistert. Wie das in Bochum gelingt, zeigt das Porträt des Ensembles. Dessen Mitglieder sind divers, aber nicht divergent, wie Martin Krumbholz schreibt, allesamt leidenschaftliche Spieler einer Kunst, die das Gemeinsame braucht.
Doch das Gemeinsame muss zurzeit zurückgestellt werden. Es flüchtet auf Bildschirme, ins Digitale. Am Schauspielhaus Bochum werden 14 von Dramatikerinnen und Dramatikern verfasste Minidramen – sogenannte Short Cuts – ins Filmische verlagert. Als Stückabdruck veröffentlichen wir die Texte von Bonn Park und Miroslava Svolikova, zwei knappe Ausschnitte einer verrückten Welt. Das Theater in Zeiten von Corona muss ausweichen. Das sieht im Detail ausgesprochen vielfältig aus und reicht von Stücken im Telegram-Chat und Virtual-Reality-Erlebnissen über Webserien und Zoom-Konferenzen bis zu Drive-in-Theater und Audiowalks. Streaming über alles? Mitnichten, wirft Carl Hegemann ein. Das Uraltmedium Theater dürfe nicht in der virtuellen Welt verschwinden, meint der Dramaturg. „Ich will nicht ins Internet, ich bin zu sehr analog. Ich will spielen.“ So drückt es Christian Stückl, der Intendant des Münchner Volkstheaters, in seinem Aufruf aus. Wir sind also wieder beim Spiel, dem Herzen des Theaters. Doch die Sorge, ob die gegenwärtigen Rhythmusstörungen möglicherweise Folgeschäden haben könnten, bleibt. Warum kommen die Reanimationsmaßnahmen bei der Kultur so viel später als bei Industrie, Gastronomie und kommerziellem Sport? Antworten auf diese Fragen und Blicke in die Zukunft wagt Wolfgang Schneider vom Fonds Darstellende Künste im Gespräch mit Sabine Leucht.
Über das „Seuchenbekämpferheldentum“ schreibt Josef Bierbichler in seiner Kolumne. Zeiten, die aus den Fugen sind, interessieren das Theater und die Literatur seit jeher. Der Schriftsteller und Dramatiker Volker Braun hat einen Gedichtzyklus über die Welt im Zustand der Pandemiebekämpfung verfasst, den wir in vollem Umfang abdrucken. „Große Fuge. Aggregat K“ ist eine Erkundung mit Worten, zwischen denen Lücken bleiben. Sie evozieren die Frage, wie diese aus den Fugen geratene Welt wieder einzurichten sei. Das Verhältnis von Ethik und Ästhetik beleuchtet Luise Meier im zweiten Debattenbeitrag unserer Reihe Theater und Moral. Über wessen Moral sprechen wir eigentlich, fragt die Autorin und Theatermacherin, um in der Folge auf die Begriffe Produktion, Parteilichkeit und Proletariat zu stoßen. Der Text liest sich zugleich als ein Aufruf zur Solidarität.
Abschiede haben etwas von Nachrufen, schreibt Christoph Leibold über das Ende der Intendanz von Matthias Lilienthal an den Münchner Kammerspielen: fünf aufregende Jahre – ein Drama in fünf Akten, aber ohne glückliches Ende. Was nicht heißt, dass es nicht glückliche Momente gegeben hätte. Unser Autor hat davon zahlreiche erlebt, die er im Blick zurück nochmals in Erinnerung ruft. Auch Dimo Rieß lässt eine Ära Revue passieren: Am Theater der Jungen Welt in Leipzig verabschiedet sich Intendant Jürgen Zielinski nach 18 ruhmreichen Jahren. Es gibt aber auch Abschiede, die Nachrufe sind. Gestorben ist Rolf Hochhuth, der mit seinem Stück „Der Stellvertreter“ als junger Mann berühmt wurde. Wie er einst mit Frank Castorf heftigst aneinandergeriet, sich aber beide beim Wodka wieder vertrugen, schildert Kerstin Decker in ihrem Nachruf. Und auch das Künstlerinsert dieser Ausgabe ist einem jüngst Verstorbenen gewidmet: dem großen Maskenbildner Wolfgang Utzt. Wie es Utzt gelang, neue Möglichkeiten des Spiels und des Ausdrucks zu eröffnen, indem er die Gesichter der Spieler verbarg, schreibt unser Redakteur Gunnar Decker. //
Die Redaktion
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Künstlerinsert | |
Maskenvon Wolfgang Utzt | Seite 4 |
Der Magier des AugenblicksIn memoriam des großen Maskenbildners Wolfgang Utztvon Gunnar Decker | Seite 7 |
Protagonisten | Seite 8 |
Große Fuge. Aggregat Kvon Volker Braun | |
Thema: Martin Linzer Theaterpreis | |
Laudatio auf das Schauspielhaus Bochum zur Verleihung des Martin Linzer Theaterpreises 2020von Jakob Hayner | Seite 12 |
Kristallisationspunkte des KünstlerischenWas macht das Schauspielhaus Bochum und sein Ensemble so besonders? Der Intendant Johan Simons mit den beiden Schauspielstars Sandra Hüller und Jens Harzer im Gespräch mit Martin Krumbholzvon Johan Simons, Jens Harzer, Martin Krumbholz und Sandra Hüller | Seite 14 |
