Heft 05/2021
75 Jahre Theater der Zeit
Ein Jubiläumsheft
Broschur mit 128 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Mehrere Regalmeter aktueller Ausgaben plus ein Stahlschrank voll von historischem Material. Theater der Zeit wird 75! Und hinterlässt uns, die erst spät dazugekommen sind, ein reichhaltiges Archiv voll raunendem Papier. „Von allen Tauschgeschäften, in die wir jemals verwickelt werden, ist dasjenige zwischen den Generationen das komplizierteste und undurchsichtigste“, wusste die Performance-Gruppe She She Pop in „Testament“, ihren „Verspäteten Vorbereitungen zum Generationswechsel“, vor elf Jahren zu berichten. Erben ist ein kniffliger Vorgang, selbst wenn es nicht um Autos, Eigenheime, Goldbarren, sondern, ganz im Gegenteil, vollkommen unmonetär: um Geschichte geht.
Theater der Zeit steht, 1946 als Theaterfachmagazin in Berlin gegründet, quasi exemplarisch für die Geschichte einer deutsch-deutschen Transformation, die wiederum Teil einer viel längeren kulturellen Erzählung ist, deren Erbe uns alle betrifft. Was aber stellt die Generation von heute mit dieser Tatsache an? In unserer Jubiläumsausgabe zum Thema Archiv haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, mit einem großen enthusiastischen Sprung voller Neugier, aber auch Fragen in das Meer der Archivmaterialien abzutauchen, welche uns die Vergangenheit, insbesondere die Theatervergangenheit, hinterlassen hat. Was nehmen wir mit? Was kann weg? Was wird vererbt? Was verheimlicht? Welche Schätze stecken in den Taschen der Grand Old Lady Geschichte? Was ging bereits durch Löcher im Stoff unwiederbringlich verloren? Was wurde archiviert? Und was – vielleicht mit Absicht – nicht?
Vor dem Hintergrund dieser Fragen begeben wir uns in unserem großen Jubiläumsschwerpunkt gemeinsam mit der Szenografin Franziska Ritter in einer sensationellen VR-Experience zurück ins Jahr 1927 und besuchen das Große Schauspielhaus Berlin, dessen visionäre Architektur 1919 von Max Reinhardt und Hans Poelzig ersonnen wurde. Mit dem Theaterduo Herbordt/Mohren erkunden wir die wunderbare Welt der Spinner-Akten, die uns beweisen, dass selbst die irrsten gesellschaftlichen Utopien, einst von Experten verworfen, heute das Zeug hätten, unsere Zukunft zu retten. Die Dramaturgin Anna Volkland verschneidet Fundstücke aus alten Heften von Theater der Zeit und Theater heute zu einem spannungsreichen Ost-West-Vergleich, mittels dessen sie unser heutiges Normalitätsverständnis in Bezug auf das Theaterschaffen befragt. Die Soziologin Katharina Warda lenkt im Gespräch mit Paula Perschke den Blick auf die Lücken im deutsch-deutschen Archiv – insbesondere auf die bislang ausgesparten ostdeutschen Perspektiven of Color. Mit Hans Rübesame und Rita Czapka stellen wir zwei der engagiertesten Theaterarchivare vor und tauchen schließlich mit Harald Müller, Friedrich Dieckmann, Thomas Stecher und Frank Raddatz ab ins sagenumwobene TdZ-Archiv, in dem wir auch auf die Dramatik der Schriftstellerin Barbara Honigmann gestoßen sind, deren Monolog „Die Schöpfung“ wir in diesem Heft drucken.
Einem der umfangreichsten und weltweit größten Theaterarchive indes wäre es just in diesen Monaten fast an den Kragen gegangen: Anfang März verkündete das Victoria and Albert Museum in London, seine Sammlungen derart umstrukturieren zu wollen, dass es für die dort beheimatete Theatersammlung de facto die Schließung bedeutet hätte. Stephan Dörschel, Abteilungsleiter des Archivs Darstellende Künste der Akademie der Künste Berlin, beschreibt, warum derartige Pläne auch andere nationale Theatersammlungen bedrohen.
