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Die Regisseurin Cosmea Spelleken macht Netztheater zu einer intimen Erfahrung
von Sabine Leucht
Cosmea Spelleken ist in Freiburg aufgewachsen, hat sich schauspielenderweise an freien Bühnen erprobt und mit 16 den Film entdeckt, an dem sie die Intimität schätzt, die er zu seinen Figuren herstellen kann. Dafür fehlt ihr im Film das ausgiebige Sich-Hineinwühlen in Stoffe. Und dann stellte während ihres Studiums der Medienkunst in Karlsruhe jemand die Frage: „Muss das, was du erzählen willst, zwangsläufig ein Film werden, oder ist vielleicht ein Hörstück geeigneter, ein Audiowalk – oder doch Theater?“
Hinter diesen Gedanken, dass jede Geschichte nach ganz eigenen Mitteln verlangt, kann die heute 25-Jährige seither nicht mehr zurück. Deshalb haben die abgefilmten Theateraufführungen im ersten Lockdown sie so genervt. Es gab keine Begründung für ihre Form außer dem Lockdown selbst. Da kam ihr eine „fixe Idee“. Die heißt „werther.live“ – und hat so richtig eingeschlagen. Bis zu 1300 Zuschauer pro Vorstellung haben das rein digitale Freie-Szene-Debüt gesehen, das Preise und Herzen gewann, von der New York Times bejubelt, beim Theatertreffen diskutiert und zuletzt unter dem virtuellen Dach großer Häuser und beim Heidelberger Stückemarkt gezeigt wurde. Der Theater, Film und Social Media fusionierende Abend, konsequent aus Werthers Perspektive erzählt – dem Protagonisten aus Johann Wolfgang von Goethes gleichnamigem Briefroman – geht einem ungewöhnlich nah. Und er übersetzt das Kultwerk von 1774 so jugendaffin wie stimmig ins Heute.