Die SpielerDivers, aber nicht divergent und in jeder Hinsicht außergewöhnlich – Das mit dem Martin Linzer Theaterpreis ausgezeichnete Ensemble des Schauspielhauses Bochum im Porträtvon Martin Krumbholz | Seite 17 |
stücke bochumer short cuts | |
Die Beamtenvon Miroslava Svolikova | Seite 20 |
Wie es euch AlgorithmusInternetspiel für zwei Personenvon Bonn Park | Seite 21 |
Theater und Moral | Seite 24 |
Wessen Moral?Über Produktion, Parteilichkeit und Proletariatvon Luise Meier | |
Protagonisten | Seite 28 |
Beethoven hinter GitternWas bedeutet es, eingesperrt zu sein? Das Berliner Gefängnistheater aufBruch lotet mit der Oper „Fidelio“ die Grenzen der Freiheit ausvon Gunnar Decker | |
Kommentar | Seite 31 |
Skandalkeule statt DebattenkulturÜber die Antisemitismusvorwürfe gegen Achille Mbembe und die Absage der Ruhrtriennalevon Sascha Westphal | |
Protagonisten | |
Durcheinander? Diversität!Großes Drama, aber kein glückliches Ende – Ein Rückblick in fünf Akten auf die Intendanz von Matthias Lilienthal an den Münchner Kammerspielenvon Christoph Leibold | Seite 32 |
Volkssport meets Volkstheater18 Jahre lang entwickelte Intendant Jürgen Zielinski das Theater der Jungen Welt in Leipzig zu einem Haus, das ganze Fußballjugendmannschaften anzog – nun feierte er seinen Abschiedvon Dimo Rieß | Seite 36 |
Abschied | Seite 38 |
Du sollst nicht schweigenIn Gedenken an den Schriftsteller und Dramatiker Rolf Hochhuthvon Kerstin Decker | |
Aktuelle Inszenierungen | |
Spielen!Wir müssen die neue Normalität selbst schaffen – Ein Aufrufvon Christian Stückl | Seite 41 |
Heimisch werden auf der digitalen BühneDigitales Theater I: Chat-Games und VR-Erlebnissevon Tom Mustrophzum Online-Extra: Heimisch werden auf der digitalen Bühne | Seite 42 |
Der CoronazeitmenschDigitales Theater II: Splitscreenfilm, Web-Serien und Videokunstvon Jens Fischer | Seite 44 |
Can you hear me?Digitales Theater III: Zoom-Theater und Medienkritikvon Dorte Lena Eilers | Seite 46 |
Digitale Geschlechtsumwandlung ist toll, reicht aber nichtEin Zwischenrufvon Carl Hegemann | Seite 47 |
In der Ferne, so nahTheater des Social Distancing: Audio-Walks und Drive-in-Theater in Oberhausen, Göttingen und Tübingenvon Elisabeth Maier, Joachim F. Tornau und Sascha Westphal | Seite 48 |
Kolumne | Seite 51 |
SeuchenbekämpferheldentumWird die Politik beim Klima künftig ebenso konsequent handeln wie bei Corona?von Josef Bierbichler | |
Look Out | |
Verwandlung ins UnbekannteEine Wasserseele, die es nach Mannheim verschlagen hat – Die Schauspielerin Annemarie Brüntjenvon Björn Hayer | Seite 52 |
Die eigene Geschichte schreibenDie Theatermacherin Simone Dede Ayivi erzählt aus einer persönlichen, schwarzen und feministischen Perspektivevon Paula Perschke | Seite 53 |
Magazin | |
Dramatik in Zeiten der UnsicherheitDer Heidelberger Stückemarkt betritt mit virtuellen Lesungen Neuland – was leider kein Ersatz für eine umfassende Förderung von Autorinnen und Autoren istvon Elisabeth Maier | Seite 55 |
Wir sind jung, wir sind lautDie Schweizer Autorin Julia Haenni ist die neue Ko-Leiterin der Jungen Marie in Aarauvon Elisabeth Feller | Seite 56 |
Geschichten vom Herrn H.: Ferndiagnosevon Jakob Hayner | Seite 57 |
Klarsicht im NebelEin Nachruf auf den Schauspieler Otto Melliesvon Gunnar Decker | Seite 58 |
Zerrissene TräumeMarina Frenk: ewig her und gar nicht wahr. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2020, 240 S., 22 EUR.von Erik Zielke | Seite 59 |
Aktuell | Seite 60 |
Meldungen | |
Impressum/Vorschau | Seite 63 |
Autorinnen und Autoren Juni 2020 / Vorschau | |
Gespräch | Seite 64 |
Was macht das Theater, Wolfgang Schneider?von Wolfgang Schneider und Sabine Leucht |
Josef Bierbichler
Volker Braun
Gunnar Decker
Kerstin Decker
Dorte Lena Eilers
Elisabeth Feller
Jens Fischer
Jens Harzer
Björn Hayer
Jakob Hayner
Carl Hegemann
Sandra Hüller
Martin Krumbholz
Christoph Leibold
Sabine Leucht
Elisabeth Maier
Luise Meier
Tom Mustroph
Bonn Park
Paula Perschke
Dimo Rieß
Wolfgang Schneider
Johan Simons
Christian Stückl
Miroslava Svolikova
Joachim F. Tornau
Wolfgang Utzt
Sascha Westphal
Erik Zielke
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Aktuelle Inszenierungen | Seite 42 |
Heimisch werden auf der digitalen BühneDigitales Theater I: Chat-Games und VR-Erlebnissevon Tom Mustrophzum Online-Extra: Heimisch werden auf der digitalen Bühne |
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