Gegen die Archivierung des Jahrhundertkünstlers Joseph Beuys, der am 12. Mai 100 Jahre alt geworden wäre, spricht sich in dieser Ausgabe der Filmemacher Andres Veiel vehement aus. Beuys, sagt er im Gespräch mit Martin Krumbholz, sei mehr gewesen als lediglich ein Künstler des 20. Jahrhunderts. Er entdecke ihn über Fragen des 21. Jahrhunderts immer wieder neu: Klimakrise, Ökonomie, die Notwendigkeit des Verzichts, Anerkennung und Würde des Menschen. „Wenn wir verhindern wollen, dass wir den Planeten gegen die Wand fahren, müssen wir uns mit diesen Fragen auseinandersetzen.“
Auch ein Projekt wie eine Theaterzeitschrift lässt sich – à la Beuys – nur gemeinschaftlich denken. Verglichen mit der Zeitspanne von 75 Jahren sind wir, die wir hier schreiben, bloß ein Wimpernschlag der Geschichte, die in der Vergangenheit mal langsamer ihre Lider bewegte und mal aus dem Blinzeln gar nicht mehr herausfand. Menschen kamen und gingen. Auch bei Theater der Zeit. Wir möchten uns ganz herzlich bei all jenen bedanken, die über all die Jahre mit ihrem Einsatz, ihrer Leidenschaft, ihren Ideen und Anregungen diese Zeitschrift mitgestaltet haben. Die Zukunft beginnt jetzt. Und sie ist ohne Euch und ohne Sie, liebe Leserinnen und Leser, nicht zu haben. //
Die Redaktion
Anlässlich des 75. Jubiläums von Theater der Zeit fand am 01.06.2021 ein Online-Geburtstagszoom mit Wegbegleiter:innen, Autor:innen und Redakteur:innen von Theater der Zeit statt. Die Aufzeichnung der Veranstaltung finden Sie hier:
Artikel | Seite |
---|---|
Artikel | Seite |
Anzeige | Seite 1 |
berliner kindertheaterpreis 2021 Wettbewerb von GRIPS und GASAGManuel Ostwald gewinnt mit „Die Blauen Engel“ den „berliner kindertheaterpreis 2021“von GRIPS-Theater | |
Thema | Seite 8 |
„Ein Abend im Großen Schauspielhaus Berlin“Eine VR-Experience der digital.DTHGvon digital.DTHG | |
Archiv | |
Die SpurensucherDie Szenografin Franziska Ritter und die Theatermacher Melanie Mohren und Bernhard Herbordt über die Verlebendigung von Archivenvon Dorte Lena Eilers, Christine Wahl, Franziska Ritter und Mohren/Herbordt | Seite 13 |
Der Leitungsspitze die Spitze nehmenoder: Vorschlag zur Beschaffung einer Waschmaschine – Theater der Zeit als Archiv alternativer Realitätenvon Anna Volkland | Seite 18 |
Thema | Seite 30 |
Die Lücken im ArchivDie Soziologin Katharina Warda über ostdeutsche Migrationsgeschichten und die vielfältigen Perspektiven des Erinnernsvon Paula Perschke und Katharina Warda | |
Look Out | |
Das Gedächtnis des TheatersTote Materialien gibt es nicht – Ein Vierteljahrhundert war Hans Rübesame Archivleiter des Deutschen Theaters Berlinvon Thomas Irmer | Seite 34 |
Eine Stiege für den KaiserRita Czapka wacht als Archivarin über den Wissensspeicher des Burgtheaters Wien – und kennt so manches Geheimnisvon Margarete Affenzeller | Seite 35 |
Archiv | Seite 42 |
Erkenntnis und VergnügenEine kurze Geschichte von Theater der Zeit zum 75. Geburtstagvon Harald Müller | |
Thema | Seite 44 |
„Es ist die Kunst der Fuge, sich nicht zu fügen“Rückblicke auf Theater der Zeitvon Friedrich Dieckmann | |
Gastkolumne | Seite 47 |
Liebes ZENTRALORGAN …von Thomas Stecher | |
Kommt Organisation!Das Model, die Russen und eine Handvoll Dollar – Ein Berlinkrimi über die Neugründung von Theater der Zeitvon Frank M. Raddatz | |
Archiv | Seite 58 |
Eine tote Deponie theatraler Artefakte?Warum die Umstrukturierungspläne der weltweit größten Theatersammlungen im Victoria and Albert Museum in London auch eine Bedrohung für andere nationale Theatersammlungen darstellenvon Stephan Dörschel | |
joseph beuys | Seite 62 |
Die Stimme aus der ZukunftWelchen Preis sind wir bereit zu zahlen, um das Schlimmste zu verhindern? – Der Filmemacher Andres Veiel über die Aktualität von Joseph Beuys, der im Mai 100 Jahre alt geworden wärevon Andres Veiel und Martin Krumbholz | |
Exklusiver Vorabdruck | Seite 66 |
Messianismus und RevolutionAuszug aus dem Vorwort zu Das Theater leben von Julian Beckvon Thomas Oberender | |
berliner theatertreffen | Seite 75 |
