Welttheatertag

Johan Simons erhält den ITI-Preis, Brett Bailey sendet eine Botschaft

Das Internationale Theaterinstitut ehrt in Deutschland eine herausragende Persönlichkeit des Theaterlebens, deren Wirken in besonderer Weise auf die Darstellenden Künste weltweit ausstrahlt.

In diesem Jahr wurde Johan Simons als Preisträger gewählt. In der Begründung des Vorstands heißt es: „Mit Johan Simons wird durch das deutsche ITI-Zentrum erstmalig ein Theaterkünstler für eine beispielgebende Leistung gewürdigt, die nicht mehr nur von Deutschland aus Ländergrenzen überschreitet. Johan Simons hat die Produktionsweisen des freien Theaters und des Stadttheaters miteinander verbunden und darüber hinaus ein Theater jenseits der nationalen Verortung und Beschränkung von Sprache, Kultur und Tradition entwickelt.”

Johan Simons und seine Truppe Hollandia waren regelmässig mit deutschen Erstaufführungen zu Gast auf dem ITI-Festival THEATER DER WELT, 1996 mit den “Phönizierinnen” in Dresden, 2002 mit den “Backchen” in Köln und für das Festival 2006 holte Marie Zimmermann die “Elementarteilchen” des Schauspielhaus Zürich nach Stuttgart.

Das ITI verleiht dem Intendanten der Münchner Kammerspiele den Preis am 14. April 2014 im Anschluss an die Vorstellung von „Hiob“.

Seit 1985 ehrt das Internationale Theaterinstitut anlässlich des Welttheatertages international herausragende Persönlichkeiten des Theaterlebens in Deutschland, deren Stimme weltweit Bedeutung erlangt hat. Die Preisträger der vergangenen Jahre sind u.a.: Henning Rischbieter, Jürgen Schitthelm, Dea Loher und George Tabori.

Mit dem Welttheatertag möchte das Internationale Theaterinstitut die gesellschaftliche Aufmerksamkeit für das Theater stärken und die täglichen Leistungen der darin wirkenden Akteure ins Gedächtnis rufen. Der Welttheatertag wird mit unterschiedlichen Veranstaltungen gefeiert. Die Botschaft des südafrikanischen Künstlers Brett Bailey zum Welttheatertag finden Sie als Video hier, eingelesen von Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele.

Quelle: Internationales Theaterinstitut (ITI)

Botschaft zum Welttheatertag 2014

Brett Bailey, Republik Südafrika

Überall, wo es menschliche Gesellschaften gibt, äußert sich der ununterdrückbare Geist der Darbietung. Unter Bäumen in kleinen Dörfern und auf Hightech-Bühnen in der globalen Metropolis; in Schulaulen, auf Feldern und in Tempeln; in Slums, urbanen Einkaufszentren und innerstädtischen Kellerräumen begegnen sich die Menschen in den flüchtigen Theaterwelten, die wir erschaffen, um unsere menschliche Komplexität, unsere Verschiedenheit, unsere Verletzlichkeit in Fleisch und Blut und Atem und Stimme auszudrücken.

Wir kommen zusammen, um zu weinen und zu gedenken; zu lachen und zu betrachten; etwas zu lernen und zu behaupten und uns auszudenken. Um über unsere Geschicklichkeit zu erstaunen und Gott zu inkarnieren. Um angesichts unserer Fähigkeit zu Schönheit, Mitgefühl und Ungeheuerlichkeit kollektiv den Atem anzuhalten. Wir kommen, um Energie aufzutanken und uns zu stärken. Um den Reichtum unserer vielfältigen Kulturen zu feiern und die Grenzen zwischen uns aufzulösen.

Überall, wo es menschliche Gesellschaften gibt, äußert sich der ununterdrückbare Geist der Darbietung. Aus der Gemeinschaft geboren, trägt er die Masken und Kostüme unserer unterschiedlichen Traditionen. Er nutzt unsere Sprachen und Rhythmen und Gesten und eröffnet einen Freiraum mitten unter uns.

Und wir, die Künstler, die mit diesem uralten Geist arbeiten, empfinden den Drang, ihn durch unsere Herzen, Gedanken und Körper fließen zu lassen und so unsere individuelle Wirklichkeit in ihrer Alltäglichkeit und ihrem glitzernden Geheimnis zu offenbaren.

Doch worauf richtet sich dieser Drang in unserer Zeit, in der so viele Millionen um ihr Überleben kämpfen, unter Unterdrückerregimes und Raubvogelkapitalismus leiden und vor Konflikten und Elend auf der Flucht sind; in der Geheimdienste unsere Privatsphäre verletzen und zudringliche Regierungen unsere Worte zensieren; in der Wälder vernichtet, Spezies ausgelöscht und Meere vergiftet werden; was wollen wir wirklich unbedingt offenbaren?

Lässt sich in dieser Welt der ungleich verteilten Macht, wo verschiedene Hegemonialsysteme uns davon überzeugen wollen, dass eine Nation, eine Rasse, ein Geschlecht, eine sexuelle Orientierung, eine Religion, eine Ideologie, ein kultureller Rahmen allen anderen überlegen sei, tatsächlich die Auffassung vertreten, dass die Künste von sozialen und politischen Themen befreit werden sollten? Passen wir, die Künstler in der Arena und auf der Bühne, uns den keimfreien Marktanforderungen an oder ergreifen wir die Macht, die wir haben: um Freiräume in Herz und Geist der Gesellschaft zu eröffnen, um Menschen um uns zu versammeln, um zu inspirieren, zu verzaubern und zu informieren und eine Welt voller Hoffnung und offenherziger Zusammenarbeit zu erschaffen?

Übersetzung aus dem Englischen von Frank Heibert, Berlin

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