Besetzung der Berliner Volksbühne

Seit Freitagnachmittag, den 22.09, ist die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz von Aktivisten besetzt. Erste Gespräche endeten ergebnislos, so die Volksbühne und die Senatsverwaltung. Kultursenator Klaus Lederer hatte die Aktion auf seiner Facebook-Seite kritisiert und erklärt: „Kunstfreiheit ist immer auch die Kunstfreiheit der Andersperformenden! […] der Kampf um Freiräume kann nicht dadurch geführt werden, dass existierende Freiräume – ob mir gefällt, was dort passiert oder nicht – privatisiert und unter eine angemaßte Kontrolle gestellt werden." Der geregelte Probenbetrieb an der Volksbühne ist durch die Aktion aktuell beeinträchtigt, weshalb die Leitung die Politik zum Handeln aufruft.

Bei der im Foyer abgehaltenen Pressekonferenz der Besetzer am Freitag seien mehr als hundert Menschen anwesend gewesen. Die Volksbühne, die einen nach wie vor umstrittenen Intendantenwechselhinter sich hat und seit der neuen Spielzeit von Chris Dercon geleitet wird, wurde im Verlauf der Pressekonferenz zum "Eigentum aller Menschen" erklärt. Den Plan der Aktivisten, sich auf Dauer in dem Haus einzurichten, bestätigte ein Mitglied der Gruppe gegenüber nachtkritik.de: "Wir werden bleiben." Im Zuge dessen wurden sogar Hausregeln aufgestellt.

Intendant Chris Dercon sei aber nicht in erster Linie Grund für die Besetzung: „Er ist inzwischen mehr Opfer als Täter in diesem Prozess.“ Die Übergabe der Volksbühne an ihn sei vielmehr "symptomatisch für die gesamte Stadtentwicklung", so die Gentrifizierungsgegner in einem am späten Freitagnachmittag versandten Statement. Die Volksbühne solle als Aushandlungsort dienen, "in welcher Stadt wir leben, arbeiten und wohnen wollen". Man sei sich, so die Pressesprecherin, "der Bedeutung dieses denkmalgeschützten Hauses bewusst", es werde "kein Nagel in die falsche Wand geschlagen, keine Wand beschmiert." Außerdem wurde auf der Pressekonferenz "zur Partizipation" eingeladen. "Insbesondere möchten wir auch das ehemalige künstlerische Personal der Ära Castorf dazu einladen, sich bei dieser Großinszenierung vielfältig zu engagieren.“

Wer hinter der Aktion steckt, ist bislang unklar. Erklärt wurde, dass "ein harter Kern von etwa 40 Personen mit einem Mantel von bis zu 110 Menschen" seit mehr als einem Dreivierteljahr "aktiv an dieser Operation mitgearbeitet" habe. Das Kollektiv bezeichnet sich selbst als feministisch, antirassistisch und queer. Überdies seien im Rahmen der Besetzung verschiedene Kunstaktionen, Podiumsdiskussionen, Lesungen sowie ein "Parlament der Wohnungslosen" geplant.

Freitagnacht habe es noch lange Gespräche zwischen den Aktivisten, der Kulturverwaltung und dem Team der Volksbühne gegeben. Auch Intendant Chris Dercon und Kultursenator Klaus Lederer seien dabei gewesen. „Die Gespräche endeten vorläufig ergebnisoffen“, so die Volksbühne in einer Erklärung auf Facebook, in der die Besetzer auch aufgefordert wurden zu ihren selbstverhängten Hausregeln zu stehen, das denkmalgeschützte Haus vor Schaden zu bewahren und den Mitarbeitern friedlich zu begegnen.

Am Samstag, den 23.09, verkündeten die Aktivisten durch eine Sprecherin, dass die Besetzung bis auf Weiteres geduldet und von einer Räumung durch die Polizei abgesehen werde – unter der Bedingung, dass das Kollektiv für die Kosten eines durch Fehlalarm ausgelösten Polizeieinsatzes am Freitagabend aufkomme, so das Ergebnis der Gespräche mit dem Berliner Senat. Offen bleibe aber, ob Chris Dercon vorhabe von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen. Außerdem erklärten sie am Montag mit der Arbeit anfangen zu wollen und luden den Intendanten und sein Team ein sich in ihre kollektiven Strukturen zu integrieren.

Die Leitung der Volksbühne verbreitete am Sonntag, den 24.09, folgende Stellungnahme: "Keinesfalls verurteilen wir die Besetzer und ihre stadtpolitischen und sozialen Themen, die wichtig sind für Berlin." Verurteilt werde aber "die unverantwortliche Art und Weise", wie sich die Besetzer das Haus angeeignet haben, sowie dass sie dadurch ihre Anliegen über die Sicherheit der Mitarbeiter und auch des Publikums stellen. Ebenfalls stellten sie sich "in beispielloser Anmaßung über unsere Künstler und deren Arbeit". Am Montag solle der Probenbetrieb wieder aufgenommen werden, was aber mit den Tag-und-Nacht-Veranstaltungen der Besetzer nicht vereinbar sei. Die Besetzung, so die Volksbühnen-Leitung, sei nicht hinnehmbar: „Wir fordern, dass die Politik jetzt dringend ihrer Verantwortung nachkommt und handelt".

Die Senatsverwaltung für Kultur veröffentlichte am Montag, den 25.09, eine Erklärung, in der sie mitteilte, dass in erster Linie die Sicherheit der anwesenden Menschen gewährleistet werden muss und außerdem die Künstler arbeitsfähig sein müssen sowie der geregelte und ordentliche Probebetrieb nicht weiter beeinträchtigt werden darf. „Deeskalation statt Konfrontation" sei die Devise im permanenten Austausch mit den Aktivisten. „Für die stadtpolitischen Forderungen der Besetzer lassen sich Möglichkeiten eröffnen, diese an vielen Orten der Stadt weiter zu diskutieren.“ Unter anderem hinsichtlich der Forderung der Aktivisten „Chris Dercon eine andere, angemessene Wirkstätte zur Verfügung zu stellen“ stellte der Kultursenat klar: "Die Forderungen, sich die Volksbühne mit einer kollektiven Intendanz anzueignen, sind nicht erfüllbar."

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