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Wahrhaftiges Spiel

Stefan Tigges: Jürgen Gosch / Johannes Schütz Theater. transcript Verlag, Bielefeld 2021, 616 S., 49,99 EUR.

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Foto: Sonja Rothweiler
Foto: Sonja Rothweiler

Die Suche nach einer Wahrhaftigkeit des Spiels, nach einer Glaubwürdigkeit, die Figur und Spielerin beziehungsweise Spieler gleichermaßen betrifft, nach einem organischen Entfalten szenischer Prozesse im miteinander geteilten Bühnenraum – dies sind ästhetische Merkmale der Theaterarbeit von Jürgen Gosch und Johannes Schütz in ihrer gemeinsamen Werkphase der nuller Jahre.

Bei der Anton-Tschechow-Inszenierung „Die Möwe“ am Deutschen Theater Berlin, der vorletzten Arbeit Jürgen Goschs vor seinem Tod 2009, welche der Theaterwissenschaftler Stefan Tigges als „Konzentrat und Quintessenz“ der gemeinsam entwickelten Theaterästhetik beschreibt, war ich als Regiehospitantin dabei. Zumindest ein paar Tage. Denn dann schlug Herr Gosch vor, dass ich mich in der Funktion des in der Textfassung notierten Zimmermädchens „doch mal mit zu den anderen auf die Bühne setzen“ solle. Dort blieb ich dann, mehr als siebzig Vorstellungen. Zwölf Jahre später bin auch ich ­Theaterwissenschaftlerin und hatte dank der Habilitationsschrift von Stefan Tigges „Jürgen Gosch / Johannes Schütz Theater“ die Möglichkeit, nun noch einmal mit anderen Augen auf das Werk der beiden Theaterkünstler zurückzublicken.

Tigges fokussiert in seinem gut 600-­seitigen Opus das gemeinsame Schaffen von 2003 bis 2009 entlang der drei „Kosmen“ William Shakespeare, Roland Schimmel­pfennig und Anton Tschechow. Einen ersten Schwerpunkt bildet die Düsseldorfer „Mac-beth“-Inszenierung (2005), die für Tigges den Auftakt einer Suche nach einer neuen Körperästhetik darstellt. Die Nacktheit der Spieler, die seinerzeit in den Rezensionen für Aufruhr sorgte, müsse im Sinne eines erweiterten, nicht-textilen Kostümbegriffs gedacht werden. Das offene Entkleiden beziehungsweise „Anlegen ihres Nackt-Kostüms“ schaffe einen ästhetischen „Nullpunkt“ für die Darstellung existenzieller Erfahrungen der Figuren, ohne die Spielenden dabei in ihrer „(nackten) Privatheit preiszugeben“. Dass diese körperzentrierte Kostümästhetik die eingangs genannte wahrhaftige Wirkung entfalten kann, hängt zudem von ihrer Einbettung in den Bühnenraum, dem Einsatz zahlreicher anti-illusionistischer Mittel sowie einer bestimmten Spielweise ab, die ermöglicht, dass die Figuren in den Spielenden aufgehen und nicht umgekehrt. Diese ästhetische Konfiguration zu porträtieren, bildet das Kernanliegen der Publikation.

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