Heft 04/2014
double 29
Bitte lächeln! Masken, Puppen und Figurentheater in der Fotografie
Rückstichheftung mit 60 Seiten, Format: 210 x 280 mm
Fotografie und Theater. In seinem vielzitierten Büchlein „Die helle Kammer“ sieht Roland Barthes einen engen Zusammenhang zwischen beiden in „einer eigentümlichen Vermittlung (vielleicht bin ich der einzige, der es so sieht): der des TODES.“ Das Theater habe sich aus dem Totenkult entwickelt, Schminke und Maske kennzeichnen den Körper „als einen zugleich lebenden und toten“. Entsprechend begreift Barthes die Fotografie als „eine Art urtümlichen Theaters, eine Art von ‚Lebendem Bild’: die bildliche Darstellung des reglosen, geschminkten Gesichtes, in der wir die Toten sehen.“
Folgt man dieser These, ergeben sich Fragen auch im Hinblick auf die Fotografie von Figurentheater. Hier stellt das Foto (wieder) still, was auf der Bühne durch Bewegung und Animation überhaupt erst zu scheinbarem Leben erweckt worden ist. Geht auf Fotografien also unweigerlich verloren, was einen Reiz des Puppen- und Objekttheaters ausmacht, der Wechsel der Wahrnehmung, die „double vision“, die verschwimmenden Grenzen zwischen Leben und Tod? Oder handelt es sich um ähnliche Mechanismen: Weil Betrachter sich stets bemühen, wie Barthes schreibt, „etwas Lebendiges zu sehen (und diese Verbissenheit, mit der man ‚Lebensnähe’ herzustellen versucht)“.
So finden sich in diesem Heft zahlreiche Gesichter, Masken und Porträts. Etwa die „Selbstporträts“ der britischen Künstlerin Gillian Wearing mit Masken ihrer „Alter Egos.“ Oder die Fotografien der Wachsfiguren von Madame Tussauds, mit denen der japanische Starfotograf Hiroshi Sugimoto die Grenzen zwischen Malerei und Fotografie verwischt. Oder Volker Gerlings Daumenkinos, die man als Betrachter quasi kinematografisch selbst zum Leben erweckt. Zur Fotografie von Figurentheater kommen die Macher selbst zu Wort: Künstler reflektieren, was für sie ein gelungenes Bild ihrer Inszenierung sein könnte, oder fragen sich, inwieweit man ihre Arbeiten als „bildende“ oder „darstellende“ Kunst begreifen – und fotografieren – müsste. Fotografen berichten von ihren Perspektiven (oder lassen Betrachter und ihre Bilder selbst sprechen) und für kurze „AugenBlicke“ verweilen die Gedanken auf ausgewählten Fotos von 1905 bis heute. So sind, oder werden, die Bilder zum Spiegel ihrer Zeit.
Der zweite Teil des Heftes lädt ein auf eine Reise durch ganz Deutschland: nach Köln, wo Moritz Sostmann seinen erfolgreichen Einstand am Schauspielhaus gegeben hat, nach Dessau, wo sich das Bauhaus seiner Bühnenexperimente vergewissert, nach München, wo im Asyl Stadtmuseum der Begriff „Decolonize“ ernst genommen wird und ins thüringische Steinach, wo ein Theatrum Mundi eine Gemeinde bewegt. Und es darf gejubelt werden: double feiert seinen zehnten Geburtstag und hat von Tobias Prüwer eine Materialsammlung geschenkt bekommen. Mit Blicken in die nationale und internationale Figurentheaterszene und über den Tellerrand hinaus, darauf, was Performance-Künstler mit Puppen oder Puppen mit Performance-Künstlern anstellen, stellt sich auch die Jubiläumsausgabe dem Anspruch, die aktuellen Entwicklungen und vielfältigen Spielarten des Genres kritisch zu begleiten.
Ganz am Ende dieser Ausgabe steht aus traurigem Anlass noch eine Fotobetrachtung, ein AugenBlick, der zu einem Nachruf geworden ist: Über das Bild huscht, wie ein Geist im Verschwinden, die im Dezember verstorbene Figurenspielerin Mo Bunte.
SUMMARY
In his much quoted book “Camera Lucida” Roland Barthes sees a close relationship between photography and theatre in the “mediation of death”, in makeup, masks and the representation of a “living image” in which we can see death. This edition of double asks what it means when we photograph puppet theatre, the art form which literally “animates” by bringing dead material to life on the stage. Do the stimuli provided by puppets inevitably get lost in photos? Or are other exciting effects created by the meeting of the two media? The magazine collects contributions by and about photographers, artists and puppeteers from 1905 to the present day.
