Internationaler Literaturpreis im Haus der Kulturen der Welt zum zweiten Mal verliehen

Marie NDiaye wurde am Mittwoch Abend der mit 25 000 Euro dotierten Preis für ihren Roman „Drei starke Frauen“ („Trois femmes puissantes“) verliehen. Der Übersetzerpreis, dotiert mit 10 000 Euro, ging an Claudia Kalscheuer, die den Roman aus dem Französischen übersetzte.

Aus der Jurybegründung für die Autorin Marie NDiaye:
„Marie NDiayes ‚Drei starke Frauen’ ist ein subtiles, dicht geschriebenes, in seiner sprachlichen Ausgestaltung einen starken Sog entfaltendes Buch über gestörte Beziehungen, emotionale Abhängigkeiten und unerhörte Abgründe innerhalb der Familie: eine fein austarierte Choreographie von verstörenden Annäherungs- und Abstoßungsprozessen, deren Motiv nicht umsonst die Hitchcockschen Vögel sind. Und damit führt der Roman vor, was Schreiben jenseits der althergebrachten Kategorien von Heimat und Herkunft sein kann: ‚Weltkulturliteratur’ jenseits von Migration und Exil, die eine neue grenzüberschreitende Formensprache vorantreibt.“

Aus der Jurybegründung für die Übersetzerin Claudia Kalscheuer:
„Claudia Kalscheuer ist es gelungen, den fein austarierten, halb alptraumhaften, halb surrealen Rhythmus des Textes im Deutschen abzubilden. Sie folgt sehr genau den Satzbewegungen des französischen Originals, wählt aber an den entscheidenden Stellen Möbiusschleifen, setzt Inversionen, reduziert die Zahl der Alliterationen, ohne ihr poetisches Moment auch nur im Entferntesten aufzugeben, und schreibt auf diese Weise ihrer Übertragung die deutsche Sprachmelodie ein, lädt sie mit exakt dem gleichen dichten, verstörenden Rhythmus auf, den das Original der ‚Drei starken Frauen’ auszeichnet. Und dies ist eine Meisterleistung.“

Die Autorin:
Marie NDiaye, 1967 in Pithiviers bei Orléans geboren, veröffentlichte mit 17 ihren ersten Roman; weitere Romane und Theaterstücke folgten. Für „Rosie Carpe“ erhielt sie 2001 den renommierten Prix Fémina. Die Autorin lebt seit 2007 mit ihrer Familie in Berlin. 2009 wurde „Drei starke Frauen“ in Frankreich mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet.

Die Übersetzerin:
Geboren 1964 in Berlin. Seit 1995 Tätigkeit als freie Literaturübersetzerin aus dem Französischen. Sie übersetzte u. a. Alexander von Humboldt, Véronique Ovaldé, Marcelle Sauvageot, Jules Verne und Gabrielle Wittkop. 2002 erhielt sie den André-Gide-Preis für deutsch-französische Literaturübersetzungen. 2010, wurde sie gemeinsam mit Marie NDiaye mit dem „Jürgen Bansemer und Ute Nyssen-Dramatikerpreis“ ausgezeichnet.

Das Buch:
Marie NDiaye: Drei starke Frauen. Suhrkamp Verlag 2010, aus dem Französischen übersetzt von Claudia Kalscheuer. Trois femmes puissantes, Éditions Gallimard, 2009

Drei Geschichten, drei Lebensläufe, drei starke Frauen: Die vierzigjährige Norah gibt dem Drängen ihres Vaters nach und besucht ihn in Dakar: Die Juristin soll ihren Bruder aus dem Gefängnis holen. Das schwierige Treffen mit dem Vater führt die Frau an den Rand des Wahnsinns. Fanta hat im Unterschied zu Norah Dakar verlassen, um ihrem Ehemann Rudy in die französische Provinz zu folgen. Sie gibt sich dort vor Langeweile auf, so meint Rudy, durch dessen Perspektive wir von Fanta erfahren – doch ihm entgeht Entscheidendes. Von Afrika aus betrachtet erscheint ihre Existenz geradezu luxuriös und begehrenswert, weshalb Khady, die junge Afrikanerin, illegal nach Frankreich einzuwandern muss – doch sie endet, tot, am Grenzzaun in Nordafrika. Alle drei Frauen verteidigen ihre Würde, indem sie sich im entscheidenden Moment weigern, so zu handeln, wie es die Umgebung verlangt. www.suhrkamp.de

Zur Jury 2010 gehörten Christian Döring (Lektor und Herausgeber der „Anderen Bibliothek“), Gregor Dotzauer (Literaturkritiker „Der Tagesspiegel“), Ottmar Ette (Literaturwissenschaftler, Universität Potsdam), Sigrid Löffler (Literaturkritikerin), Katharina Narbutovič (Leiterin Berliner Künstlerprogramm des DAAD), Peter Ripken (Vorstandsvorsitzender ICORN – International Cities of Refuge Network) und Susanne Stemmler (Literaturwissenschaftlerin und Leiterin Bereich Literatur, Haus der Kulturen der Welt).

Die Festrede hielt die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff. Als Vertreterin der Jury stellte Sigrid Löffler zusammen mit dem Moderator des Abends Denis Scheck (Literaturkritiker, „Druckfrisch“) die Shortlist-Kandidaten Edouard Glissant „Das magnetische Land“, Yasmina Khadra „Die Schuld des Tages an die Nacht“, Yiyun Li „Die Sterblichen“, Shahriar Mandanipur „Eine iranische Liebesgeschichte zensieren“, Dinaw Mengestu „Die Melodie der Luft“, Daniyal Mueenuddin „Andere Räume, andere Träume“ und Marie NDiaye „Drei starke Frauen“ vor.

Die Preise übergaben Jan Slovak, der Stifter des Preises, und Bernd M. Scherer, Intendant des Hauses der Kulturen der Welt. Im Anschluss an die Preisübergabe lasen die Autorin und der Schauspieler Jan Josef Liefers Auszüge aus dem preisgekrönten Roman.

Weitere Informationen: Haus der Kulturen der Welt, Anne Maier, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin, Fon ++49 30 397 87-153, Fax ++49 30 3948679, presse@hkw.de, www.hkw.de

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