Verlorene GemeinschaftBei der Sichtung für die Zehnerauswahl des Berliner Theatertreffens war in diesem Jahr alles anders – Reflexionen einer Jurorin über einen Ausnahmejahrgangvon Sabine Leucht | |
mülheimer theatertage | Seite 78 |
Neue Dramatik im Binge-Watching-ModusSichtung und Auswahl der Mülheimer Theatertage in der Covid-Saison 2020 / 21 aus der Perspektive eines Jurymitgliedsvon Christine Wahl | |
Auftritt | |
Bochum: Pandemische GefühleFacebook / Instagram / Youtube: „Fühlst du das auch?“ von dorisdeanvon Shirin Sojitrawalla | Seite 87 |
Detmold: Top-Gun-GirlLandestheater Detmold: „Am Boden” von George Brant. Regie Jan Steinbach, Ausstattung Jule Dohrn-van Rossum, Video Marc Lontzekvon Jens Fischer | Seite 87 |
Gent: So fern, so nahNZ Gent: „Yellow. The sorrows of Belgium II: Rex“ von Luk Perceval und Peter van Kraaij. Regie Luk Perceval, Bühne Annette Kurz, Kostüme Ilse Vandenbussche, Film/Kamera Daniel Demoustiervon Thomas Irmer | Seite 89 |
Leipzig: Sind Sie normal?Theater der Jungen Welt: „Ich bin“ von Jana Zöll; „Und morgen streiken die Wale“ von Thomas Arzt. Regie Johanna Zielinski, Ausstattung Thurid Goertzvon Lara Wenzel | Seite 90 |
Mannheim: Kopfkino mit CecilNationaltheater Mannheim: „Cecils Briefwechsel. Ein Post-Drama“ von Sapir Heller, Lena Wontorra und Ensemble nach „Gott Vater Einzeltäter – Operation Kleist“ von Necati Özirivon Björn Hayer | Seite 92 |
München: Im SpezlwirtschaftsimperiumMünchner Kammerspiele: „,Wir Schwarzen müssen zusammenhalten‘ – Eine Erwiderung“ von Elemawusi Agbédjidji und Ensemble, Regie Jan-Christoph Gockel, Ausstattung Julia Kurzwegvon Christoph Leibold | Seite 93 |
Nürnberg / Stratford-Upon-Avon: Lady Macbeth in der TimelineStaatstheater Nürnberg: „Macbeth – Ein Kurznachrichtentheater“ nach William Shakespeare. Regie Jan Philipp Gloger; Royal Shakespeare Company: „Dream“ nach William Shakespeare. Regie Robin McNicholasvon Christoph Leibold | Seite 94 |
Weimar: Ausflug eines schwarzen HundesDeutsches Nationaltheater Weimar: „Draußen vor der Tür“ nach Wolfgang Borchert. Regie und Bühne Marcel Kohler, Kamera und Schnitt Christoph Hertelvon Joachim F. Tornau | Seite 97 |
Stück | |
Poesie war unsere WaffeEine Wiederentdeckung aus dem Dramenarchiv – Die Autorin Barbara Honigmann über ihr Stück „Die Schöpfung“ im Gespräch mit Patrick Wildermannvon Barbara Honigmann und Patrick Wildermann | Seite 106 |
Die Schöpfungvon Barbara Honigmann | Seite 108 |
Magazin | |
Im Garten, wo die Daten atmenDas Festival Spy on Me #3 am Berliner HAU Hebbel am Ufer unternimmt souveräne künstlerische Manöver in die digitale Weltvon Tom Mustroph | Seite 115 |
Digitaler SchmelztiegelBeim Online-Festival Hybrid – Cutting Edge Canada in Hellerau vermischen sich Musik, Technologie, Ausstellung, Diskurs und Wissenschaftvon Paula Perschke | Seite 116 |
Die Geister, die Europa riefWer darf wen wie spielen? Mit Julia Kristeva, Jacques Derrida und dem Konzept der „Heimsuchung“ erklärt Elisabeth Tropper in ihrem Buch „Enter the Ghosts of Europe“ aktuelle Theaterinszenierungenvon Lara Wenzel | Seite 120 |
Aktuell | Seite 122 |
Meldungen | |
Impressum/Vorschau | Seite 125 |
Autorinnen und Autoren Mai 2021 / Vorschau | |
Gespräch | Seite 126 |
Was macht das Theater, Gernot Grünewald?von Tom Mustroph und Gernot Grünewald |
Margarete Affenzeller
Friedrich Dieckmann
digital.DTHG
Stephan Dörschel
Dorte Lena Eilers
Jens Fischer
GRIPS-Theater
Gernot Grünewald
Björn Hayer
Barbara Honigmann
Thomas Irmer
Martin Krumbholz
Christoph Leibold
Sabine Leucht
Mohren/Herbordt
Harald Müller
Tom Mustroph
Thomas Oberender
Paula Perschke
Frank M. Raddatz
Franziska Ritter
Shirin Sojitrawalla
Thomas Stecher
Joachim F. Tornau
Andres Veiel
Anna Volkland
Christine Wahl
Katharina Warda
Lara Wenzel
Patrick Wildermann
€ 6,99
Zu den Apps
Versandfertig in 1 - 3 Werktagen. Kostenfreier Standardversand innerhalb Deutschlands, zzgl. Versandkosten ins Ausland. Alle Preisangaben inkl. MwSt.
Die elektronische Ausgabe steht direkt nach dem Kauf zur Verfügung. Unsere eMagazine können Sie mit nahezu allen Geräten lesen, da das PDF ein plattformunabhängiges Format ist.
Zeitschrift
Neue Bücher
Jeden Monat die wichtigsten Themen bei Theater der Zeit
Newsletter abonnieren