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Thema | |
AugenBlick [1988]Kurt Dombrowsky und die Bewahrung eines kulturellen Erbesvon Silvia Brendenal | Seite 6 |
Schau mir in die Augen-Püppchen!Von der unheimlichen Verbindung zwischen Puppe, Fotografie und Geschlechtvon Birgit Käufer | Seite 7 |
Wiederbelebte ToteHenry VIII., seine sechs Frauen und Bunraku von Hiroshi Sugimotovon Rebecca Simpson | Seite 12 |
„Du siehst doch, dass sie lebendig sind!“Mit Daumenkinos auf Wanderschaftvon Volker Gerling | Seite 16 |
Jonglage der BlickwinkelZur Rolle der Fotografie im Figurentheatervon Julika Mayer | Seite 18 |
AugenBlick [1905]Papa Schmids Händevon Meike Wagner | Seite 21 |
Le révélateur – Der EntwicklerEin Stück konzentrierten Lebensvon Nicole Mossoux | Seite 22 |
Manipulierte PorträtsBilder erfinden, die wie ein Spiel sindvon Christophe Loiseau | Seite 24 |
Lebendige Oberflächen/Wie der Sand zwischen den FingernZu zwei Arbeiten von Brigitte Pougeoisevon Naly Gérard und Marie Odile | Seite 26 |
AugenBlick [2009]Figurentheaterfotografie und Öffentlichkeitsarbeitvon Jesko Döring | Seite 27 |
Essai en Français | Seite 28 |
Pourquoi faire du théâtre pour les jeunes?von Catherine Poher | |
Jubeln! | Seite 30 |
Kasper und die Frage nach dem Dingdouble, Jubel, Heiterkeit: Eine Materialsammlung zum Glückwunschvon Tobias Prüwer | |
Inszenierung | |
Levitation und Leviathan„Licht Bitte!“ von Kaufmann & Co.von Dora Dorsch | Seite 32 |
Im Kampf gegen die Technik„Surrogates – Mein zweites Ich.“ Eine Video-Sound-Live-Performancevon Katrin Gellrich | Seite 33 |
Der Fluch der Ahnen„Wir werden alle unsre Mütter“ am Puppentheater Hallevon Franziska Reif | Seite 34 |
Schlachtengemälde mit Pferd„Gefährten“ im Berliner Theater des Westensvon Tim Sandweg | Seite 35 |
Ausblick | Seite 36 |
Die besseren MenschenBetrachtungen zu Moritz Sostmanns Einstand als Hausregisseur am Schauspiel Kölnvon Michael Isenberg | |
Festival | |
Schlaflos in Charleville-MézièresDas Festival Mondial des Théâtres de Marionnettes 2013von Annette Dabs | Seite 38 |
Umkämpfter HortJubiläumsfestival „Theater der Dinge” in der Schaubude Berlinvon Anke Meyer, Katja Spiess, Marianne Fritz und Katja Hille | Seite 40 |
HerzdruckmassagenCuqui Jerez und Geumhyung Jeong bei SPIELART 2013von Stefan Bläske | Seite 44 |
Aus dem Leben der KinderDas Kinderprogramm der IMAGINALE 2014von Evelyn James | Seite 46 |
Ausstellung | |
„Decolonize” – die Tiefe der Bühne und des KellersDas Internationale Figurentheaterfestival München und die Ausstellung „Asyl Stadtmuseum“von Sarah Israel | Seite 48 |
Projektmaschine„Mensch Raum Maschine. Bühnenexperimente am Bauhaus”von Almut Wedekind | Seite 50 |
Weitermachen | |
„Immaterielles Kulturerbe erhalten und wertschätzen“Fachsymposium der deutschen UNESCO-Kommissionvon Helmut Groschwitz | Seite 51 |
Zwischen den Zeiten und doch im HeuteEin Besuch beim Steinacher Theatrum Mundivon André Studt | Seite 52 |
Reflexionen | Seite 54 |
Zoetropische ZonenWilliam Kentridges „Drawing Lessons“von Tim Sandweg | |
Nachruf | Seite 55 |
Ein Bild von Mo Bunte (1942–2013)von Anke Meyer | |
Notizen & Festivalkalender | Seite 56 |
Impressum | Seite 60 |
Stefan Bläske
Silvia Brendenal
Annette Dabs
Jesko Döring
Dora Dorsch
Marianne Fritz
Katrin Gellrich
Naly Gérard
Volker Gerling
Helmut Groschwitz
Katja Hille
Michael Isenberg
Sarah Israel
Evelyn James
Birgit Käufer
Christophe Loiseau
Julika Mayer
Anke Meyer
Nicole Mossoux
Marie Odile
Catherine Poher
Tobias Prüwer
Franziska Reif
Tim Sandweg
Rebecca Simpson
Katja Spiess
André Studt
Meike Wagner
Almut Wedekind
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